Verfahrensgang
LG Halle (Saale) (Urteil vom 07.10.2004) |
Tenor
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Halle vom 7. Oktober 2004 wird verworfen.
2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe
Das Landgericht hatte den zu den Tatzeiten heranwachsenden Angeklagten wegen Mordes, versuchten Totschlags und gemeinschaftlich versuchter schwerer räuberischer Erpressung nach allgemeinem Strafrecht unter Einbeziehung der Strafen aus zwei früheren Verurteilungen zu lebenslanger Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt, die besondere Schwere der Schuld festgestellt und ferner den Angeklagten verurteilt, an die Nebenklägerin ein Schmerzensgeld zu zahlen. Auf die Revision des Angeklagten hob der Senat durch Beschluß vom 30. März 2004 – 4 StR 42/04 – das Urteil im Ausspruch über die wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung (Überfall „Moosmännl”) verhängte Einzelstrafe von drei Jahren sechs Monaten Freiheitsstrafe, im Ausspruch über die Gesamtstrafe sowie im Ausspruch über die besondere Schuldschwere auf und verwies die Sache unter Verwerfung der weiter gehenden Revision an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurück. Nunmehr hat das Landgericht den Angeklagten erneut zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt und dabei hinsichtlich des Überfalls „Moosmännl” auf eine Einzelfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten erkannt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte wiederum mit seiner Revision, mit der er das Verfahren beanstandet und die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel bleibt im Ergebnis ohne Erfolg.
Näherer Ausführungen bedarf es nur zur Anwendung von allgemeinem Strafrecht hinsichtlich des Überfalls „Moosmännl”. Das Landgericht hat sich insoweit aufgrund der durch die Senatsentscheidung vom 30. März 2004 aufrechterhaltenen Feststellungen des ersten in dieser Sache ergangenen Urteils an einer erneuten Beweisaufnahme über die Frage, ob der Angeklagte zur Tatzeit einem Jugendlichen oder einem Erwachsenen gleichstand, gehindert gesehen und dazu ausgeführt, „ein eventuell abweichendes Ergebnis hätte sich mit den rechtskräftigen Feststellungen in Widerspruch gesetzt” (UA 15). Dies beanstandet der Beschwerdeführer im Ansatz zu Recht.
Die vom Landgericht angenommene innerprozessuale Bindungswirkung aufgrund der in dieser Sache ergangenen Senatsentscheidung vom 30. März 2004 ist nicht frei von Rechtsirrtum Daß der Senat die betreffend den Überfall „Moosmännl” nach allgemeinem Strafrecht erkannte Einzelfreiheitsstrafe – und deshalb auch den Gesamtstrafenausspruch – des ursprünglichen Urteils aufgehoben hatte, machte in diesem Umfang eine neue Entscheidung über die Straffrage des § 105 JGG (st. Rspr.; vgl. BGHSt 5, 207, 209) erforderlich, die der neue Tatrichter unabhängig von der Bewertung des ersten Urteils zu treffen hatte (vgl. Eisenberg JGG 10. Aufl. § 105 Rdn. 12). Daran ändert nichts, daß der Senat die zugrunde liegenden Feststellungen des ersten Urteils von der Aufhebung ausgenommen hatte. Gebunden war die Jugendkammer hierdurch nur insoweit, als sie ihrer Entscheidung, ob auf den zur Tatzeit noch heranwachsenden Angeklagten wegen des Überfalls „Moosmännl” Jugendrecht zur Anwendung kommt, die Feststellungen des ersten Urteils zugrundelegen mußte und ergänzende Feststellungen nur insoweit treffen durfte, als sie mit den aufrechterhaltenen nicht in Widerspruch stehen. Die Annahme oder Nichtannahme der Voraussetzungen des § 105 Abs. 1 JGG ist selbst jedoch keine Feststellung, sondern das Ergebnis eines Wertungsakts und nimmt deshalb an der Bindungswirkung nicht teil. Wäre die Jugendkammer danach aufgrund eigener Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Angeklagten zu der Überzeugung gelangt, daß er zur Tatzeit des Überfalls „Moosmännl” noch einem Jugendlichen gleichstand (§ 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG), hätte sie unbeschadet der durch das erste Urteil vom 9. Dezember 2002 erkannten, durch die Senatsentscheidung vom 30. März 2004 rechtskräftig gewordenen Einzelstrafen (lebenslange Freiheitsstrafe und vier Jahre Freiheitsstrafe) prüfen und darüber befinden müssen, ob gemäß § 105 i.V.m. §§ 31 Abs. 2 Satz 1, 32 JGG einheitlich Jugendrecht zur Anwendung gelangt (vgl. BGHSt 37, 34; 40, 1; Eisenberg aaO § 32 Rdn. 6 und § 55 Rdn. 19).
Der Senat schließt jedoch aus, daß das angefochtene Urteil auf dem aufgezeigten Rechtsfehler beruht (§ 337 StPO). Denn nach der im ersten Urteil – wie der Senat durch seine Entscheidung vom 30. März 2004 bestätigt hat – hinsichtlich des Mordes und des versuchten Totschlags rechtsfehlerfrei getroffenen Wertung, daß insoweit allgemeines Strafrecht zur Anwendung gelangt, hätte der neu zur Entscheidung berufenen Jugendkammer auch dann, wenn sie hinsichtlich des Überfalls „Moosmännl” gemäß § 105 JGG Jugendrecht angewandt hätte, nur noch offengestanden zu prüfen, ob das Schwergewicht aller Taten bei dieser einen (möglicherweise) nach Jugendrecht beurteilten Tat liegt (§ 32 Satz 1 JGG). Daß die Jugendkammer gegenüber einem nach allgemeinem Strafrecht beurteilten Mord und versuchten Totschlag das Schwergewicht gleichwohl bei der versuchten schweren räuberischen Erpressung gesehen hätte, ist jedoch so fern liegend, daß der Senat dies ausschließen kann, zumal nach dem in § 32 Satz 2 JGG zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzes bei verbleibenden Zweifeln allgemeines Strafrecht zur Anwendung gelangen soll (vgl. BGHR JGG § 32 Schwergewicht 4; Brunner/Dölling JGG 11. Aufl. § 32 Rdn. 3; jew. m.w.N.).
Unterschriften
Maatz, Kuckein, Athing, Solin-Stojanović, Sost-Scheible
Fundstellen
Haufe-Index 2557036 |
NStZ 2005, 644 |
StraFo 2005, 469 |