Leitsatz (amtlich)

a) Für die Beschwerde des Betroffenen in einem Betreuungsverfahren gelten keine von § 64 FamFG abweichenden, weniger strengen Formerfordernisse.

b) Bei Übermittlung einer Beschwerdeschrift durch einen Telefaxdienst ist die Wiedergabe der Unterschrift in der Telekopie notwendig. Sie muss daher auf dem Original der per Telefax versandten Beschwerdeschrift so ausgeführt sein, dass sie auf der Kopie wiedergegeben werden kann (im Anschluss an BGH Beschl. v. 31.1.2019 - III ZB 88/18 FamRZ 2019, 722).

c) Ein Wiedereinsetzungsgrund i. S. d. § 17 FamFG kann sich wegen § 275 FamFG nicht aus der die Betreuungsbedürftigkeit begründenden psychischen Krankheit des Betroffenen als solcher ergeben.

 

Normenkette

FamFG §§ 17, 64, 275

 

Verfahrensgang

LG Bamberg (Beschluss vom 24.01.2020; Aktenzeichen 42 T 176/19)

AG Haßfurt (Beschluss vom 08.11.2019; Aktenzeichen 9 XVII 186/19)

 

Tenor

Der Antrag des Betroffenen auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird mangels hinreichender Erfolgsaussicht i. S. v. § 76 Abs. 1 FamFG i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO abgelehnt.

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des LG Bamberg vom 24.1.2020 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des AG Haßfurt vom 8.11.2019 verworfen wird.

Das Rechtsbeschwerdeverfahren ist gerichtskostenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Wert: 5.000 EUR

 

Gründe

Rz. 1

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der er sich gegen die Zurückweisung seiner Beschwerde gegen die Einrichtung einer umfassenden Betreuung wendet, bleibt im Ergebnis ohne Erfolg. Denn die Erstbeschwerde war - worauf der Senat den Betroffenen hingewiesen hat - bereits unzulässig, weil das Schreiben vom 10.12.2019, mit dem der Betroffene das Rechtsmittel eingelegt hat, entgegen § 64 Abs. 2 Satz 4 FamFG und der vom AG zutreffend erteilten Rechtsbehelfsbelehrung auf keiner der zu den Akten gelangten Faxkopien eine eigenhändige Unterschrift des Betroffenen erkennen lässt.

Rz. 2

1. Ohne Erfolg macht der Betroffene geltend, er habe die Beschwerdeschrift im Original mittels Bleistift unterschrieben, was aber durch das Faxgerät ggf. schlecht übertragen worden sei. Unabhängig davon, ob diese in Reaktion auf den Hinweis des Senats aufgestellte Behauptung zutrifft, fehlt es ihr an der rechtlichen Relevanz. Gemäß dem im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend anwendbaren § 130 Nr. 6 ZPO ist bei Übermittlung eines Schriftsatzes durch einen Telefaxdienst (Telekopie) die Wiedergabe der Unterschrift in der Kopie notwendig. Nur auf diese Weise kann die Unterschrift dem Gericht als dem Adressaten des Schriftsatzes die erforderliche Gewähr für die Urheberschaft und den Willen des Erstellers des Schriftsatzes bieten, das Schreiben in den Rechtsverkehr zu bringen (vgl. BGH, Beschl. v. 19.2.2020 - XII ZB 291/19 FamRZ 2020, 770 Rz. 6 ff. m. w. N.). Mithin muss die Unterschrift auf dem Original des per Telefax versandten Schreibens so ausgeführt sein, dass sie auf der Kopie wiedergegeben werden kann (vgl. BGH Beschl. v. 31.1.2019 - III ZB 88/18 FamRZ 2019, 722 Rz. 8 m. w. N.). Jedenfalls daran fehlt es vorliegend.

Rz. 3

2. Dieser Verstoß gegen das zwingende Unterschriftserfordernis ist nicht durch ein weiteres binnen der Beschwerdefrist bei Gericht eingegangenes und vom Betroffenen unterzeichnetes Schreiben behoben worden. Es ist auch keiner der sonstigen Ausnahmefälle gegeben, in denen sich aus - sich während der Beschwerdefrist ergebenden - anderen Umständen als der eigenhändigen Unterschrift unter dem Original der Rechtsmittelschrift eine der Unterschrift vergleichbare Gewähr für die Urheberschaft und den Willen ergibt, das Schreiben in den Rechtsverkehr zu bringen (vgl. zum Ganzen BGH, Beschl. v. 19.2.2020 - XII ZB 291/19 FamRZ 2020, 770 Rz. 12 f. m. w. N.). Eine solche folgt insb. nicht aus der den Nachnamen des Betroffenen enthaltenden Faxkennung auf dem Schreiben.

Rz. 4

3. Für die Beschwerde eines Betroffenen im Betreuungsverfahren gelten keine von § 64 FamFG abweichenden, weniger strengen Formerfordernisse. Vielmehr ist der Betroffene in Betreuungsverfahren gem. § 275 FamFG ohne Rücksicht auf seine Geschäftsfähigkeit verfahrensfähig. Um seine verfahrensrechtliche Position zu stärken, stehen ihm bezogen auf das Verfahren alle Befugnisse eines Geschäftsfähigen zur Verfügung (vgl. BGH vom 30.10.2013 - XII ZB 317/13 FamRZ 2014, 110 Rz. 6 ff. m. w. N.). Mit dieser Regelung ist demnach eine verfahrensrechtliche Gleichstellung des Betroffenen mit geschäftsfähigen Verfahrensbeteiligten, nicht jedoch eine Besserstellung bezweckt, die aber vorläge, würden gesetzliche Formerfordernisse abgeschwächt.

Rz. 5

4. Versäumt der Betroffene im Betreuungsverfahren die formgerechte Wahrung von Rechtsmittelfristen, kann er ggf. gem. §§ 17 ff. FamFG Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erreichen. Diese ist vorliegend weder beantragt noch ist die versäumte Verfahrenshandlung - Einlegung der Beschwerde mittels einer unterzeichneten Beschwerdeschrift - binnen der Wiedereinsetzungsfrist nachgeholt worden (vgl. § 18 FamFG). Daher bedarf zum einen keiner näheren Erörterung, dass dem Betroffenen bei - hier auch unter Berücksichtigung des Schriftsatzes vom 14.7.2020 fehlender - Glaubhaftmachung des von ihm behaupteten Sachverhalts nach § 18 Abs. 3 Satz 1 FamFG ggf. Wiedereinsetzung gewährt werden könnte, wenn er auf die Abbildung der Unterschrift auf der Faxkopie hätte vertrauen dürfen. Zum anderen kann dahinstehen, dass ein sonstiger Wiedereinsetzungsgrund i. S. d. § 17 FamFG nicht erkennbar ist und sich wegen § 275 FamFG insb. nicht aus der die Betreuungsbedürftigkeit begründenden psychischen Krankheit des Betroffenen als solcher ergeben kann.

 

Fundstellen

Haufe-Index 14027861

NJW 2020, 8

FuR 2020, 655

BtPrax 2020, 181

JZ 2020, 604

MDR 2020, 1076

FamRB 2020, 6

FamRB 2021, 29

NZFam 2020, 6

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