Verfahrensgang
LG Chemnitz (Entscheidung vom 31.05.2023; Aktenzeichen 1 KLs 710 Js 33370/22) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 31. Mai 2023
a) im Schuldspruch dahingehend berichtigt und klargestellt, dass der Angeklagte der besonders schweren räuberischen Erpressung, der versuchten besonders schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit Körperverletzung und Bedrohung sowie des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in zwei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit Bedrohung, schuldig ist,
b) im Strafausspruch in den Fällen III.1 und 2 der Urteilsgründe sowie im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung und besonders schwerer Erpressung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung und Bedrohung in zwei tateinheitlichen Fällen und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Bedrohung in zwei tateinheitlichen Fällen und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und eine Einziehungsanordnung getroffen. Die mit der Sachrüge geführte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
Rz. 2
1. Der Senat hat den Schuldspruch insoweit berichtigt, als der Angeklagte danach wegen „besonders schwerer Erpressung“ statt besonders schwerer räuberischer Erpressung schuldig gesprochen worden ist; die Vorschrift des § 265 StPO steht nicht entgegen. Im Übrigen handelt es sich um bloße Klarstellungen aus Gründen der Übersichtlichkeit des Schuldspruchs (vgl. zur gleichartigen Tateinheit BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2023 - 1 StR 397/23, und zur Entbehrlichkeit der Kennzeichnung der vorsätzlichen Tatbegehung BGH, Beschluss vom 28. April 2021 - 2 StR 34/20 Rn. 42).
Rz. 3
2. Der Strafausspruch in den Fällen III.1 und 2 der Urteilsgründe hat keinen Bestand, weil das Landgericht bei der Bemessung der Einzelstrafen den Strafrahmen nicht richtig bestimmt hat.
Rz. 4
a) Die Erwägungen, mit denen das Landgericht jeweils das Vorliegen eines minder schweren Falls gemäß § 250 Abs. 3 StGB abgelehnt hat, halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.
Rz. 5
Sieht das Gesetz einen besonderen Strafrahmen für minder schwere Fälle vor und ist auch ein gesetzlich vertypter Milderungsgrund gegeben, muss bei der Strafrahmenwahl im Rahmen einer Gesamtabwägung zunächst geprüft werden, ob die allgemeinen Milderungsgründe die Annahme eines minder schweren Falles tragen. Ist nach einer Abwägung aller allgemeinen Strafzumessungsumstände das Vorliegen eines minder schweren Falles abzulehnen, so sind zusätzlich die den gesetzlich vertypten Strafmilderungsgrund verwirklichenden Umstände in die gebotene Gesamtabwägung einzubeziehen. Erst wenn das Tatgericht die Anwendung des milderen Strafrahmens danach weiterhin nicht für gerechtfertigt hält, darf es seiner konkreten Strafzumessung den (allein) wegen des gegebenen gesetzlich vertypten Milderungsgrundes gemilderten Regelstrafrahmen zugrunde legen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 13. September 2022 - 2 StR 236/22, NStZ 2023, 163 f.).
Rz. 6
Diese Prüfungsreihenfolge hat das Landgericht nicht beachtet, sondern hat jeweils einen minder schweren Fall allein unter Berücksichtigung allgemeiner Strafzumessungsgründe abgelehnt und sodann in beiden Fällen eine Strafrahmenverschiebung gemäß § 21, § 49 Abs.1 StGB und im Fall III.1 zusätzlich eine Milderung nach § 23 Abs. 1, § 49 Abs. 1 StGB vorgenommen.
Rz. 7
b) Das Urteil beruht insoweit auf diesem Rechtsfehler (§ 337 Abs. 1 StPO). Im Fall III.1 hat das Landgericht die Strafe einem Strafrahmen von sechs Monaten bis acht Jahren fünf Monaten und einer Woche, im Fall III.2 einem von zwei Jahren bis elf Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe entnommen. Der minder schwere Fall nach § 250 Abs. 3 StGB sieht einen Strafrahmen von einem Jahr bis zehn Jahren Freiheitsstrafe vor. Eine in Betracht kommende Milderung nach § 23 Abs. 1, § 49 Abs. 1 StGB im Fall III.1 führte zu einem Strafrahmen von drei Monaten bis sieben Jahren und sechs Monaten. Angesichts dieser Diskrepanz kann der Senat nicht ausschließen, dass das Landgericht bei einer rechtsfehlerfreien Strafrahmenbestimmung niedrigere Einzelfreiheitsstrafen verhängt hätte.
Rz. 8
c) Die Aufhebung der Einzelstrafen entzieht der Gesamtstrafe die Grundlage. Die Feststellungen sind von dem Rechtsfehler nicht betroffen und können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Ergänzende Feststellungen sind möglich, sofern sie zu den bereits getroffenen Feststellungen nicht in Widerspruch treten.
Rz. 9
3. Der Strafausspruch im Fall III.4 der Urteilsgründe kann hingegen bestehen bleiben. Zwar hat das Landgericht rechtsfehlerhaft verkannt, dass es sich bei einer funktionsuntüchtigen Gaspistole nicht um eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug im Sinne des § 113 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB handelt, wenn der Täter sie - wie hier der Angeklagte - lediglich als Drohmittel bei sich führt und die Gaspistole deshalb objektiv ungeeignet ist, erhebliche Verletzungen zu verursachen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. Februar 2004 - 4 StR 580/03; vom 17. Juni 1998 - 2 StR 167/98, BGHSt 44, 103, 105). Das Urteil beruht aber nicht auf diesem Rechtsfehler (§ 337 Abs. 1 StGB), weil das Landgericht die Strafe dennoch dem nach § 21, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Regelstrafrahmen des § 113 Abs. 1 StGB entnommen und bei der konkreten Strafbemessung ausdrücklich strafmildernd gewertet hat, dass die Gaspistole nicht funktionstüchtig war.
Cirener |
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Köhler |
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Resch |
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von Häfen |
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Werner |
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Fundstellen
Haufe-Index 16191136 |
NStZ-RR 2024, 111 |
GRZ 2024, 59 |