Entscheidungsstichwort (Thema)
ausbeuterische und dirigierende Zuhälterei
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 19. Juli 1999 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Die Revision hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg. Die Bestellung des bisherigen Wahlverteidigers Rechtsanwalt F. zum Pflichtverteidiger des Angeklagten verletzte dessen Recht auf eine wirksame Verteidigung (Art. 6 Abs. 3 Buchst. c MRK).
Der Angeklagte hatte am dritten Verhandlungstag seinem Wahlverteidiger in einem schriftlich vorbereiteten Antrag das Mandat entzogen. Als Grund hatte er u.a. vorgebracht, sein Verteidiger habe ihm nahegelegt ein Geständnis abzulegen, das nicht der Wahrheit entspreche; dadurch sei ein Vertrauensverhältnis nicht mehr gegeben. Der Verteidiger hat zu dem Antrag Stellung genommen und erklärt, daß er seinerseits das Mandat wegen eines gestörten Vertrauensverhältnisses niederlege. Darauf hat das Landgericht Rechtsanwalt F. zum Pflichtverteidiger des Angeklagten bestellt und zur Begründung angeführt, das Vertrauensverhältnis zwischen dem Verteidiger und dem Angeklagten sei auch unter Berücksichtigung der Behauptungen des Angeklagten vom Standpunkt eines vernünftigen und verständigen Angeklagten nicht gestört.
Diese Entscheidung beanstandet die Revision zu Recht. Zwar steht die Berufung des Angeklagten auf ein gestörtes Vertrauensverhältnis der Bestellung des bisherigen Wahlverteidigers zum Pflichtverteidiger jedenfalls dann nicht entgegen, wenn die vom Angeklagten vorgetragenen Behauptungen zwar erheblich, aber ersichtlich unzutreffend sind (BGHR StPO § 142 Abs. 1 Entpflichtung 1). So war es hier aber nicht. Der Verteidiger hatte sich zu den erhobenen Vorwürfen im einzelnen nicht geäußert; das Landgericht ist in seinem Beschluß ersichtlich von den Behauptungen des Angeklagten ausgegangen, die nach Wortlaut und Intention nur so verstanden werden konnten, daß der Verteidiger ihm wider besseres Wissen zu einem Geständnis geraten hatte. War es aber so gewesen, lag darin ein Umstand, der aus der Sicht eines verständigen Angeklagten geeignet erscheint, das Vertrauensverhältnis zu beeinträchtigen. Daß der vom Verteidiger erteilte Rat wirklich so war, steht freilich nicht fest. Das Landgericht hätte den Sachverhalt weiter aufklären können und auch müssen, indem es den Verteidiger zu einer detaillierten Stellungnahme aufforderte; dazu wäre der Verteidiger auch berechtigt gewesen, wenn ihn der Angeklagte nicht von seiner Schweigepflicht entbunden hätte, denn er durfte sich gegen den erhobenen Vorwurf zur Wehr setzen. Der Fehler liegt darin, daß das Landgericht eine Behauptung des Angeklagten ungeprüft seiner Entscheidung zugrundegelegt hat, die so wie aufgestellt geeignet war, eine Störung des Vertrauensverhältnisses darzutun. Eine nachträgliche Klärung der Frage durch den Senat wäre nicht mehr geeignet, das Verhältnis zwischen Angeklagtem und Verteidiger zu bereinigen und dadurch eine sachgerechte Verteidigung zu ermöglichen.
Für die neue Hauptverhandlung wird darauf hingewiesen, daß im Falle II 2 der Urteilsgründe der Schuldspruch wegen dirigierender Zuhälterei von den bisher festgestellten Tatsachen nicht getragen wird. Im Falle der Verurteilung wegen Urkundenfälschung (II 6) ist die Strafzumessungserwägung, das Motiv des Angeklagten sei in hohem Maße mißbilligenswert, rechtlich angreifbar.
Über den Antrag der Staatsanwaltschaft München I, den jetzigen Wahlverteidiger des Angeklagten Rechtsanwalt Dr. W. gemäß § 146, § 146a Abs. 1 StPO zurückzuweisen, wird die neu erkennende Strafkammer zu entscheiden haben.
Unterschriften
Schäfer, Maul, Granderath, Wahl, Schluckebier
Fundstellen
Haufe-Index 556609 |
NStZ 2000, 326 |
StV 2000, 235 |