Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergewaltigung
Tenor
I. 1. Auf die Revision des Angeklagten T. wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 10. März 2000 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben, soweit dieser Angeklagte verurteilt worden ist.
2. Insoweit wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
II. 1. Die Revisionen der Angeklagten L. und Z. gegen das genannte Urteil werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
2. Jeder dieser beiden Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die den Nebenklägern hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe
Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit Geiselnahme und mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt; es hat gegen die Angeklagten L. und T. Freiheitsstrafen von jeweils vier Jahren und gegen den Angeklagten Z., der ferner wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung verurteilt wurde, eine Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verhängt. Die Revision des Angeklagten T. hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg, die Revisionen der beiden anderen Angeklagten sind unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Hinsichtlich der beiden letztgenannten Revisionen merkt der Senat ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts folgendes an:
a) Mit Rücksicht auf generell nicht linearen Alkoholabbau rechtfertigen zwei Blutproben nicht, der Berechnung der Blutalkoholkonzentration „individuelle” Abbauwerte zugrunde zu legen (vgl. BGHR StGB § 21 – Blutalkoholkonzentration 24). Der Fehler hat sich hier nicht ausgewirkt, da Vollrausch bei den Angeklagten nach hinreichend aussagekräftigen psychodiagnostischen Kriterien auszuschließen war und § 21 StGB Anwendung gefunden hat.
b) Daß der Tatrichter den Angeklagten L. ausdrücklich als alkoholkrank bezeichnet (UA S. 74), die Frage seiner Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) aber dennoch ungeprüft gelassen hat, begründet hier keine durchgreifenden sachlichrechtlichen Bedenken. Der Angeklagte hat mit seiner Revision keine entsprechende Beanstandung erhoben; ob bereits hieraus eine entsprechende Rechtsmittelbeschränkung (BGHSt 38, 362) abzuleiten ist, bedarf keiner Entscheidung. Ebenso wenig muß entschieden werden, ob bereits an der Sprachunkundigkeit des Angeklagten das Erfordernis hinreichend konkreter Aussicht eines Behandlungserfolges (BVerfGE 91, 1) scheitern müßte, was der Senat für naheliegend hält (a.A. BGH StV 1998, 74; zweifelnd BGHSt 36, 199). Jedenfalls war im vorliegenden Fall ein symptomatischer Zusammenhang zwischen Hang und Tatbegehung nicht so eindeutig, daß deshalb die Frage der Unterbringung nach § 64 StGB im Urteil unbedingt abgehandelt werden mußte; eine solche Erörterung wäre freilich hier gerade nach den Angaben des psychiatrischen Sachverständigen angezeigt gewesen.
2. Die Revision des Angeklagten T. hat mit einer auf die Verletzung des Fragerechts gestützten Verfahrensrüge Erfolg.
Der Beschwerdeführer hatte sich nicht zur Sache eingelassen; die Mitangeklagten hatten sich damit verteidigt, die Geschädigten, nämlich die beiden Frauen und insbesondere der Zeuge A., hätten sie nach gemeinsamer Feier bestohlen oder gar beraubt (s. UA S. 40 ff.); die Anzeige der abgeurteilten Tat durch die Geschädigten wurde als deren „Vorwegverteidigung” erklärt (UA S. 42, 48). Bei dieser Beweislage war der Verteidiger des Beschwerdeführers zur Überprüfung der Glaubwürdigkeit auch durch § 68a StPO nicht offensichtlich gehindert, den Zeugen A. nach etwaigen Vorstrafen zu fragen, und zwar nicht nur Aussagedelikte betreffend, sondern auch schwere Straftaten, aus denen ein mögliches Indiz für die der Zeugendarstellung entgegenstehende Angeklagtenversion herzuleiten war. Unter dieser Voraussetzung beanstandet die Revision es zutreffend als verfahrensfehlerhaft, daß die Frage des Verteidigers nach Aufenthalten des Zeugen in einem deutschen Gefängnis oder Polizeigewahrsam ohne jede Begründung und Einschränkung nicht zugelassen und daß dies durch Gerichtsbeschluß bestätigt wurde. Eine berechtigte, von § 241 Abs. 2 StPO gedeckte Zurückweisung dieser Frage versteht sich jedenfalls ohne jede Begründung nicht von selbst (vgl. BGHR StPO § 241 Abs. 2 – Zurückweisung 3; BGH, Beschluß vom 17. November 2000 – 3 StR 389/00 –; vgl. auch BGHSt 2, 284; 13, 252).
Der Senat sieht sich nicht in der Lage, ein Beruhen der – mindestens ergänzend auf die Aussage des Zeugen A. gestützten – Verurteilung des Beschwerdeführers auf dem Verfahrensfehler auszuschließen. Dies läßt sich insbesondere auch nicht durch folgende Erwägungen erreichen: Ein Verteidiger, der durch eine verfahrensfehlerhafte Fragezurückweisung in seiner Verteidigungsführung eingeschränkt wurde, wird im weiteren Verlauf der Vernehmung gelegentlich die Chance suchen, die bereits mit der zurückgewiesenen Fragestellung berechtigt erstrebte Information im weiteren Verlauf der Vernehmung durch andere, eingeschränkte oder umgestellte und dann möglicherweise nicht beanstandete Fragen doch noch zu erhalten. Allerdings ist der Verteidiger zu solchem Vorgehen regelmäßig nicht unbedingt gehalten. Hier ist nichts für einen solchen weiteren Vernehmungsablauf ersichtlich. Insbesondere vermag der Senat ihn nicht etwa eindeutig dem Urteil oder gar dem Protokoll zu entnehmen. Auch aus dem eigenen Vortrag der Revision ergibt sich dafür nichts, ebenso wenig aus der Gegenerklärung der Staatsanwaltschaft, etwa aufgrund einer Stellungnahme der Strafkammervorsitzenden hierzu. Eine eigene inhaltliche Rekonstruktion der Hauptverhandlung hinsichtlich des Ablaufs der weiteren Zeugenvernehmung ist dem Senat bei der Beruhensprüfung versagt. Für den Sonderfall einer insgesamt ungewöhnlich eingehenden Zeugenbefragung durch den Verteidiger mit ersichtlich erschöpfendem Informationsgewinn (vgl. BGH NStZ 1982, 158, 159; BGH, Beschluß vom 17. November 2000 – 3 StR 389/00 –) ist hier auch nichts ersichtlich.
Unterschriften
Harms, Häger, Basdorf, Gerhardt, Raum
Fundstellen
Haufe-Index 600027 |
StV 2001, 435 |