Entscheidungsstichwort (Thema)
Bestellung zum Anwaltsnotar
Leitsatz (amtlich)
Die Bewerbung eines schwererwerbsbeschränkten Rechtsanwalts, der sich um eine im Oberlandesgerichtsbezirk Stuttgart ausgeschriebene Anwaltsnotarstelle bewirbt, ist nach § 37 Abs. 1 SBG bevorzugt zu behandeln, wenn die Hauptfürsorgestelle den Rechtsanwalt nach § 2 SBG einem Schwerbeschädigten gleichgestellt hat mit dem Zusatz, die Gleichstellung gelte für alle Arbeitsplätze in Baden-Württemberg.
Normenkette
BNotO § 4; SchwerbeschädigtenG § 2 Abs. 1 S. 2, § 37 Abs. 1
Verfahrensgang
OLG Stuttgart (Beschluss vom 13.07.1970) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers werden der Beschluß des Oberlandesgerichts Stuttgart – Senat für Notarsachen – vom 13. Juli 1970 und der Bescheid des Antragsgegners vom 27. Mai 1970 aufgehoben.
Der Antragsgegner ist verpflichtet, den Antragsteller unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu bescheiden.
Gebühren und Auslagen werden nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Tatbestand
I. Der am … 1916 geborene Antragsteller, der die erste juristische Staatsprüfung mit „lobenswert” und die zweite mit der Note „gut” bestanden hat, ist seit 27. Dezember 1950 Rechtsanwalt in Stuttgart. Er bewarb sich seit 1968 wiederholt um die Bestellung zum Anwaltsnotar in Stuttgart, wurde aber vom Antragsgegner abschlägig beschieden. Seit 1954 leidet er in zunehmendem Maße an Arthrosis deformans, die 1966 eine Operation am linken Hüftgelenk erforderlich machte. Durch Bescheid der Hauptfürsorgestelle des Landeswohlfahrtsverbandes Württemberg-Hohenzollern vom 5. Februar 1970 ist der Antragsteller wegen eines beidseitigen Hüftleidens, das zu einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 50 % führte, nach § 2 SBG bis 29. Februar 1972 einem Schwerbeschädigten gleichgestellt worden. Für die vorangegangenen zwei Jahre war bereits eine entsprechende Gleichstellung durch Bescheid vom 20. Februar 1968 ausgesprochen worden.
Am 6. März 1970 bewarb sich der Antragsteller erneut um eine Notarstelle. Bestellt wurde indessen Rechtsanwalt Sattler. Dem Antragsteller wurde unter dem 27. Mai 1970 mitgeteilt, daß seine Bewerbung nicht habe berücksichtigt werden können. Der hiergegen gerichtete Antrag auf gerichtliche Entscheidung wurde vom Oberlandesgericht zurückgewiesen. Die frist- und formgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist begründet.
Entscheidungsgründe
II. 1. Die Bestellung des Rechtsanwalts Sattler zum Anwaltsnotar beruht auf Auswahlgrundsätzen, die bei der Bestellung von Anwaltsnotaren im Oberlandesgerichtsbezirk Stuttgart seit 1955 angewendet werden, und mit denen sich der Senat bereits früher auseinandergesetzt hat (Beschlüsse vom 27. Mai 1963, NotZ 1/63 = DNotZ 1964, 56 und vom 13. Februar 1967, NotZ 4/66 = BGHZ 47, 84). Soweit diese Grundsätze hier von Bedeutung sind, erfolgt, wenn sich das Bedürfnis nach Besetzung einer Anwaltsnotarstelle zeigt (§ 4 Abs. 1 BNotO), unter den eingegangenen Bewerbungen zunächst eine sogenannte „Grobauswahl” anhand eines Punktsystems, bei dem die Ergebnisse beider juristischer Staatsprüfungen, das Lebensalter und die Dauer der Tätigkeit als Rechtsanwalt berücksichtigt werden. Aus der sich danach unter den Bewerbern ergebenden „Spitzengruppe” wird im Wege der Ermessensentscheidung „Feinauswahl”) der als Notar zu Bestellende ermittelt, ohne daß der Antragsgegner sich dabei an die Reihenfolge der Punktbewertung gebunden hält.
Mit dem Antragsteller hatten sich 34 Bewerber gemeldet. Von diesen bildeten fünf Rechtsanwälte mit Punktzahlen zwischen 51 und 53 die Spitzengruppe. Aus ihnen wurde Rechtsanwalt S. mit 52 Punkten ausgewählt. Der Antragsteller, der bei gleichguten Examensergebnissen wie Rechtsanwalt S. fünf Jahre jünger und drei Jahre weniger als Rechtsanwalt tätig ist, gelangte mit 45 Punkten auf den 12. Rang und damit nicht in die Spitzengruppe.
Der Antragsgegner glaubte, wie seine Ausführungen in dem vorliegenden Verfahren ergeben, bei der Prüfung der Bewerbung des Antragstellers der Beachtung der Grundsätze der Entscheidung des Senats BGHZ 47, 84 enthoben zu sein. Er meint, die Gleichstellung des schwer erwerbsbeschränkten Antragstellers nach § 2 SBG habe keine Vorzugsstellung nach § 37 SBG zur Folge. Da der Antragsteller nach Punkten nicht in die Spitzengruppe gelangt sei, habe er bei der Endauswahl der Bewerber nicht berücksichtigt werden können.
2. Diese Auffassung hat das Oberlandesgericht gebilligt. Es hat unter Bezugnahme auf seinen in der Parallelsache 1 VA 102/70 am selben Tage erlassenen Beschluß ausgeführt, eine Gleichstellung nach § 2 SBG mit dem Ziel einer bevorzugten Zulassung nach § 37 SBG sei nicht zulässig. Sie sei durch den Bescheid der Hauptfürsorgestelle vom 5. Februar 1970 auch nicht ausgesprochen worden. Demnach seien die Bestellung des Rechtsanwalts S. und die Zurückweisung des Antragstellers nicht zu beanstanden.
III. Dem kann nicht gefolgt werden.
1. Das Oberlandesgericht hat sich nicht mit § 2 Abs. 1 Satz 2 SBG (BGBl 1961 I S. 1234) auseinandergesetzt. Nach dieser Bestimmung finden auf die gleichgestellten Personen „die Vorschriften dieses Gesetzes entsprechende Anwendung”. Eine Ausnahme gilt nur für den hier nicht einschlägigen § 34 (Zusatzurlaub), der lediglich auf einen Teil der Gleichgestellten entsprechend anwendbar ist.
Nach diesem klaren Gesetzeswortlaut ist auf den Schwerbeschädigten Gleichgestellte § 37 SBG entsprechend anzuwenden. Das zeigt auch mit einer jeden Zweifel ausschließenden Deutlichkeit die Entstehungsgeschichte der Vorschrift.
Der von der Bundesregierung eingebrachte Entwurf eines Änderungsgesetzes zum Schwerbeschädigtengesetz (Bundestagsdrucksache III/1256) lautete in § 2 Abs. 1 Satz 2:
„Auf die gleichgestellten Personen finden die Vorschriften dieses Gesetzes mit Ausnahme der §§ 31, 33, 35 und 36 entsprechende Anwendung”.
Dabei entsprach § 36 des Entwurfs inhaltlich dem jetzigen § 37 SBG. Eine Bevorzugung der Gleichgestellten bei zulassungsbedingter unabhängiger Tätigkeit sollte nach dem Regierungsentwurf also nicht stattfinden.
Bei den Beratungen des federführenden Bundestagsausschusses für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen ist die Frage, ob entgegen diesem Vorschlag auf die Gleichgestellten alle Vorschriften des Schwerbeschädigtengesetzes anzuwenden seien, eingehend erörtert worden (Bericht des Ausschusses, Bundestagsdrucksache III/2701 S. 2). Gegen den Widerstand des Vertreters der Bundesregierung, der eine systemwidrige Durchbrechung des in § 1 SBG zum Ausdruck gekommenen Grundsatzes der sogenannten „Vorleistung für die Allgemeinheit” befürchtete, hat sich der Ausschuß unter Berücksichtigung der Wünsche der Interessenverbände dem Vorschlag des Bundesrates angeschlossen, der die Beseitigung der in § 2 Abs. 1 Satz 2 des Entwurfes der Bundesregierung enthaltenen Beschränkungen vorsah (Protokolle über die Sitzungen des Ausschusses: 47. Sitzung vom 11. Januar 1961 S. 4–8; 55. Sitzung vom 12. April 1961 S. 8–22; 57. Sitzung vom 20. April 1961 S. 4–6). Der Bundesrat hatte die von ihm vorgeschlagene Änderung, die dann Gesetz geworden ist, wie folgt begründet (Bundesratsdrucksache 228/59):
„Zusatzurlaub ist nur ein Ausgleich für erhöhte Beanspruchung der Schwerbeschädigten im Arbeitsleben. Es erscheint daher nicht gerechtfertigt, § 33 auch für die unter 50 v.H. Erwerbsgeminderten anzuwenden. Die §§ 31, 35, 36 sollten jedoch wie bisher auch für Gleichgestellte gelten”.
Die in dieser Begründung genannten §§ 33 und 36 entsprechen den §§ 34 und 37 der jetzt geltenden Fassung des Schwerbeschädigtengesetzes.
§ 37 SBG ist danach jedenfalls grundsätzlich auf Personen, die durch Bescheid der Hauptfürsorgestelle den Schwerbeschädigten gleichgestellt worden sind, anwendbar (Wilrodt/Neumann, SBG 2. Aufl. § 2 Anm. 35, § 37 Anm. 1; a.A. Becker, SBG 2. Aufl. § 2 Anm. 5, § 37 Anm. 2). Es bedarf deshalb hier keiner Entscheidung, ob, wie das Oberlandesgericht offenbar meint, eine Gleichstellung mit dem alleinigen Ziel einer Bevorzugung nach § 37 SBG wirklich unzulässig wäre. Ist, wie hier, eine Gleichstellung überhaupt erfolgt, ohne daß die Anwendung des § 37 SBG im Gleichstellungsbescheid ausgeschlossen ist, so bleibt zumindest in einem solchen Falle diese Bestimmung auf den Gleichgestellten anwendbar.
2. Das Oberlandesgericht meint allerdings, die Hauptfürsorgestelle habe in ihrem Bescheid vom 5. Februar 1970 die Gleichstellung auf Arbeitsplätze im Sinne des § 5 SBG, also auf Tätigkeiten in abhängiger Stellung beschränkt.
Das ist nicht richtig.
a) Wenn nach dem Bescheid der Hauptfürsorgestelle die Gleichstellung „für alle Arbeitsplätze in Baden-Württemberg” gilt, dann liegt darin kein Ausschluß der Anwendbarkeit des § 37 SBG, sondern lediglich eine Hervorhebung des Umstandes, daß von der nach der Sollvorschrift des § 2 Abs. 2 Satz 1 SBG an sich möglichen Beschränkung der Gleichstellung auf einen bestimmten Betrieb kein Gebrauch gemacht worden ist. Angesichts des klaren Gesetzeswortlautes hätte ein Ausschluß des § 37 SBG im Bescheid vom 5. Februar 1970 ausdrücklich ausgesprochen werden müssen. Daran fehlt es. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob, wie der Antragsgegner meint, die Gleichstellung ausschließlich mit Rücksicht auf die Möglichkeit einer etwaigen Bewerbung des Antragstellers als juristischer Mitarbeiter in einem Betrieb oder in der Verwaltung ausgesprochen worden ist. Im übrigen läßt sich entgegen der Meinung des Antragsgegners dem an ihn gerichteten Schreiben der Hauptfürsorgestelle vom 3. Juli 1970 nicht entnehmen, daß die Gleichstellung lediglich wegen einer etwaigen Bewerbung um eine Stellung in abhängiger Tätigkeit gewährt worden ist.
b) Das Oberlandesgericht glaubt, sich für seine Auffassung auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE 10, 70) berufen zu können. Das Bundesverwaltungsgericht hatte zur Frage der Zulassung als Kassenarzt entschieden, die Gleichstellung nach § 2 SBG a.F. (BGBl 1953 I S. 389) sei in einem solchen Falle deshalb nicht möglich, weil diese Vorschrift voraussetze, daß der Schwererwerbsbeschränkte sich ohne Gleichstellung einen Arbeitsplatz weder verschaffen noch erhalten könne. Was Arbeitsplatz im Sinne dieser Vorschrift sei, ergebe sich aus § 5 SBG. Danach handele es sich um Stellen, auf denen Arbeiter, Angestellte oder Beamte beschäftigt seien. Der Kassenarzt falle nicht unter diese gesetzliche Begriffsbestimmung. In seiner weiteren Begründung hat das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt, eine Gleichstellung sei auch nicht nach § 2 in Verbindung mit § 36 SBG a.F. (jetzt § 37) möglich. Während die Gleichstellung der Schwererwerbsbeschränkten mit den Schwerbeschädigten erschöpfend in § 2 geregelt sei, beziehe sich § 36 SBG nur auf eine Bevorzugung bei der Zulassung zu Berufen, vor deren Ausübung eine besondere Zulassung erforderlich sei. Aus dieser Vorschrift ergebe sich keine über § 2 SBG hinausgehende Möglichkeit der Gleichstellung.
Ob dieser Entscheidung zugestimmt werden könnte (ablehnend Küchenhoff AP SBG § 2 Nr. 5), bedarf keiner Erörterung. Angesichts der Fassung, die § 2 SBG durch das Gesetz vom 14. August 1961 (BGBl I S. 857, 1234) erhalten hat, kann jedenfalls jetzt die entsprechende Anwendung des § 37 auf Personen, die Schwerbeschädigten gleichgestellt worden sind, auch mit dem Hinweis auf § 5 SBG nicht ausgeschlossen werden. § 2 SBG a.F. enthielt nämlich keine dem § 2 Abs. 1 Satz 2 SBG n.F. entsprechende Bestimmung, wonach auf Gleichgestellte die Vorschriften des Gesetzes entsprechend anzuwenden sind. Möglicherweise war während der Geltung des § 2 a.F. anzunehmen, daß die Gleichstellung aus den vom Bundesverwaltungsgericht angeführten Gründen wirklich nur für in abhängiger Stellung Tätige gelten sollte (gegenteiliger Ansicht schon für den damaligen Rechtszustand Sellmann, SBG § 36 a.F. Anm. 2). Die Frage ist jedenfalls jetzt geklärt, weil insoweit nunmehr der Gesetzgeber gesprochen und die entsprechende Anwendung grundsätzlich aller Vorschriften des SBG angeordnet hat. Einer Anrufung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (Gesetz vom 19. Juni 1968 – BGBl I 661) bedarf es deshalb nicht.
Weder der Wortlaut des Gesetzes noch die erörterte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts sind daher geeignet, die Auffassung des Oberlandesgerichts zu stützen, der Inhalt des Bescheides vom 5. Februar 1970 schließe die entsprechende Anwendbarkeit des § 37 SBG auf den Antragsteller aus.
3. Auch daraus, daß nach § 2 Abs. 2 Satz 2 SBG grundsätzlich der Widerruf der Gleichstellung möglich ist, läßt sich die Unanwendbarkeit des § 37 SBG auf Gleichgestellte nicht herleiten. Der Antragsgegner meint, weil die Zurücknahme der Bestellung zum Notar nach einem Widerruf der Gleichstellung nicht mehr möglich sei, gehe dieser Widerruf ins Leere.
Das ist indessen etwa bei Beamten oder Richtern, die als Gleichgestellte einen Arbeitsplatz im strengen Sinne des § 5 SBG mit Rücksicht auf ihre Gleichstellung erhalten haben, im Grundsatz ebenso, d.h. eine einmal auf Lebenszeit erfolgte Anstellung wird von einem Widerruf der Gleichstellung nicht berührt. Daraus kann aber bezüglich der Beamten und Richter keine Unanwendbarkeit der Bestimmungen des Schwerbeschädigtengesetzes entgegen § 2 Abs. 1 Satz 2 gefolgert werden.
Im übrigen behauptet auch der Antragsgegner nicht, daß bei dem seit 1954 in zunehmendem Maße schwerbehinderten Antragsteller ein Widerruf in Betracht kommen könnte. Offensichtlich liegt ein Dauerschaden vor. Deshalb ist es auch unerheblich, daß die Gleichstellung nur befristet ausgesprochen worden ist. Dabei handelt es sich nur um eine rechtstechnische Maßnahme, um einen notwendigen Widerruf nach Ablauf von zwei Jahren (§ 2 Abs. 2 Satz 2 SBG) zu erleichtern.
4. Schließlich kommt es nicht darauf an, daß, wie das Oberlandesgericht ausführt, bei entsprechender Anwendbarkeit des § 37 SBG auf den Schwerbeschädigten Gleichgestellte im „Ballungsraum” Stuttgart auf Jahre hinaus andere Bewerber keinerlei Aussichten auf Zulassung als Anwaltsnotar haben. Nachdem der Gesetzgeber die Bevorzugung dieser Personen aus sozialen Gründen bestimmt hat, muß dem auch bei der Bestellung von Anwaltsnotaren Rechnung getragen werden.
IV. 1. Die sofortige Beschwerde ist nach allem begründet. Eine Verpflichtung des Antragsgegners, den Antragsteller als Anwaltsnotar in Stuttgart zu bestellen, konnte gleichwohl vom Senat nicht ausgesprochen werden. Dem stehen zwar nicht Bedenken aus § 4 Abs. 1 BNotO entgegen. Im Bereich des Anwaltsnotariats, jedenfalls in einem Gebiet wie in Stuttgart, wo sich eine verhältnismäßig große Anzahl von Anwaltsnotarstellen befinden, wird der Grundsatz, daß Notare nur bei Vorliegen eines Bedürfnisses bestellt werden dürfen, durch die Bestellung eines zusätzlichen Anwaltsnotars noch nicht verletzt. Diese Auffassung teilt auch der Antragsgegner, wie sein Bevollmächtigter in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat mitgeteilt hat.
Eine eigene abschließende Entscheidung ist dem Senat aber schon deshalb verwehrt, weil unter den 34 Bewerbern um die mit Rechtsanwalt S. besetzte Notarstelle sich auch der schwerbeschädigte Rechtsanwalt Dr. J. befand, der jedoch nicht berücksichtigt worden ist, weil er nach Auffassung des Antragsgegners noch nicht 15 Jahre als Rechtsanwalt tätig war. Hiergegen hat sich Rechtsanwalt Dr. J. mit einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung gewandt. Der Antrag hatte, wie der Bevollmächtigte des Antragsgegners in der Sitzung vom 15. Februar 1971 mitteilte, Erfolg. Der von Rechtsanwalt Dr. J. angefochtene Bescheid wurde danach vom Oberlandesgericht mit der Begründung aufgehoben, daß die Verneinung einer mindestens 15-jährigen Anwaltstätigkeit, wie sie Voraussetzung für die Ernennung zum Anwaltsnotar ist, rechtlichen Bedenken begegne. Eine Entscheidung über die Bewerbung des Rechtsanwalts Dr. J. ist bisher nicht ergangen.
2. Bei der nunmehr zu treffenden Entscheidung, wird der Antragsgegner zu prüfen haben, ob statt des Rechtsanwalts S. der Antragsteller oder Rechtsanwalt Dr. J. zu Anwaltsnotaren hätten bestellt werden müssen. Daneben ist, wie sich aus dem gleichzeitig erlassenen Beschluß NotZ 5/70 ergibt, zu prüfen, ob statt eines der drei Genannten nicht Rechtsanwalt D. hätte bestellt werden müssen.
3. Die Handhabung der Auswahl aus den Bewerbern um Anwaltsnotarstellen durch den Antragsgegner seit Erlaß des in BGHZ 47, 84 veröffentlichten Beschlusses des Senats gibt Veranlassung, auf folgendes hinzuweisen. Die in jener Entscheidung aufgestellten Grundsätze besagen nicht, daß ein schwerbeschädigter Notarbewerber, der die Mindestvoraussetzungen einer Bewerbung (15-jährige Tätigkeit als Rechtsanwalt, Höchstalter 64 Jahre) und gute Examensergebnisse aufweist, vor den anderen Bewerbern in jedem Falle bevorzugt werden muß. Andererseits würde es nicht zu beanstanden sein, wenn der Antragsgegner den Schwerbeschädigten oder Gleichgestellten in die Spitzengruppe der Punktbewertung aufnimmt, die er ohne Anwendung des Schwerbeschädigtengesetzes sonst nicht erreichen würde. Auch dabei wäre der Antragsgegner aus Rechtsgründen nicht gehindert, von einer Aufnahme des Schwerbeschädigten oder Gleichgestellten in die Spitzengruppe jedenfalls dann abzusehen, wenn der Punktabstand zu den anderen Spitzenbewerbern sehr erheblich ist. Möglicherweise ließe sich ein Verfahren empfehlen, nach welchem dem Schwerbeschädigten oder Gleichgestellten je nach der Höhe des Grades der Erwerbsminderung ein Punktzuschlag gewährt wird. Erreicht der Schwerbeschädigte oder Gleichgestellte danach die Spitzengruppe, so wäre es gleichfalls nicht ohne weiteres ein Verstoß gegen das Gebot der Bevorzugung nach § 37 SBG, wenn der Schwerbeschädigte oder Gleichgestellte trotzdem nicht zum Anwaltsnotar bestellt wird. Allerdings würde die Bevorzugung eines anderen Bewerbers aus der Spitzengruppe nur bei Vorliegen schwerwiegender Gründe zu rechtfertigen sein (BGHZ 47, 87).
Unterschriften
Glanzmann, Fortmann, Bundesrichter Börtzler hat seinen Urlaub angetreten und kann deshalb nicht unterschreiben Glanzmann, Kaiser, Braxmaier
Fundstellen
Haufe-Index 1502500 |
BGHZ |
BGHZ, 324 |
NJW 1971, 1179 |
Nachschlagewerk BGH |
DNotZ 1971, 548 |
DNotZ 1971, 550 |
DNotZ 1971, 553 |
DNotZ 1972, 551 |
MDR 1971, 660 |
VerwRspr 1971, 239 |
VerwRspr 1971, 998 |