Entscheidungsstichwort (Thema)
schwerer Raub
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kleve vom 24. Januar 2001 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
- soweit der Angeklagte im Fall II. 2. der Urteilsgründe wegen schweren Raubes in Tateinheit mit Körperverletzung verurteilt wurde;
- im Gesamtstrafenausspruch;
- hinsichtlich der Einziehungsanordnung.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung und schweren Raubes in Tateinheit mit (vorsätzlicher) Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt sowie ein sichergestelltes „Ventilhandrad (Schlagring)” und eine sichergestellte Schreckschußpistole nebst Magazin und fünf Patronen eingezogen. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten. Er beanstandet das Verfahren und rügt die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlußformel ersichtlichen Teilerfolg.
1. Das Rechtsmittel ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO, soweit es sich gegen die Verurteilung des Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung im Fall II. 1. der Urteilsgründe und die insoweit festgesetzte Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr wendet.
2. Dagegen führt schon die Sachrüge zur Aufhebung des Schuldspruchs im Fall II. 2. der Urteilsgründe, der Gesamtstrafe und der Einziehungsanordnung. Das Urteil ermöglicht dem Senat nicht die Prüfung, ob das Landgericht den Angeklagten ohne Rechtsfehler wegen schweren Raubes gemäß § 249 Abs. 1, § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB verurteilt hat.
a) Nach den Feststellungen traf der Angeklagte während einer Zugfahrt den Zeugen C., der sich etwa fünf Jahre vorher ca. 30 DM zur Beschaffung von Rauschgift vom Angeklagten geliehen hatte. Das Geld hatte der Angeklagte in den Folgejahren von C. mehrfach unter Androhung von Gewalt zurückgefordert. Der Angeklagte forderte C. auch jetzt zur Begleichung der Schuld auf. Noch ehe dieser hierauf reagieren konnte, schlug ihm der Angeklagte mit der Faust in das Gesicht, um ihm die Geldbörse zu entwenden, die C. bereits in der Hand hielt, um beim Eintreffen des Schaffners eine Fahrkarte zu lösen. Der Angeklagte riß dem durch den Faustschlag benommenen C. die Geldbörse aus der Hand, entnahm dieser einen 100 DM-Schein und schlug C. danach nochmals mit der Faust in das Gesicht. Unmittelbar danach übergab der Angeklagte eine mit fünf Patronen geladene „Gas-/Schreckschußpistole” und „ein als Schlagring verwendbares Ventilrad eines Wasserhahns”, die er während der Tat „griff- und gebrauchsbereit” am Körper getragen hatte, zusammen mit dem Geldschein seiner ihn begleitenden Freundin S.. Er forderte diese auf, die Sachen wegzustecken und bei einer Befragung durch die Polizei zu erklären, „die Waffe und der Schlagring” gehörten ihr. Die Geldbörse warf er in Richtung des Zeugen C. zurück.
b) Diese Feststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten wegen Raubes nicht, denn sie lassen die Möglichkeit offen, daß der Angeklagte den ersten Faustschlag gegen C. nur deswegen führte und ihm die Geldbörse nur deshalb entriß, um sich hieraus 30 DM zur Befriedigung seines Rückzahlungsanspruchs zu entnehmen. Wollte er aber zunächst nicht mehr Geld wegnehmen als ihm C. schuldete, kommt ein die Verurteilung wegen Raubes ausschließender Tatbestandsirrtum in Betracht. Denn der Täter, der irrtümlich annimmt, sich das weggenommene Geld zueignen zu dürfen, befindet sich in einem den Vorsatz ausschließenden Tatbestandsirrtum über die Rechtswidrigkeit der Zueignung (st. Rspr.; vgl. BGHSt 17, 87, 91; BGH NJW 1990, 2832; BGHR StGB § 249 Abs. 1 Zueignungsabsicht 10). Feststellungen dazu, was der Angeklagte konkret wollte, enthalten die Urteilsgründe nicht. Dies durfte hier nicht unerörtert bleiben.
Sollte sich der Angeklagte erst zur Wegnahme von mehr als 30 DM entschlossen haben, als er die Geldbörse bereits in Händen hielt, und sich ursprünglich über seine Berechtigung zur Aneignung des ihm von C. geschuldeten Betrages im Wege der Selbsthilfe geirrt haben, käme – neben der Verurteilung wegen tateinheitlicher vorsätzlicher Körperverletzung – statt eines Schuldspruch wegen Raubes lediglich ein solcher wegen Nötigung (Faustschlag zur Duldung der Wegnahme der Geldbörse) und Diebstahls (des 30 DM übersteigenden Betrages) oder ggf. (s. unten c) Diebstahls mit Waffen (§ 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB) in Betracht.
Die nunmehr zur Entscheidung berufene Strafkammer wird die insoweit notwendigen weiteren Feststellungen zu treffen haben. Dabei könnte es ein Indiz für den Umfang der ursprünglichen Zueignungsabsicht des Angeklagten sein, wenn die Geldbörse des Zeugen C. den Betrag von 30 DM in passenden Geldscheinen oder -münzen enthalten haben sollte oder zumindest Bargeld in einer Stückelung vorhanden war, die zur Befriedigung eines Anspruchs über 30 DM nicht die Wegnahme des 100 DM-Scheines erfordert hätte. Ebenso könnte es einen Schluß auf die ursprünglichen Absichten des Angeklagten zulassen, falls dieser der Geldbörse mit dem 100 DM-Schein nicht das gesamte darin befindliche Bargeld entnommen haben sollte.
c) Unabhängig von dem dargestellten Erörterungsmangel tragen die Feststellungen aber auch nicht die Verurteilung des Angeklagten wegen schweren Raubes nach § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB. Denn sie belegen nicht, daß der Angeklagte bei der Tat ein gefährliches Werkzeug im Sinne dieser Vorschrift bei sich geführt hätte.
Das Urteil läßt offen, mit welcher Munition die „Gas-/Schreckschußpistole” geladen war. War es Gasmunition, stellte die Pistole nur dann ein gefährliches Werkzeug dar, wenn beim Abfeuern das Gas durch den Lauf nach vorn ausgetreten wäre (BGHSt 45, 92, 93; BGH NStZ 1999, 301, 302; BGH, Urt. vom 25. April 2001 – 3 StR 533/00). Hierzu verhält sich das Urteil nicht. War die Pistole dagegen mit Platzpatronen aufmunitioniert, konnte sie nur durch eine für das Opfer gefährliche Art der Verwendung (zumindest Bedrohung in Nahdistanz) zu einem gefährlichen Werkzeug werden (s. etwa BGHR StGB § 250 Abs. 2 Nr. 1 Waffe 2; BGH NStZ-RR 1999, 102 f.). Ein Einsatz der Pistole ist hier indessen nicht festgestellt.
Ob das Ventilrad so beschaffen war, daß es tatsächlich ohne weiteres als Schlagring im Sinne des § 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 WaffG (s. dazu auch OLG Zweibrücken MDR 1990, 1039) oder als sonstiges gefährliches Werkzeug bezeichnet werden kann, lassen die Feststellungen mangels näherer Beschreibung des Gegenstandes ebenfalls nicht hinreichend erkennen.
d) Der Schuldspruch wegen schweren Raubes hat daher keinen Bestand. Dies führt auch zur Aufhebung der – für sich gesehen rechtsfehlerfreien – tateinheitlichen Verurteilung wegen vorsätzlicher Körperverletzung (Kuckein in KK-StPO 4. Aufl. § 353 Rdn. 10 und 12 m.w.Nachw.), der Gesamtstrafe sowie der allein auf die Tat des Falles II. 2. der Urteilsgründe gestützten Einziehungsanordnung. Diese hätte jedoch auch für sich genommen nicht bestehen bleiben können, denn die Einziehungsvoraussetzungen des § 74 Abs. 1 StGB sind nicht belegt. Der Angeklagte hat die Pistole und das Ventilrad bei Tatbegehung nicht benutzt. Es ist bisher auch nicht festgestellt, daß diese Gegenstände von ihm zur Tatbegehung bestimmt gewesen wären. Er hat sie lediglich bei der Tat mit sich geführt. Dies allein rechtfertigt die Einziehung nach § 74 Abs. 1 StGB nicht.
Unterschriften
Rissing-van Saan, Miebach, Pfister, RiBGH von Lienen ist urlaubsbedingt ortsabwesend und deshalb an der Unterschrift gehindert., Becker, Rissing-van Saan
Fundstellen