Verfahrensgang
LG Hildesheim (Urteil vom 16.11.2001) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 16. November 2001 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in drei Fällen unter Einbeziehung der zwei Einzelgeldstrafen von je 10 Tagessätzen und unter Auflösung der Gesamtgeldstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Gifhorn vom 14. Dezember 2000 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO, soweit es sich gegen den Schuldspruch wendet. Dagegen hat es mit der Sachrüge zum Strafausspruch Erfolg.
Das Landgericht hat dem Angeklagten sowohl bei der Strafrahmenwahl, als auch – durch Bezugnahme auf seine Erwägungen zur Strafrahmenbestimmung – bei der Zumessung der drei Einzelstrafen strafschärfend angelastet, daß er durch die Taten „sein eigenes Bedürfnis nach sexueller Befriedigung rücksichtslos in den Vordergrund gestellt und die Geschädigte dadurch erheblich erniedrigt” habe. Diese Erwägung verstößt in zweifacher Hinsicht gegen das Verbot des § 46 Abs. 3 StGB. Zum einen durfte es dem Angeklagten weder bei der Strafrahmenwahl noch bei der konkreten Strafzumessung angelastet werden, daß er sein Bedürfnis nach sexueller Befriedigung rücksichtslos durchsetzte; denn der Schutz des Opfers vor nötigender und damit rücksichtsloser Durchsetzung des Bedürfnisses des Täters nach sexueller Befriedigung ist der Strafgrund des § 177 Abs. 1 StGB und darf daher nicht strafschärfend berücksichtigt werden. Zum anderen ist die besondere Erniedrigung des Tatopfers bereits Merkmal des Regelbeispiels der Vergewaltigung nach § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB bzw. § 177 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB idF des 33. StrÄndG, so daß dieser Umstand bei der Zumessung der Strafe aus dem Strafrahmen für besonders schwere Fälle (§ 177 Abs. 2 Satz 1 StGB bzw. § 177 Abs. 3 Satz 1 StGB idF des 33. StrÄndG) nicht zu Lasten des Täters nochmals herangezogen werden darf (vgl. BGH StV 1999, 489 f.).
Bei der Zumessung der Einzelstrafen hat das Landgericht darüber hinaus strafschärfend berücksichtigt, daß die Geschädigte bisher unfähig ist, eine neue intensive Beziehung zu einem Mann einzugehen. Die Feststellungen belegen indessen nicht, daß es sich hierbei im Sinne des § 46 Abs. 2 StGB um eine verschuldete Auswirkung der Taten des Angeklagten handelt. Die Geschädigte hatte bereits infolge des sexuellen Mißbrauchs durch ihre Eltern Probleme, sexuelle Beziehungen zu unterhalten. Sie hatte lediglich zu Beginn der Ehe mit dem Angeklagten sexuellen Verkehr duldend hingenommen, weil sie der Ansicht war, dies gehöre zwingend zu einer Beziehung. Nach der Geburt des Sohnes hatte sie sich zunehmend vor sexuellen Kontakten und dann auch vor dem Angeklagten als Person geekelt. Schon im Jahre 1976 hatte sie damit begonnen, diese Probleme ihrem Tagebuch anzuvertrauen. Angesichts dessen hätte es näherer Ausführungen dazu bedurft, warum ihre fortbestehende Unfähigkeit, eine intensive (UA S. 20) bzw. intime (UA S. 11) Beziehung zu einem anderen Mann einzugehen, gerade auf die Taten des Angeklagten zurückzuführen ist.
Auf den aufgezeigten Rechtsfehlern beruht der Strafausspruch. Trotz des Gewichts der sexuellen Handlungen in den Fällen II. 1. und 2. der Urteilsgründe vermag der Senat im Hinblick darauf, daß die Taten aus der in sexueller Hinsicht problematischen ehelichen Beziehung des Angeklagten zu der Geschädigten entsprangen und das Maß der vom Angeklagten zur Erzwingung des sexuellen Verkehrs eingesetzten Gewalt das tatbestandlich vorausgesetzte Mindestmaß nur wenig übersteigt, nicht auszuschließen, daß das Landgericht ohne die rechtsfehlerhaften Zumessungserwägungen auf niedrigere Einzelstrafen und eine geringere Gesamtstrafe erkannt hätte.
Über den Strafausspruch ist daher nochmals zu entscheiden. Dabei wird Gelegenheit bestehen, die für eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung mit den Einzelgeldstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Gifhorn notwendigen Voraussetzungen vollständig darzulegen, insbesondere ob die Gesamtgeldstrafe
aus dieser Entscheidung im Zeitpunkt der Verkündung des angefochtenen Urteils noch nicht vollstreckt oder erlassen war (§ 55 Abs. 1 Satz 1 StGB). Auch wird die Möglichkeit erörtert werden können, die Geldstrafe nach § 55 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB gesondert bestehen zu lassen.
Unterschriften
Tolksdorf, Rissing-van Saan, Winkler, von Lienen, Becker
Fundstellen