Entscheidungsstichwort (Thema)
Kosten
Leitsatz (amtlich)
Zur Gebührenerhöhung bei Vertretung einer Erbengemeinschaft.
Leitsatz (redaktionell)
Dem Prozessbevollmächtigten steht bei Vertretung einer Erbengemeinschaft eine Gebührenerhöhung zu.
Normenkette
BRAGO § 6 Abs. 1 S. 2, Abs. 1
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 14.07.2003) |
AG Berlin-Charlottenburg (Beschluss vom 27.05.2003) |
Tenor
Auf die Rechtsmittel der Kläger werden der Kostenfestsetzungsbeschluss des AG Charlottenburg v. 27.5.2003 und der Beschluss der Zivilkammer 82 des LG Berlin v. 14.7.2003 insoweit aufgehoben, als der Antrag auf Festsetzung einer erhöhten Gebühr gem. § 6 Abs. 1 S. 2 BRAGO abgelehnt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache an das AG Charlottenburg zurückverwiesen. Der Rechtspfleger wird angewiesen, einen Kostenfestsetzungsbeschluss unter Berücksichtigung der beantragten Gebühr zu erlassen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Beschwerdewert: 302,06 EUR
Gründe
I.
Die Kläger sind eine Erbengemeinschaft. Sie haben, vertreten durch einen Miterben, den Beklagten auf Herausgabe und Räumung einer Wohnung verklagt, die von der Erbengemeinschaft an ihn vermietet worden war. Hierüber haben sie vor dem AG ein Anerkenntnisurteil zu ihren Gunsten erwirkt. Im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens haben die Kläger u. a. beantragt, die Erstattung einer 12/10 Erhöhungsgebühr gem. § 6 Abs. 1 BRAGO festzusetzen, da ihr Prozessbevollmächtigter für mehrere Auftraggeber tätig gewesen sei. Mit Kostenfestsetzungsbeschluss v. 27.5.2003 hat das AG diesem Antrag nicht entsprochen. Hiergegen haben die Kläger sofortige Beschwerde eingelegt, die das LG zurückgewiesen hat. Gegen diese Entscheidung wenden sich die Kläger mit der vom LG zugelassenen Rechtsbeschwerde.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet.
1. Die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde ergibt sich aus § 574 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 ZPO, da das Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde zugelassen hat und das Rechtsbeschwerdegericht an diese Zulassung gebunden ist.
2. Die Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
Das LG hat ausgeführt, die Rechtsprechung zur BGB-Gesellschaft, wonach diese aktiv und passiv rechtsfähig sein kann, sei auf die Erbengemeinschaft nicht anzuwenden, weil diese keine BGB-Gesellschaft und ihr auch nicht vergleichbar sei. Deshalb stehe dem Rechtsanwalt, der die Mitglieder einer Erbengemeinschaft vertrete, regelmäßig die Gebührenerhöhung gem. § 6 Abs. 1 S. 2 BRAGO zu. Einer Erstattungsfähigkeit stehe hier aber entgegen, dass in dem Anerkenntnisurteil als Klägerpartei lediglich eine Klägerin, nämlich die Erbengemeinschaft, aufgeführt sei, die für den Prozessbevollmächtigten lediglich einen Auftraggeber darstelle. Damit sei das Anerkenntnisurteil für die namentlich nicht benannten Mitglieder der Erbengemeinschaft kein zur Zwangsvollstreckung geeigneter Titel i. S. v. § 103 Abs. 1 ZPO.
3. Die Ausführungen des LG halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Dem Prozessbevollmächtigten der Kläger steht eine Erhöhungsgebühr gem. § 6 Abs. 1 S. 2 BRAGO zu.
a) Die Erbengemeinschaft besitzt keine eigene Rechtspersönlichkeit und ist auch sonst nicht rechtsfähig. Der Mietvertrag ist deshalb nicht mit der Erbengemeinschaft, sondern mit den Miterben zustande gekommen (vgl. BGH, Urt. v. 11.9.2002 - XII ZR 187/00, MDR 2003, 81 = BGHReport 2002, 1023 = NJW 2002, 3389, unter II 1). Der Anspruch auf Räumung und Herausgabe der Wohnung konnte daher nur von allen Miterben geltend gemacht werden. Wenn sich diese, wie es hier im Vorprozess der Fall war, durch ein Mitglied vertreten lassen, sind Auftraggeber des Rechtsanwalts alle Mitglieder der Erbengemeinschaft. Berechtigt und verpflichtet wird nicht das vertretende Mitglied der Erbengemeinschaft, sondern die Gesamtheit der Miterben. Für diese und nicht für den Vertreter wird der Rechtsanwalt tätig (vgl. zur vergleichbaren Tätigkeit eines Rechtsanwalts für eine Mehrheit von Wohnungseigentümern BGH, Urt. v. 12.2.1987 - III ZR 255/85, MDR 1987, 912 = NJW 1987, 2240, unter III).
b) Für die Frage der Gebührenerhöhung nach § 6 Abs. 1 S. 2 BRAGO ist auch nicht entscheidend, ob die mehreren Auftraggeber an den Rechtsanwalt auf Grund einheitlicher Willensbildung herantreten oder im Prozess als Einheit auftreten. Angesichts der typisierenden und generalisierenden gesetzlichen Regelung kommt es allein darauf an, ob an der betreffenden Angelegenheit, in der der Rechtsanwalt tätig wird, mehrere rechtsfähige oder doch im Rechtsverkehr so behandelte natürliche oder juristische Personen beteiligt sind (BGH, Urt. v. 12.2.1987 - III ZR 255/85, MDR 1987, 912 = NJW 1987, 2240, unter III). Das ist bei einer Klage von Miterben auch dann der Fall, wenn nur ein Vertreter mitwirkt und im Prozess der Begriff der Erbengemeinschaft - fehlerhaft, aber durch Ergänzung des Rubrums behebbar - als Kurzbezeichnung für die Erben als handelnde Rechtssubjekte benutzt wird (vgl. BGH, Urt. v. 11.9.2002 - XII ZR 187/00, MDR 2003, 81 = BGHReport 2002, 1023 = NJW 2002, 3389, unter II 1).
c) Rechtsirrig ist die Ansicht des LG, es liege kein zur Zwangsvollstreckung geeigneter Titel i. S. v. § 103 Abs. 1 ZPO vor. Dass es sich bei dem Anerkenntnisurteil des AG Charlottenburg v. 24.2.2003 um ein rechtskräftiges Endurteil i. S. d. § 704 Abs. 1 ZPO handelt, ist nicht zweifelhaft. Die Mitglieder der Erbengemeinschaft waren auch bestimmbar, weil sie durch Ermittlungen - etwa durch Anfrage bei dem Nachlassgericht - ausfindig gemacht werden konnten (vgl. BGH, Urt. v. 11.9.2002 - XII ZR 187/00, MDR 2003, 81 = BGHReport 2002, 1023 = NJW 2002, 3389, unter II 1).
Fundstellen
BGHR 2004, 990 |
EBE/BGH 2004, 2 |
FamRZ 2004, 1193 |
NJW-RR 2004, 1006 |
JurBüro 2004, 375 |
NZM 2004, 513 |
ZEV 2004, 246 |
AnwBl 2004, 450 |
MDR 2004, 905 |
NJ 2004, 412 |
Rpfleger 2004, 439 |
WuM 2004, 298 |
AGS 2004, 278 |
GuT 2004, 103 |
NJW-Spezial 2004, 110 |
RVGreport 2004, 394 |
ZErb 2004, 223 |
RVG-Letter 2004, 67 |