Verfahrensgang
LG Fulda (Urteil vom 09.06.2017) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Fulda vom 9. Juni 2017 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit von der Anordnung einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen worden ist.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Von einer Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt hat es abgesehen. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten mit der allgemein erhobenen Sachrüge. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 2
Zur unterbliebenen Entscheidung über eine Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 11. Dezember 2017 ausgeführt:
„Das Urteil kann jedoch keinen Bestand haben, soweit die Strafkammer von der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) abgesehen hat.
- Die sachverständig beratene Strafkammer hat bei dem Angeklagten zwar einen Hang im Sinne des § 64 StGB in Form einer polyvalenten Substanzabhängigkeit im Hinblick auf Alkohol und Cannabis bejaht, dann aber gemeint, die Tat sei nicht auf diesen Hang zurückzuführen. Zwar sei der Angeklagte zum Tatzeitpunkt durch vorherigen Alkohol- und Cannabiskonsum enthemmt gewesen, wobei der Schweregrad des § 21 StGB nicht erreicht gewesen sei. Die tätliche Auseinandersetzung mit dem Geschädigten sei aber Folge eines in der Persönlichkeit liegenden Verhaltensmusters gewesen. An der Vorgeschichte des Angeklagten sei erkennbar, dass er auch in anderen Situationen, die mit Alkohol- oder Drogenkonsum in keinem Zusammenhang stünden, Gewalt als Mittel zur Konfliktlösung einsetze. Alkohol und Cannabis mögen daher bei der Tat eine enthemmende Wirkung gehabt haben, seien aber nicht ursächlich für den Angriff auf den Geschädigten gewesen (UA S. 39 f.).
- Diese Ausführungen lassen besorgen, dass die Strafkammer rechtsfehlerhaft von einem zu engen Verständnis des erforderlichen symptomatischen Zusammenhangs zwischen dem Hang und den abgeurteilten Taten ausgegangen ist. Nach ständiger Rechtsprechung ist nicht erforderlich, dass der Hang die alleinige Ursache für die Anlasstat ist. Vielmehr ist ein symptomatischer Zusammenhang bereits dann zu bejahen, wenn der Hang neben anderen Umständen mit dazu beigetragen hat, dass der Angeklagte eine erhebliche rechtswidrige Tat begangen hat, und dies bei unverändertem Suchtverhalten auch für die Zukunft zu besorgen ist (vgl. etwa Senat, Beschluss vom 30. Juli 2013 – 2 StR 174/13 –, juris, Rn. 7 mwN). Die Strafkammer sieht die Tat zwar als Folge eines in der Persönlichkeit des Angeklagten liegenden Verhaltensmusters, geht allerdings davon aus, dass dieser zum Tatzeitpunkt durch seinen vorherigen Alkohol- und Cannabiskonsum enthemmt gewesen sei, unter diesem Gesichtspunkt ausdrücklich strafmildernd berücksichtigt (UA S. 39). Gleichwohl setzt sie sich nicht mit der nahe liegenden Möglichkeit auseinander, dass die alkohol- und drogenbedingte Enthemmung des Angeklagten zumindest mitursächlich für die Tat gewesen sein könnte, was für die Annahme eines symptomatischen Zusammenhangs im Sinne des § 64 StGB ausreichen würde. Darin liegt ein Erörterungsmangel. Es ist nicht auszuschließen, dass die Strafkammer bei der gebotenen Prüfung einer Mitursächlichkeit des Hangs für die abgeurteilte Tat den symptomatischen Zusammenhang bejaht hätte.
- Die Sache bedarf insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung. Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (§ 358 Abs. 2 Satz 2 StPO). Er hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht auch nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen (vgl. Senat, Beschluss vom 6. Juni 2017 – 2 StR 103/17 –, StraFo 2017, 376, 377).”
Rz. 3
Dem kann sich der Senat nicht verschließen. Er verweist die Sache deshalb an eine andere – allgemeine – Strafkammer zurück.
Unterschriften
Schäfer, Appl, Eschelbach, Zeng, Grube
Fundstellen
Dokument-Index HI11562065 |