Verfahrensgang
LG Kaiserslautern (Urteil vom 29.01.2004) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kaiserslautern vom 29. Januar 2004 im Maßregelausspruch und im Ausspruch über die Einziehung mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit der unerlaubten Ausübung der tatsächlichen Gewalt über eine halbautomatische Selbstladekurzwaffe und über eine nicht angemeldete Schußwaffe freigesprochen. Es hat seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und die Einziehung der beim Angeklagten sichergestellten Feinwaage nebst Gewichten sowie des bei ihm sichergestellten Funkscanners angeordnet. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts. Sein Rechtsmittel hat Erfolg.
1. Nach den bisherigen Feststellungen konsumierte der Angeklagte seit etwa 20 Jahren Drogen, in den Jahren 1997 bis Anfang des Jahres 2002 monatlich etwa 1 bis 1 ½ kg Haschisch. Bei einer Durchsuchung seiner Wohnung im Januar 2003 wurden 3.734,95 kg Haschisch mit einem THC-Gehalt von 349,9 g sichergestellt. Davon war „jedenfalls ein die Grenze zur nicht geringen Menge überschreitender Teil zum gewinnbringenden Weiterverkauf gedacht” (UA 15). In dem Zimmer, in dem das Haschisch gefunden wurde, bewahrte der Angeklagte zwei funktionsfähige Schußwaffen auf. Die mit drei Patronen geladene Kleinkaliberpistole hatte der Angeklagte seit etwa zehn Jahren, das mit zehn Patronen geladene Kleinkalibergewehr nach seiner Einlassung seit seinem achten Lebensjahr in Besitz.
Nach Auffassung des Landgerichts beging der Angeklagte, der an einer paranoiden Schizophrenie leidet, die rechtswidrige Tat, die es – entgegen der Auffassung der Revision – zutreffend als bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG) in Tateinheit mit der unerlaubten Ausübung der tatsächlichen Gewalt über eine halbautomatische Selbstladekurzwaffe (§ 53 Abs. 1 Nr. 3 a Buchst. a WaffenG a.F.) und über eine nicht angemeldete Schußwaffe (§ 53 Abs. 3 Nr. 7 WaffenG a.F.) gewertet hat, im Zustand der Schuldunfähigkeit. Das Landgericht hat dazu ausgeführt:
„In Übereinstimmung mit dem Sachverständigen sieht auch die Kammer den Betäubungsmittelmißbrauch als symptomatisch für die Grunderkrankung des Angeklagten an, wobei der Hang zum Haschischkonsum (…) auch als selbstgewähltes Mittel zur Bekämpfung seiner paranoiden Angst, Spannung und Unruhe anzusehen ist. In gewisser Weise steht dieser Befund des Sachverständigen im Einklang mit der Einlassung des Angeklagten, der angab, Haschisch zur Linderung physischer Schmerzen zu konsumieren. Das Handeltreiben mit Betäubungsmittel durch den Angeklagten steht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit diesem Hang, weil es (…) zur Finanzierung des Konsums erforderlich ist. Daher ist die Kammer davon überzeugt, dass auch das Delikt nach § 30 a BtMG im Zustand der Steuerungsunfähigkeit begangen worden ist. Nach den Ausführungen des Sachverständigen, die sich die Kammer auch insoweit zu eigen macht, sind die Waffendelikte ebenfalls symptomatisch für die Krankheit des Angeklagten, da der Hang zur Bewaffnung aus den paranoiden Ängsten des Angeklagten herrührt. Auch die Waffendelikte hat der Angeklagte demnach im Zustand der Steuerungsunfähigkeit begangen” (UA 15/16).
Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus hat das Landgericht u.a. auf folgende Erwägungen gestützt:
„Von ihm sind auch in Folge seines dauerhaften Zustandes weitere gleichgelagerte Taten zu erwarten, wenn die Grunderkrankung nicht behandelt wird. Die Kammer macht sich insoweit die nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen Dr. R. zu eigen, wonach mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass der Angeklagte erneut in die alten Verhaltensmuster verfallen wird, solange das medizinische Grundproblem unbehandelt bleibt. Es ist daher damit zu rechnen, dass der Angeklagte seinen Drogenmissbrauch fortsetzt, mit der Folge, dass er erneut darauf angewiesen sein wird, seinen symptomatischen Konsum durch Handel mit Betäubungsmitteln zu finanzieren.
Allein schon die erhöhte Wahrscheinlichkeit eines erneuten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln stellt eine Gefährdung der Allgemeinheit dar, die eine Maßnahme nach § 63 StGB erfordert. Hier tritt noch die Besonderheit hinzu, dass auch eine erhöhte Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass sich der Angeklagte wegen seiner paranoiden Ängste zumindest wieder bewaffnet und somit erneut in qualifizierter Weise gegen das Betäubungsmittelgesetz verstoßen wird„(UA 17).
2. Die bisherigen Feststellungen sind nicht geeignet, die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB zu tragen.
Diese setzt zunächst die positive Feststellung eines länger andauernden, nicht nur vorübergehenden geistigen Defekts voraus, der die Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB) oder zumindest die erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) begründet, und ferner, daß der Täter in diesem Zustand eine rechtswidrige Tat begangen hat, die auf den die Annahme der §§ 20, 21 StGB rechtfertigenden dauerhaften Defekt zurückzuführen ist, das heißt mit diesem in einem ursächlichen und symptomatischen Zusammenhang steht. Ferner muß die Gesamtwürdigung von Tat und Täter ergeben, daß aufgrund dieses Zustandes eine über die bloße Möglichkeit hinausgehende Wahrscheinlichkeit weiterer erheblicher rechtswidriger Taten besteht (st. Rspr., vgl. BGHSt 34, 22, 27; BGH NStZ-RR 2003, 232).
Diese Voraussetzungen für die Anordnung der Unterbringung sind schon deshalb nicht rechtsfehlerfrei dargetan, weil die getroffenen Feststellungen nicht belegen, daß die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der rechtswidrigen Tat ausgeschlossen war, wie das Landgericht angenommen hat, oder daß sie zumindest erheblich vermindert war. Maßgebend für die Beurteilung der Schuldfähigkeit ist die Zeit, zu welcher der Täter gehandelt hat (§ 8 Satz 1 StGB). Erstreckt sich das Handeln des Täters, wie hier die jahrelange Ausübung der tatsächlichen Gewalt über die beiden sichergestellten Waffen und das alle hierzu gehörenden Einzelakte – wie Erwerb und den Besitz des Betäubungsmittels – zu einer Bewertungseinheit verbindende Handeltreiben über einen längeren Zeitraum, findet § 20 StGB nur dann Anwendung, wenn der die Schuldunfähigkeit begründende Zustand während des gesamten Tatzeitraums gegeben ist, wobei der Schuldumfang jedoch bei lediglich zeitweiliger Schuldunfähigkeit während der Tatbegehung auf die Tatteile beschränkt ist, für die der Täter verantwortlich zu machen ist (vgl. Jähnke in LK 11. Aufl. § 20 Rdn. 75). Entsprechendes gilt für die Anwendung des § 21 StGB (vgl. BGH NStZ 2003, 535, 536; Jähnke aaO § 21 Rdn. 23). Das Landgericht hat weder nähere Feststellungen dazu getroffen, in welchem Zeitraum der Angeklagte die den Tatbestand des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln erfüllende Tathandlung begangen hat, noch dazu, ob die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten aufgrund seines Zustandes während des gesamten Tatzeitraums ausgeschlossen oder jedenfalls erheblich vermindert gewesen ist.
Im übrigen läßt sich den Urteilsgründen nicht sicher entnehmen, ob und inwieweit die vom Angeklagten begangene rechtswidrige Tat Folge seiner paranoiden Psychose gewesen ist, die sich erstmals im November 2001 manifestiert hat. Insoweit fehlt es schon an einer klaren Beschreibung des Zustands, der nach Auffassung des Landgerichts zum Ausschluß der Steuerungsfähigkeit geführt hat. In den Urteilsgründen wird hierzu lediglich mitgeteilt, der Angeklagte habe im November 2001 die Polizei aufgesucht und behauptet, er werde von 20 Fahrzeugen der Mafia verfolgt. In der Hauptverhandlung hat sich der Angeklagte dahin eingelassen, daß er „zuweilen” Stimmen höre, bei denen es sich um Stimmen der Personen handele, die versuchten, ihn zu hypnotisieren. Daraus läßt sich selbst dann, wenn der – nach den Feststellungen allerdings bereits seit 20 Jahren andauernde – Betäubungsmittelmißbrauch, wie das Landgericht meint, als symptomatisch für die Grunderkrankung des Angeklagten anzusehen ist, nicht entnehmen, daß die rechtswidrige Tat mit dem nach Auffassung des Landgerichts die Annahme des § 20 StGB rechtfertigenden dauerhaften Defekt in einem ursächlichen symptomatischen Zusammenhang steht und daß dieser Zustand als solcher erhebliche rechtswidrige Taten erwarten läßt (vgl. BGH NJW 1998, 2986).
3. Die aufgezeigten Rechtsfehler führen zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs mit den Feststellungen, und zwar auch denjenigen zu der rechtswidrigen Tat (vgl. BGH NStZ 1988, 309). Eine Aufrechterhaltung der Feststellungen zu der rechtswidrigen Tat kommt hier schon deshalb nicht in Betracht, weil bisher keine hinreichenden Feststellungen zu dem Zeitraum, in dem der Angeklagte die rechtswidrige Tat begangen hat, und zu seinem Zustand während dieses Zeitraums getroffen worden sind.
Der neue Tatrichter wird gegebenenfalls die Frage einer Unterbringung des Angeklagten nach § 64 StGB zu prüfen haben.
Unterschriften
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Tepperwien ist urlaubsbedingt ortsabwesend und deshalb verhindert zu unterschreiben. Kuckein, Kuckein, Athing, Solin-Stojanović, Ernemann
Fundstellen