Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergewaltigung
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 26. Juni 2000
- im Schuldspruch dahin geändert, daß der Angeklagte der Vergewaltigung schuldig ist,
- im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „sexueller Nötigung in einem ganz besonders schweren Fall” zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge in dem aus dem Beschlußtenor ersichtlichen Umfang Erfolg; im übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
1. Der Schuldspruch ist dahin zu berichtigen, daß sich der Angeklagte der Vergewaltigung schuldig gemacht hat. Zwar ist das Regelbeispiel des § 177 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 StGB auch im Urteilstenor als Vergewaltigung zu bezeichnen (vgl. BGH NStZ 1998, 510 f.; NStZ-RR 1999, 78; StV 2000, 308). Hingegen kommt die Erfüllung der Qualifikationen nach § 177 Abs. 3 und 4 StGB im Schuldspruch nicht zum Ausdruck (BGH NStZ 2000, 254, 255; BGH bei Pfister NStZ-RR 1999, 355; BGH, Beschl. vom 20. Mai 1999 – 4 StR 168/99; Tröndle/Fischer 50. Aufl. § 177 Rdn. 23, 43 m.w.N.). § 265 StPO steht der Klarstellung nicht entgegen.
2. Der Strafausspruch hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Das Landgericht hat zu Lasten des Angeklagten u.a. „sein brutales und rücksichtsloses Vorgehen” bei der Begehung der Tat gewertet (UA S. 18). Diese Erwägung wird durch die Feststellungen nicht getragen; danach bedrohte der Angeklagte das Tatopfer zunächst mit einer Schreckschußpistole und einem Messer und zog die Geschädigte in einen Nebenraum, wo sie sich entkleiden mußte; dann vollzog er ohne weitere Gewaltanwendung unter Fortwirkung der Drohung mit ihr den Geschlechtsverkehr. Ein Verhalten des Angeklagten, das über die Erfüllung des Tatbestands des § 177 Abs. 4 Nr. 1 StGB hinausging und den Vorwurf besonderer Brutalität oder Rücksichtslosigkeit rechtfertigte, läßt sich diesen Feststellungen und auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht entnehmen.
Das Landgericht hat weiterhin strafschärfend gewertet, daß der Angeklagte „statt sich auf sein Recht (zu beschränken), zu schweigen oder die Tat in Abrede zu stellen” (UA S. 18), in der Hauptverhandlung wider besseres Wissen behauptet hat, das Tatopfer sei als Prostituierte tätig gewesen und habe die Strafanzeige gegen ihn nur wegen zu geringen Entgelts erstattet. Diese Erwägung gibt Anlaß zu der Besorgnis, der Tatrichter habe dem Angeklagten zum Vorwurf gemacht, sich nicht auf einebestimmte Weise verteidigt zu haben. Zwar kann im Einzelfall ein Angriff des Angeklagten auf die Glaubwürdigkeit des Tatopfers als Zeuge strafschärfendes Gewicht erlangen, wenn er die Grenze angemessener Verteidigung eindeutig überschreitet und sein Vorbringen eine selbständige Rechtsgutsverletzung enthält, da sich hierin eine rechtsfeindliche Einstellung offenbaren kann (BGH NStZ-RR 1999, 328; vgl. Tröndle/Fischer aaO § 46 Rdn. 53 m.w.N.). Verteidigt sich ein Angeklagter gegen den Vorwurf der sexuellen Nötigung mit der Einlassung, das Opfer habe in die sexuelle Handlung – unentgeltlich oder gegen Entgelt – eingewilligt, so liegt aber nicht schon hierin eine Überschreitung der Grenze zulässiger Verteidigung. Auch wenn hier die mehrfach erhobene und unter Beweis gestellte Behauptung des Angeklagten, die Geschädigte habe früher mit ihm und anderen gegen Entgelt geschlechtlich verkehrt, diese Grenze überschritt, ist nicht auszuschließen, daß das Landgericht aufgrund der rechtsfehlerhaften Annahme, eine zulässige Verteidigung hätte sich auf ein pauschales Bestreiten oder die Berufung auf das Schweigerecht beschränken müssen, bei der Festsetzung der ungewöhnlich hohen Freiheitsstrafe von einem unzutreffenden Maßstab ausgegangen ist.
Bedenklich erscheinen schließlich sowohl die uneingeschränkt strafschärfende Berücksichtigung der – geringfügigen und nicht einschlägigen – Vorstrafen als auch die Erwägung, der Angeklagte habe die Geschädigte „zumindest auch als Instrument benutzt”, um sein „Rachebedürfnis” wegen einer zurückliegenden Beleidigung durch einen Dritten zu befriedigen (UA S. 18). Es liegt auf der Hand, daß die Vergewaltigung der Geschädigten, die an jenem Vorfall nicht beteiligt war und in keiner näheren Beziehung zu der Person stand, welche den Angeklagten im Laufe des Tatabends beleidigt hatte, nicht als „Rache” im engeren Sinn gemeint sein konnte, sondern allenfalls als ein „Abreagieren” des durch die Beleidigung entstandenen Zorns. Daß eine solche Motivation des Täters, wenn sie nicht in einer konkreten, über die Tatbestandserfüllung hinausgehenden Demütigung des Opfers ihren Ausdruck findet, sich in strafschärfender Weise von sonstigen, durchschnittlich vorkommenden Motivationslagen bei Vergewaltigungen unterscheidet, ist jedenfalls zweifelhaft; nähere Feststellungen, die dies rechtfertigen könnten, fehlen im Urteil.
Unterschriften
Jähnke, Otten, Rothfuß, Fischer, Elf
Fundstellen
Haufe-Index 584811 |
NStZ 2001, 419 |
StV 2001, 456 |