Verfahrensgang
LG Dresden (Beschluss vom 11.11.2015; Aktenzeichen 2 T 789/13) |
AG Dippoldiswalde (Entscheidung vom 15.08.2013; Aktenzeichen 2 XVII 60/92) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer des LG Dresden vom 11.11.2015 wird auf Kosten der weiteren Beteiligten zu 1) zurückgewiesen.
Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtskostenfrei.
Wert: 306 EUR
Gründe
Rz. 1
Die Rechtsbeschwerde, mit der die Beteiligte zu 1) (im Folgenden: Betreuerin) für die Zeit vom 1.11.2012 bis zum 31.7.2013 die Festsetzung der Betreuervergütung auf der Grundlage eines Stundensatzes von 44 EUR statt der vom Beschwerdegericht zuerkannten 27 EUR erstrebt, ist unbegründet. Die angegriffene Entscheidung ist nicht zu beanstanden.
Rz. 2
1. Die Rechtsbeschwerde macht ohne Erfolg geltend, der von der Betreuerin im Jahr 1985 an der Fachschule für Staatswissenschaft "Edwin Hoernle" in Weimar erworbene Studienabschluss als Staatswissenschaftlerin, der die Betreuerin auch berechtigt, die staatliche Bezeichnung "Diplom-Verwaltungswirtin (FH)" zu führen, sowie die Qualifizierung zur "Personal- und Bildungsreferentin" rechtfertigten gem. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VBVG den höchsten Stundensatz von 44 EUR.
Rz. 3
a) Die Frage, unter welchen Umständen ein Berufsbetreuer im Einzelfall die Voraussetzungen für eine erhöhte Vergütung gem. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VBVG erfüllt, obliegt einer wertenden Betrachtung des Tatrichters. Dessen Würdigung kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nur eingeschränkt darauf überprüft werden, ob er die maßgebenden Tatsachen vollständig und fehlerfrei festgestellt und gewürdigt, Rechtsbegriffe verkannt oder Erfahrungssätze verletzt und die allgemein anerkannten Maßstäbe berücksichtigt und angewandt hat (BGH, Beschl. v. 25.3.2015 - XII ZB 558/14 - BtPrax 2015, 155 Rz. 3).
Rz. 4
b) Einer solchen Überprüfung hält die tatrichterliche Würdigung des Beschwerdegerichts stand, wonach das von der Betreuerin absolvierte Studium nicht derart von der Vermittlung besonderer, für die Führung der Betreuung nutzbarer Kenntnisse mitgeprägt ist, dass es in seinem Kernbereich auf die Vermittlung betreuungsrelevanter Kenntnisse ausgerichtet war. Durch die Fortbildung der Betreuerin zur Personal- und Bildungsreferentin werden ebenfalls nicht die Voraussetzungen für einen erhöhten Stundensatz erfüllt.
Rz. 5
aa) Nach Sinn und Zweck des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VBVG ist ein erhöhter Stundensatz nicht bereits dann gerechtfertigt, wenn die Ausbildung gleichsam am Rande auch die Vermittlung betreuungsrelevanter Kenntnisse zum Inhalt hat. Erforderlich ist vielmehr, dass sie in ihrem Kernbereich hierauf ausgerichtet ist. Davon ist auszugehen, wenn ein erheblicher Teil der Ausbildung auf die Vermittlung solchen Wissens gerichtet ist und dadurch das erworbene betreuungsrelevante Wissen über ein Grundwissen deutlich hinausgeht (BGH, Beschl. v. 25.3.2015 - XII ZB 558/14 - BtPrax 2015, 155 Rz. 4).
Rz. 6
bb) Das Beschwerdegericht hat hierzu festgestellt, dass die Betreuerin Abschlussprüfungen in den Fächern Grundlagen des Marxismus/Leninismus, Theorie des Staates und des Rechts, Staatsrecht, Verwaltungsrecht, Wirtschaftspolitik/Volkswirtschaftsplanung, Territorialplanung, Ausgewählte Probleme des Wirtschafts- und Arbeitsrechts, Pädagogisch-psychologische Grundfragen der staatlichen Leitung, Wissenschaftliche Organisation der staatlichen Leitung, Deutsch/Kulturpolitik und Russisch ableistete. Die Lehrinhalte der meisten Fächer hätten keine für die Führung einer rechtlichen Betreuung nutzbaren Kenntnisse vermittelt, andere Fächer seien in ihrem Kernbereich jedenfalls nicht auf die Vermittlung betreuungsrelevanter Kenntnisse ausgerichtet gewesen.
Rz. 7
Die Weiterbildung der Betreuerin zur Personal- und Bildungsreferentin sei weder mit einem Hochschulstudium noch mit einer Lehre vergleichbar.
Rz. 8
cc) Dies begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Zu Unrecht beanstandet die Rechtsbeschwerde, das Beschwerdegericht habe sich kein Gesamtbild aus der Ausbildung (Studium der Staatswissenschaft), der Fortbildung (Personal- und Bildungsreferentin) sowie der beruflichen Praxis und Erfahrung der Betreuerin (Tätigkeit im Bereich Gesundheit und Sozialwesen einer Stadtverwaltung) gemacht. Denn eine Gesamtbetrachtung aller Ausbildungen ist nicht vorzunehmen. Dies sieht § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VBVG nicht vor (BGH, Beschl. v. 10.4.2013 - XII ZB 349/12, FamRZ 2013, 1029 Rz. 19). Ebenfalls nicht zu beanstanden ist die Würdigung des Beschwerdegerichts, dass die Weiterbildung der Betreuerin weder mit einem Hochschulstudium noch mit einer Lehre vergleichbar ist (vgl. Senatsbeschluss v. 14.10.2015 - XII ZB 188/15 - juris Rz. 6, 13 f.).
Rz. 9
c) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde war das Betreuungsgericht schließlich auch nicht nach Treu und Glauben unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes verpflichtet, an dem in früheren Festsetzungsbeschlüssen der Betreuerin zugebilligten Stundensatz von 44 EUR für die Zukunft festzuhalten. Es musste vielmehr auf den neu gestellten Vergütungsfestsetzungsantrag hin erneut das Vorliegen der Voraussetzungen für die Höhe der Vergütung prüfen. Nachdem es dabei abweichend von seiner früheren Wertung zu dem Ergebnis gelangt ist, dass die Betreuerin die Voraussetzung für eine Erhöhung des Stundensatzes gem. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VBVG nicht erfüllt, war es seine Aufgabe, diese gewonnene bessere Erkenntnis umzusetzen (Senat, Beschl. v. 8.2.2012 - XII ZB 231/11 - juris Rz. 14 f. m.w.N.; vgl. Senatsbeschluss v. 14.10.2015 - XII ZB 188/15 - juris Rz. 16). Das Beschwerdegericht hat somit zu Recht ein schützenswertes Vertrauen der Betreuerin in eine gleichbleibende Festsetzung für künftige Zeitabschnitte verneint.
Rz. 10
2. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG).
Fundstellen
Haufe-Index 10803753 |
FamRZ 2017, 1258 |