Verfahrensgang
OLG Karlsruhe (Entscheidung vom 12.05.2021; Aktenzeichen 7 U 176/19) |
LG Heidelberg (Entscheidung vom 06.11.2019; Aktenzeichen 5 O 32/19) |
Nachgehend
Tenor
Das Ablehnungsgesuch des Klägers vom 2. Februar 2022 wird zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Rz. 1
Der Kläger wendet sich gegen seinen Ausschluss aus den Herausgeberkreisen zweier juristischer Fachzeitschriften sowie gegen seine Abberufung als Chief Managing Editor und Mitglied des Editorial Boards einer dieser Zeitschriften. Hilfsweise begehrt er im Wege der Stufenklage die Vorlage einer Auseinandersetzungsbilanz der beiden Herausgebergesellschaften auf den 9. November 2017 und die Zahlung eines auf der Grundlage dieser Bilanz noch zu bestimmenden Abfindungsbetrages. Das Landgericht hat die Klage mit den Hauptanträgen abgewiesen und die Beklagten auf den Hilfsantrag zur Vorlage der begehrten Auseinandersetzungsbilanzen verurteilt. Das Berufungsgericht hat die Berufungen beider Parteien zurückgewiesen. Der Kläger hat Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision eingelegt.
Rz. 2
Nach Eingang dieser Beschwerde haben sämtliche Mitglieder des II. Zivilsenats schriftliche Erklärungen gemäß § 48 ZPO abgegeben (zu deren Inhalt Senatsbeschluss vom 6. Juli 2021 – II ZR 97/21, ZInsO 2021, 1781 Rn. 2 ff.). Mit Beschluss vom 6. Juli 2021 (aaO), der den Parteien am 29. bzw. am 31. Juli 2021 zugestellt worden ist, hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass die Selbstablehnungen der Richter am Bundesgerichtshof Bo., W. und Dr. Be., der Richterin am Bundesgerichtshof G. der Richter am Bundesgerichtshof Sa. und Dr. von Se. sowie der Richterin am Bundesgerichtshof Dr. F. unbegründet sind, während die Selbstablehnung des Vorsitzenden Richters am Bundesgerichtshof Prof. Dr. D. für begründet erklärt worden ist.
Rz. 3
Mit Schriftsatz vom 20. Oktober 2021 hat der Kläger die Nichtzulassungsbeschwerde begründet und beantragt, die Revision gegen das Urteil des Berufungsgerichts zuzulassen, soweit dort zum Nachteil des Klägers erkannt worden ist. In der Folge ist den Parteien mitgeteilt worden, dass der Senat nicht vor Ablauf von zwei Monaten nach Zustellung der Nichtzulassungsbeschwerdebegründung beraten werde. Diese Zustellung ist am 25. Oktober 2021 erfolgt. Die Beklagten haben mit Beschwerdeerwiderung vom 10. Januar 2022 beantragt, die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise sie zurückzuweisen.
Rz. 4
Mit Schreiben vom 2. Februar 2022 hat der Kläger die Richterinnen und Richter des II. Zivilsenats, soweit noch nicht durch den Senatsbeschluss vom 6. Juli 2021 ausgeschlossen, wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt.
Entscheidungsgründe
II.
Rz. 5
Der Senat entscheidet gemäß § 45 Abs. 1 ZPO ohne Mitwirkung der Richterinnen und Richter, die der Kläger wegen Befangenheit abgelehnt hat, in der Besetzung nach B. VI. 2. a) aa) und d) des Geschäftsverteilungsplans des Bundesgerichtshofs für das Geschäftsjahr 2022.
III.
Rz. 6
Das Ablehnungsgesuch, das unter Berücksichtigung seiner Begründung und des bisherigen Verfahrensverlaufs dahingehend auszulegen ist, dass es sich auf die Richter am Bundesgerichtshof Bo., W. und Dr. Be., die Richterin am Bundesgerichtshof G., die Richter am Bundesgerichtshof Sa. und Dr. von Se. sowie die Richterin am Bundesgerichtshof Dr. F. bezieht, hat keinen Erfolg.
Rz. 7
1. Hinsichtlich des ersten geltend gemachten Ablehnungsgrundes kann dahinstehen, ob das Ablehnungsgesuch insoweit mangels Glaubhaftmachung der diesbezüglich angeführten Umstände gemäß § 44 Abs. 2 und 4 ZPO schon unzulässig ist. Denn selbst wenn diese Umstände als richtig unterstellt werden, rechtfertigen sie nicht nach § 42 Abs. 2 ZPO die Besorgnis der Befangenheit.
Rz. 8
Nach dieser Vorschrift findet die Ablehnung eines Richters wegen der Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Tatsächliche Befangenheit oder Voreingenommenheit ist nicht erforderlich, da die Vorschriften über die Befangenheit von Richtern bezwecken, bereits den bösen Schein einer möglicherweise fehlenden Unvoreingenommenheit und Objektivität zu vermeiden (Senatsbeschluss vom 6. Juli 2021 – II ZR 97/21, ZInsO 2021, 1781 Rn. 14 mwN). Maßgeblich ist, ob aus der Sicht einer Partei bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass gegeben ist, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Richters zu zweifeln. Dabei kommen nur objektive Gründe in Betracht, die aus der Sicht einer verständigen Prozesspartei berechtigte Zweifel an der Unparteilichkeit oder der Unabhängigkeit des Richters aufkommen lassen. Solche Zweifel können sich aus einer besonderen Beziehung des Richters zum Gegenstand des Rechtsstreits oder zu den Parteien ergeben. Maßgeblich sind die besonderen Umstände des Einzelfalls, die in ihrer Gesamtheit zu würdigen sind (Senatsbeschluss vom 6. Juli 2021, aaO Rn. 15 mwN).
Rz. 9
Nach diesen Maßgaben rechtfertigen die von dem Kläger mit dem ersten Ablehnungsgrund geltend gemachten Umstände – ihre Richtigkeit unterstellt – nicht die Besorgnis der Befangenheit. Der Kläger stützt sein Gesuch insoweit darauf, dass es zwischen der früheren Richterin am Bundesgerichtshof C., die inzwischen mit dem Beklagten zu 5 verheiratet sei, und den Richterinnen und Richtern des II. Zivilsenats persönliche Beziehungen gebe, die den in den Anzeigen dieser Richterinnen und Richter nach § 48 ZPO geschilderten persönlichen Beziehungen mit anderen ehemaligen Senatsmitgliedern, den jetzigen Beklagten zu 1 und zu 3, vergleichbar seien. Da aber schon die angezeigten Beziehungen nicht die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen (Senatsbeschluss vom 6. Juli 2021 – II ZR 97/21, ZInsO 2021, 1781 Rn. 19 ff., 29, 32 ff., 37 ff.), gilt dies ebenfalls für vergleichbare Beziehungen zu einer früheren Richterin des Senats, die nicht selbst Beklagte, sondern Ehefrau oder Lebensgefährtin eines der Beklagten ist. Unter diesen Umständen kommt es auch nicht auf die Richtigkeit der weiteren, in Bezug auf den Beklagten zu 5 im Ablehnungsgesuch aufgestellten und von den Beklagten bestrittenen Behauptungen an.
Rz. 10
2. Soweit der Kläger geltend macht, seine Besorgnis der Befangenheit der abgelehnten Richterinnen und Richter ergebe sich auch daraus, dass diese wegen der für begründet erklärten Selbstablehnung des Vorsitzenden Richters am Bundesgerichtshof Prof. Dr. D. nunmehr mittelbar über den Verbleib ihres eigenen Vorsitzenden im Kreis der Herausgeber einer der beiden von der Klage betroffenen Zeitschriften entscheiden würden, kann dahinstehen, ob es sich dabei um einen objektiven Grund handelt, der aus der Sicht einer verständigen Prozesspartei berechtigte Zweifel an der Unparteilichkeit oder der Unabhängigkeit des Richters aufkommen lässt. Denn dem Ablehnungsgesuch steht insoweit bereits § 43 ZPO entgegen.
Rz. 11
Danach kann eine Partei einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit nicht mehr ablehnen, wenn sie sich bei ihm, ohne den ihr bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen, in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat. Die Vorschrift bezweckt, eine Partei, die an der Unbefangenheit eines Richters zweifelt, anzuhalten, dies alsbald kundzutun; dadurch soll ihr unter anderem die Möglichkeit genommen werden, einen Rechtsstreit willkürlich zu verzögern und bereits geleistete prozessuale Arbeit nutzlos zu machen (BGH, Beschlüsse vom 1. Juni 2006 – V ZB 193/05, NJW 2006, 2776 Rn. 13 mwN und vom 26. April 2016 – VIII ZB 47/15, NJW-RR 2016, 887 Rn. 16; BVerwG, NVwZ-RR 2008, 140 Rn. 3). Im Hinblick auf die in § 43 ZPO zum Ausdruck kommenden Gedanken der Rechtssicherheit und der Prozessökonomie tritt der Verlust des Ablehnungsrechts gemäß dieser Vorschrift auch in einem Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren gemäß § 544 ZPO ein, wenn eine Beschwerdebegründung eingereicht worden ist, ohne einen dem Beschwerdeführer bekannten Grund für die Ablehnung von Richtern geltend zu machen, die dem Senat angehören, bei dem das Verfahren in diesem Zeitpunkt anhängig ist. Denn im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren gemäß § 544 ZPO ist eine mündliche Verhandlung nicht vorgeschrieben (§ 544 Abs. 5 und 6 ZPO; zur Anwendung von § 43 ZPO in schriftlichen Verfahren BGH, Beschluss vom 16. Januar 2014 – XII ZB 377/12, WM 2014, 675 Rn. 22; BeckOK ZPO/Vossler, 43. Edition, Stand: 1. Dezember 2021, § 43 Rn. 9; MünchKommZPO/Stackmann, 6. Aufl., § 43 Rn. 5). Grundlage der Entscheidung über die Zulassung der Revision durch den zuständigen Senat ist allein das innerhalb der Frist des § 544 Abs. 4 ZPO eingereichte Beschwerdevorbringen (BGH, Beschluss vom 29. Oktober 2020 – V ZR 273/19, MDR 2021, 380 Rn. 11), mit dem sowohl die Zulassungsgründe darzulegen (§ 544 Abs. 4 Satz 3 ZPO) als auch darzulegen und glaubhaft zu machen ist, dass mit der beabsichtigten Revision die Entscheidung des Berufungsgerichts in einem Umfang, der die Wertgrenze von 20.000 EUR übersteigt, abgeändert werden soll (BGH, Beschlüsse vom 5. Februar 2019 – VIII ZR 277/17, NJW 2019, 1531 Rn. 16 mwN, vom 6. Juni 2019 – I ZR 159/18, juris Rn. 5 und vom 29. Oktober 2020, aaO mwN).
Rz. 12
Dem Kläger ist der Umstand, auf den er seine Besorgnis der Befangenheit stützt, bereits aufgrund der noch im Juli 2021 erfolgten Zustellung des Senatsbeschlusses vom 6. Juli 2021 bekannt. Dennoch hat er diesen Umstand erst mit seinem Ablehnungsgesuch vom 2. Februar 2022 geltend gemacht, obwohl er zuvor mit Schriftsatz vom 20. Oktober 2021 seine Nichtzulassungsbeschwerde begründet und beantragt hat, die Revision gegen das Urteil des Berufungsgerichts zuzulassen, soweit dort zu seinem Nachteil erkannt worden ist. Damit hat er sein auf diesen Umstand gestütztes Ablehnungsrecht nach § 43 ZPO verloren (vgl. BGH, Urteil vom 7. Dezember 2005 – XII ZR 94/03, BGHZ 165, 223, 226 und Beschluss vom 16. Januar 2014 – XII ZB 377/12, WM 2014, 675 Rn. 21).
Rz. 13
3. Der Senat kann über das Ablehnungsgesuch ohne dienstliche Stellungnahmen der abgelehnten Richterinnen und Richter entscheiden. Da die dienstliche Äußerung nach § 44 Abs. 3 ZPO der Tatsachenfeststellung dient, ist sie entbehrlich, wenn das beanstandete Verhalten schon nicht geeignet ist, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. Februar 2011 – II ZB 2/10, WM 2011, 667 Rn. 17, vom 12. Oktober 2011 – V ZR 8/10, NJW-RR 2012, 61 Rn. 11 f., vom 18. Februar 2014 – VIII ZR 271/13, juris Rn. 12, vom 10. Oktober 2017 – III ZA 12/17, juris Rn. 5 und vom 10. Februar 2021 – VI ZB 66/20, juris Rn. 7).
Unterschriften
Derstadt, Dauber, Schild von Spannenberg, Ettl, Allgayer
Fundstellen
Haufe-Index 15129749 |
MDR 2022, 843 |
ZInsO 2023, 505 |