Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 14.12.2001) |
Tenor
1. Dem Angeklagten wird auf seinen Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 14. Dezember 2001 gewährt.
Die Kosten der Wiedereinsetzung trägt der Angeklagte.
2. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorbezeichnete Urteil mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Tatbestand
I.
Dem Angeklagten war auf seinen Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Revision zu gewähren (§ 46 Abs. 1 StPO). Der Generalbundesanwalt hat zutreffend ausgeführt, daß der Beschwerdeführer ohne eigenes Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten (§ 44 Satz 1 StPO). Der Wiedereinsetzungsantrag wurde form- und fristgerecht gestellt (§ 45 StPO).
Entscheidungsgründe
II.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung einer Vorstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich seine Revision mit der Sachrüge. Das Rechtsmittel hat in vollem Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).
Das Landgericht, das Tötungsvorsatz des Angeklagten rechtsfehlerfrei verneint hat, hat unter anderem folgende Feststellungen getroffen:
Der Angeklagte hatte Streit mit der Nebenklägerin, seiner Ehefrau. Er zog die Schnürsenkel aus seinen Turnschuhen und fesselte das Opfer an den Füßen. Die Nebenklägerin konnte durch Gegenwehr verhindern, daß der Angeklagte ihr ein Kabel um den Hals legte. Sodann würgte er sie mit seinen bloßen Händen und drückte mit seinen Fingern stark auf eine Stelle im Bereich der rechten Halsschlagader bis sie keine Luft mehr bekam. Sie wehrte sich und sagte röchelnd zu ihm er solle das lassen. Der Angeklagte holte dann eine Plastiktüte und versuchte, diese dem Opfer über den Kopf zu stülpen. Es gelang ihm jedoch nur, die Tüte bis etwa in Höhe der Nase der Nebenklägerin herunterzuziehen, weil diese sich energisch zur Wehr setzte und mit ihren Händen zwei Fetzen aus der Plastiktüte reißen konnte. Als der Angeklagte, der die Nebenklägerin auch mit seinen Fäusten gegen Kopf und Rücken schlug, auf den Flur ging, gelang es dem Opfer, die Fußfesseln zu öffnen und zu entkommen. Die Fußgelenke der Nebenklägerin wiesen gerötete und leicht angeschwollene Striemen der Fußfesseln auf.
Der Tatrichter hat diesen Sachverhalt als gefährliche Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 StGB) gewürdigt. Der Angeklagte habe mit gefährlichen Werkzeugen (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB), nämlich den als Fesseln benutzten Schnürsenkeln und der eingesetzten Plastiktüte, seiner Frau über einen langen Zeitraum erhebliches psychisches und physisches Leid zugefügt. Außerdem würden die Würgegriffe am Hals und das Überstülpen der Plastiktüte über den Kopf der Nebenklägerin eine das Leben gefährdende Behandlung im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB darstellen.
Der Generalbundesanwalt hat Aufhebung im Strafausspruch beantragt, da nur die Annahme eines gefährlichen Werkzeuges durch die Verwendung der Schnürsenkel zutreffe.
III.
Das Urteil war insgesamt aufzuheben. Die getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch nicht.
1. Die Auffassung des Landgerichts, die Körperverletzung sei mittels eines anderen gefährlichen Werkzeuges begangen, begegnet rechtlichen Bedenken.
Ein gefährliches Werkzeug im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB ist jeder Gegenstand, der nach seiner objektiven Beschaffenheit und nach der Art seiner Benutzung im Einzelfall geeignet ist, erhebliche Körperverletzungen herbeizuführen (st. Rspr.; vgl. u.a. BGH, Urt. v. 27. September 2001 – 4 StR 245/01 m.w.N.). Danach waren im vorliegenden konkreten Einzelfall weder die Schnürsenkel noch die Plastiktüte ein „anderes gefährliches Werkzeug”.
Die zur Fesselung der Fußgelenke verwendeten Schnürsenkel haben nach den Feststellungen zwar zu einer leichten Verletzung des Opfers geführt, waren aber hier nach der Art ihrer Benutzung (anders als in der vom Generalbundesanwalt angeführten Entscheidung – BGH, Urt. v. 21. September 1993 – 5 StR 411/93 = NStE Nr. 17 zu § 223 a StGB) nicht potentiell geeignet, erhebliche Körperverletzungen herbeizuführen.
Das Stülpen einer Plastiktüte über den Kopf des Opfers kann zwar durchaus geeignet sein, erhebliche Verletzungen herbeizuführen; dies gilt aber nicht ohne weiteres, wenn im konkreten Fall die Tüte nur bis etwa in Höhe der Nase heruntergezogen wurde und zum Beispiel nicht festgestellt ist, daß das Opfer in Atemnot geraten ist oder daß die Gefahr sonstiger – auch psychosomatischer – Verletzungen bestand. Da der Tatrichter hierzu konkret nichts – insbesondere keine auf die Verwendung der Plastiktüte zurückzuführenden Verletzungen – festgestellt hat, kann der Schuldspruch auch insoweit keinen Bestand haben.
2. Auch die Bejahung der Alternative „mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung” (§ 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB) weist Rechtsfehler auf.
a) Die Wertung der Strafkammer, daß der Einsatz der Plastiktüte das Leben der Nebenklägerin in konkrete Gefahr brachte, wird durch die Feststellungen nicht getragen. Daraus, daß es dem Angeklagten gelang, die Tüte bis etwa in Höhe der Nase des Opfers herabzuziehen, kann noch nicht geschlossen werden, daß die Art der Behandlung nach den Umständen des Einzelfalles abstrakt geeignet war, das Leben des Opfers zu gefährden. Eine Lebensgefahr wird in derartigen Fällen in erster Linie in der Erstickungsgefahr zu sehen sein. Diese besteht, wenn die Atmungsorgane beeinträchtigt sind. Das ist hier nicht festgestellt.
b) Soweit der Tatrichter durch das Würgen der Nebenklägerin am Hals eine Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung angenommen hat, lag dies allerdings sehr nahe. Denn nach den Feststellungen des Tatrichters führte das starke Drücken auf eine Stelle im Bereich der rechten Halsschlagader nicht nur dazu, daß das Opfer kaum mehr Luft bekam, sondern auch zu einer ca. handtellergroßen flachen Schwellung mit flohstichartigen Einblutungen (UA S. 16). Gleichwohl verschließt sich der Senat nicht den Ausführungen des Generalbundesanwalts in seinem Teilaufhebungsantrag, der die Feststellung des Tatrichters dazu vermißt, wie lange (vgl. hierzu u.a. BGH, Urt. v. 11. April 2000 – 1 StR 55/00 und BGH StV 1993, 27; offen in BGH, Urt. v. 10. März 1998 – 1 StR 731/97 und BGHR StGB § 223 a Abs. 1 Lebensgefährdung 8; aber auch BGH, Urt. v. 7. Oktober 1981 – 2 StR 356/81 und BGH GA 1961, 241) der Angeklagte das Opfer gewürgt hat, zumal da ohnehin – wie vorstehend aufgezeigt – über die Sache neu zu verhandeln ist.
Da somit nach den bisherigen Feststellungen keine der Alternativen des § 224 StGB erfüllt ist, war das Urteil insgesamt mit den Feststellungen aufzuheben.
3. Nach Sachlage scheidet eine Zuständigkeit einer Strafkammer als Schwurgericht (§ 74 Abs. 2 GVG) aus. Deshalb hat der Senat die Sache an eine allgemeine Strafkammer zurückverwiesen.
Unterschriften
Vizepräsident Dr. Jähnke ist im Ruhestand und deshalb an der Unterschrift gehindert. Bode, Solin-Stojanović, Bode, Rothfuß, Fischer
Fundstellen
Haufe-Index 2559493 |
NStZ 2002, 594 |
ZAP 2002, 980 |
JA 2003, 362 |
NStZ-RR 2007, 66 |
Kriminalistik 2003, 249 |
StV 2002, 482 |
JURAtelegramm 2003, 33 |
LL 2002, 760 |