Verfahrensgang
LG Chemnitz (Beschluss vom 14.10.2013; Aktenzeichen 3 T 106/12) |
AG Aue (Entscheidung vom 19.01.2012; Aktenzeichen 2 XVII 43/11) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des LG Chemnitz vom 14.10.2013 wird auf Kosten des weiteren Beteiligten zurückgewiesen.
Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtsgebührenfrei.
Wert: 624 EUR
Gründe
Rz. 1
Die Rechtsbeschwerde, mit der der Beteiligte (im Folgenden: Betreuer) für die Zeit vom 1. Juli bis 31.12.2011 die Festsetzung einer Betreuervergütung auf der Grundlage eines Stundensatzes von 44 EUR statt der vom Beschwerdegericht zuerkannten 27 EUR erstrebt, ist unbegründet. Die angegriffene Entscheidung ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Rz. 2
1. Die Rechtsbeschwerde macht ohne Erfolg geltend, der vom Betreuer im Jahr 1989 an der Juristischen Hochschule Potsdam erworbene Studienabschluss als Diplomjurist der DDR sowie sein 1991 erfolgreich abgeschlossenes Umschulungsstudium mit dem erreichten Fachabschluss auf dem Gebiet Unternehmensführung/Management rechtfertigten gem. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VBVG den höchsten Stundensatz von 44 EUR.
Rz. 3
Die Frage, unter welchen Umständen ein Berufsbetreuer im Einzelfall die Voraussetzungen erfüllt, die gem. § 4 Abs. 1 Satz 2 VBVG die Bewilligung einer erhöhten Vergütung rechtfertigen, obliegt einer wertenden Betrachtung des Tatrichters. Dessen Würdigung kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nur eingeschränkt darauf überprüft werden, ob er die maßgebenden Tatsachen vollständig und fehlerfrei festgestellt und gewürdigt, Rechtsbegriffe verkannt oder Erfahrungssätze verletzt und die allgemein anerkannten Maßstäbe berücksichtigt und richtig angewandt hat (BGH, Beschl. v. 25.3.2015 - XII ZB 558/14 - BtPrax 2015, 155 m.w.N.).
Rz. 4
Einer solchen Überprüfung hält die tatrichterliche Würdigung des Beschwerdegerichts stand, wonach - unter Berücksichtigung der Ausführungen des Senats, der eine frühere Beschwerdeentscheidung in dieser Sache aufgehoben und die Sache an das Beschwerdegericht zurückverwiesen hat (BGH, Beschl. v. 10.4.2013 - XII ZB 349/12, FamRZ 2013, 1029 Rz. 12 ff.) - die Ausbildung des Betreuers zum Diplomjurist der DDR zwar ein Hochschulstudium darstellt, der Betreuer hierdurch jedoch keine für die Betreuung nutzbaren Fachkenntnisse erworben hat, und das Umschulungsstudium sowie die Fortbildungsmaßnahmen des Betreuers einem Hochschulstudium nicht vergleichbar sind.
Rz. 5
Nach Sinn und Zweck des § 4 Abs. 1 Satz 2 VBVG ist ein erhöhter Stundensatz nicht bereits gerechtfertigt, wenn die Ausbildung gleichsam am Rande auch die Vermittlung betreuungsrelevanter Kenntnisse zum Inhalt hat. Erforderlich ist vielmehr, dass sie in ihrem Kernbereich hierauf ausgerichtet ist. Davon ist auszugehen, wenn ein erheblicher Teil der Ausbildung auf die Vermittlung solchen Wissens gerichtet ist und dadurch das erworbene betreuungsrelevante Wissen über ein Grundwissen deutlich hinausgeht (BGH, Beschl. v. 25.3.2015 - XII ZB 558/14 - BtPrax 2015, 155 m.w.N.). Bei der Würdigung darf nicht auf die Bezeichnung des Berufs oder der Ausbildung abgestellt werden, sondern es ist jeweils im Einzelfall die konkrete Ausbildung des Betreuers zu bewerten (vgl. BGH v. 15.7.2015 - XII ZB 123/14, FamRZ 2015, 1794 Rz. 5).
Rz. 6
Das Beschwerdegericht hat hierzu festgestellt, dass das Studium an der Juristischen Hochschule Potsdam im Wesentlichen aus den Rechtsfächern Staatsrecht, Strafrecht, Strafverfahrensrecht und Völkerrecht sowie weiterhin aus den Fächern Marxistisch-Leninistische Philosophie, Politische Ökonomie, Wissenschaftlicher Sozialismus, Staats- und Rechtsgeschichte, System der Rechtspflege der DDR, Staatsrecht bürgerlicher Staaten, Außen- und Rechtspolitik bürgerlicher Staaten, Kriminalistik sowie pädagogische und psychologische Grundfragen der staatlichen Leitung bestanden habe, die nicht der Vermittlung von Fachkenntnissen gedient hätten, die dem Betreuer seine Tätigkeit erleichterten; eine Ausbildung im Fachbereich Psychologie sei nicht dem Kernbereich des Studiums zuzuordnen.
Rz. 7
Dies begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Zu Unrecht beanstandet die Rechtsbeschwerde die fehlende Berücksichtigung der Inhalte des Umschulungsstudiums durch das Beschwerdegericht. Das Umschulungsstudium stellt eine Zusatzausbildung zum abgeschlossenen Hochschulstudium dar, die gesondert zu betrachten ist; eine Gesamtschau aller Ausbildungen ist gerade nicht vorzunehmen (vgl. BGH v. 10.4.2013 - XII ZB 349/12, FamRZ 2013, 1029 Rz. 19 m.w.N.). Soweit die Rechtsbeschwerde auf die im Studium erworbenen Fähigkeiten wie methodisches Denken und schnelle Einarbeitung in andere Fachgebiete abstellt, handelt es sich um Grundfertigkeiten, die nicht den Kernbereich des Studiums betreffen, sondern gleichsam am Rande der Ausbildung erworben werden (vgl. BGH vom 15.7.2015 - XII ZB 123/14, FamRZ 2015, 1794 Rz. 5). Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde stellt das Beschwerdegericht auch zu Recht darauf ab, dass gerade Zivilrecht nicht unterrichtet wurde und Verwaltungsrecht nicht Bestandteil der Abschlussprüfung war, also untergeordnete Bedeutung hatte. Vor allem in diesen Rechtsbereichen erfolgt aber ein wesentlicher Teil der Tätigkeit des Betreuers, während Fragen des Staats- und Völkerrechts nicht und des Strafrechts nur im Ausnahmefall für die Betreuung nützlich sind.
Rz. 8
Ebenfalls ohne Rechtsfehler stellt das Beschwerdegericht - wie vom Senat schon bei der Überprüfung der ersten Beschwerdeentscheidung gebilligt (BGH, Beschl. v. 10.4.2013 - XII ZB 349/12, FamRZ 2013, 1029 Rz. 19) - fest, dass weder das Umschulungsstudium noch die übrigen Fortbildungen des Betreuers für sich genommen nach Art und Umfang einem Hochschulstudium entsprechen.
Rz. 9
2. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG).
Fundstellen
Haufe-Index 9258970 |
FamRZ 2016, 1072 |