Leitsatz (amtlich)
a) Eine Vereinbarung, die den Übergang des LPG-Vermögens auf einen anderen Rechtsträger entgegen den gesetzlichen Vorgaben als Einzelrechtsnachfolge im Wege einer teilweisen Vermögensübernahme regelt und daher unwirksam ist, kann nicht Grundlage für die Annahme eines Vertrages zu Gunsten Dritter sein, wonach ein ausscheidendes Mitglied berechtigt sein soll, Abfindungsansprüche gegen den neuen Rechtsträger zu richten.
b) In einem solchen Fall entspricht es in der Regel auch nicht der Interessenlage und kann daher nicht im Wege der Auslegung angenommen werden, dass unabhängig von der gescheiterten Vermögensübernahme ein Vertrag über die Regelung der Abfindungsansprüche zu Gunsten Dritter geschlossen worden ist.
Normenkette
BGB § 328 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin wird der Zwischenbeschluss des Landwirtschaftssenats des OLG Dresden v. 3.12.2003 aufgehoben.
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des AG - Landwirtschaftsgericht - Bautzen v. 4.7.2003 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren einschließlich der in diesen Verfahren der Antragsgegnerin entstandenen außergerichtlichen Kosten.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren beträgt 7.876,74 EUR.
Gründe
I.
Die Antragstellerin war seit 1968 Mitglied der LPG "V. K. " G. -D. , in die sie Nutzflächen und Inventar eingebracht hat. Aus dieser LPG gingen nach Ausgliederung einer Kooperativen Abteilung die LPG (T) H. , in der die Antragstellerin verblieb, und die LPG (P) "F. " H. hervor.
In der LPG (T) H. kam man überein, einen Betriebsteil, die Milchviehanlage in G. -D. , abzuspalten und im Wege der Teilung und übertragenden Umwandlung in die LPG G. -D. umzuwandeln. Die Grundzüge dieser Umwandlung wurden in einer Besprechung v. 4.12.1990 zwischen Vertretern der LPG (T) H. und Bevollmächtigten der künftigen LPG G. -D. festgelegt. Darin heißt es u. a.:
"Mit der Teilung und der Übertragung der Rechte und Pflichten auf die LPG G. -D. tritt diese LPG bezüglich der Inventarbeiträge für die Mitglieder in G. -D. in die Rechtsnachfolge der LPG H. ein. Der Inventarbeitrag wird 2:1 umbewertet, infolge dessen übernimmt die LPG G. -D. im Hinblick auf den Inventarbeitrag die vermögensrechtliche Auseinandersetzung mit den G. -D. Genossenschaftsmitgliedern. Das gilt auch für beschaffenen Vermögenszuwachs".
Am 7.1.1991 wurde die LPG G. -D. in das Genossenschaftsregister eingetragen.
Am 27.1.1991 schlossen die Vorstandsvorsitzenden eine Vereinbarung als Anlage zum Teilungsplan, in der Änderungen und Ergänzungen zu den Festlegungen in der Besprechung v. 4.12.1990 beschlossen wurden. U.a. heißt es dort:
"Weitere Forderungen der LPG G. -D. .
- Die Informationen an die Landeinbringer bezüglich des Inventarbeitrages erfolgt bis 15.02.1991.
Inhalt:
- Abwertung des Inventarbeitrages laut Gesetz zur Schaffung einer Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion v. 18.05.1990.
- Die LPG G. -D. tritt die Rechtsnachfolge der LPG H. an. Alle Forderungen der Landeinbringer in der Gemeinde G. -D. werden durch die LPG G. -D. abgegolten".
Die von der LPG (T) H. der LPG G. -D. im Oktober 1991 übergebene Liste der aus der alten LPG ausgegliederten Arbeitskräfte enthält nicht den Namen der Antragstellerin. Sie war am 1.9.1990 in den Vorruhestand getreten und hatte mit Schreiben v. 22.7.1991 ihre Mitgliedschaft in der LPG (T) H. gekündigt. Dieses Schreiben leitete diese LPG "zuständigkeitshalber" an die LPG G. -D. weiter.
Die LPG G. -D. beschloss am 4.12.1992 ihre Umwandlung in die Antragsgegnerin. Diese wurde am 30.1.1992 mit Umwandlungsvermerk in das Genossenschaftsregister eingetragen. Die Antragsgegnerin zahlte zur Erfüllung der Abfindungsansprüche an die Antragstellerin 3.076,32 DM.
Die Antragstellerin nimmt die Antragsgegnerin auf Zahlung weiterer 7.876,74 EUR nebst Zinsen in Anspruch. Das Landwirtschaftsgericht hat ihren Antrag, ebenso wie zwei Hilfsanträge auf Bestimmung einer Barabfindung sowie auf Feststellung einer Pflicht zur baren Zuzahlung, abgewiesen. Das OLG hat den mit dem Hauptantrag verfolgten Anspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Dagegen richtet sich die - zugelassene - Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin, mit der sie die Wiederherstellung der Entscheidung des Landwirtschaftsgerichts erstrebt.
II.
Während das Landwirtschaftsgericht die Passivlegitimation der Antragsgegnerin verneint hat, hält das Beschwerdegericht den gegen sie gerichteten Abfindungsanspruch unter dem Gesichtspunkt eines Vertrages zu Gunsten Dritter (§ 328 Abs. 1 BGB) dem Grunde nach für gerechtfertigt. Diesen die Antragstellerin berechtigenden Vertrag sieht es in den Vereinbarungen der Vorstände der LPG (T) H. und der LPG G. D. v. 4.12.1990 und v. 27.1.1991. Hierdurch habe der Antragstellerin ein eigenes Forderungsrecht gegen die Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin in Höhe der ihr nach § 44 LwAnpG zustehenden Abfindungsansprüche zugewendet werden sollen. Zwar habe die Unwirksamkeit der nicht den gesetzlichen Bestimmungen entsprechenden Teilung und Umwandlung der LPG (T) H. zur Folge, dass sich die Antragsgegnerin gegenüber ihrer Vertragspartnerin auf ein Leistungsverweigerungsrecht berufen könne, das nach § 334 BGB grundsätzlich auch der Antragstellerin entgegengehalten werden könne. Im konkreten Fall sei dies der Antragsgegnerin aber nach § 242 BGB verwehrt. Sie könne nämlich nicht einerseits die Vorteile aus der Nutzung des ihr nicht rechtswirksam überlassenen Vermögens der LPG (T) H. in Anspruch nehmen, andererseits aber die Erfüllung der übernommenen Verpflichtungen aus § 44 LwAnpG ablehnen.
III.
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Prüfung nicht stand.
1. Zu dem Ergebnis, dass die Antragstellerin auf Grund Vertrages zugunsten Dritter (§ 328 Abs. 1 BGB) berechtigt sei, ist das Berufungsgericht durch Auslegung der Vereinbarungen der Vorstände der LPG-en v. 4.12.1990 und v. 27.1.1991 gekommen. Diese Auslegung ist rechtsfehlerhaft.
Allerdings ist die Auslegung individualrechtlicher Verträge vornehmlich Sache des Tatrichters. Das Rechtsbeschwerdegericht kann sie nur darauf überprüfen, ob wesentlicher Auslegungsstoff außer Acht gelassen wurde, ob die Interessenlage der Vertragspartner hinreichend berücksichtigt wurde und ob ansonsten die anerkannten Auslegungsgrundsätze beachtet und nicht gegen Erfahrungssätze und gegen die Denkgesetze verstoßen wurde (vgl. für das Revisionsrecht BGH v. 31.10.1995 - XI ZR 6/95, BGHZ 131, 136 [138] = MDR 1996, 322; v. 28.10.1997 - XI ZR 260/96, BGHZ 137, 69 [72] MDR 1998, 232; für das Rechtsbeschwerdeverfahren : Barnstedt/Steffen, LwVG, 6. Aufl., § 27 Rz. 18; Keidel/Kuntze, Winkler, FGG, 15. Aufl., § 27 Rz. 49).
Im vorliegenden Fall hat die Auslegung schon deswegen keinen Bestand, weil das Berufungsgericht gegen die anerkannte Regel verstoßen hat, dass jede Auslegung vom Wortlaut auszugehen hat (siehe nur BGH v. 10.12.1992 - I ZR 186/90, BGHZ 121, 13 [16] = MDR 1993, 635; Urt. v. 11.9.2000 - II ZR 34/99, NJW 2001, 144). Es geht ohne weiteres davon aus, dass "Vereinbarungen zwischen Unternehmen, mit denen wesentliche Teile des Betriebsvermögens auf den Erwerber gegen Übernahme des Versprechens zur Befriedigung von Verpflichtungen des übertragenden Unternehmens übergeben werden", einen Vertrag zu Gunsten Dritter enthielten. In der Vereinbarung v. 4.12.1990 ist indes von einem Gegenseitigkeitsverhältnis zwischen Betriebsübergabe und Schuldübernahme nicht die Rede. Vielmehr findet sich die Auffassung der Unterzeichner dokumentiert, dass "mit der Teilung und der Übertragung der Rechte und Pflichten" auf die zu gründende Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin eine Rechtsnachfolge eintrete, dass die Inventarbeiträge im Verhältnis 2:1 umbewertet wurden und dass "infolge dessen" die neue LPG im Hinblick auf den Inventarbeitrag "die vermögensrechtliche Auseinandersetzung mit den" in die neue LPG übernommenen "Genossenschaftsmitgliedern" übernehme. Dieser Wortlaut gibt für eine Schuldübernahme gegen die Übertragung von Vermögensbestandteilen nichts her. Er deutet vielmehr darauf hin, dass die Parteien eine Teilrechtsnachfolge haben regeln wollen, deren Rechtsfolge u. a. in der Übernahme von Verpflichtungen gegenüber den übernommenen LPG-Mitgliedern bestand. Eine solche Teilrechtsnachfolge war zwar - wie das Beschwerdegericht zutreffend, und von der Rechtsbeschwerde auch nicht angegriffen, festgestellt hat - rechtlich nicht möglich. Dass sie indes von den Handelnden gewollt war, steht außer Frage. Die Antragstellerin hat selbst vorgetragen, dass alle Beteiligten davon ausgegangen seien, dass sich infolge der Teilung die Mitgliedschaft der davon betroffenen Mitglieder (darunter die Antragstellerin) in die LPG G. -D. , der Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin, fortgesetzt habe.
2. Der Senat ist folglich an die Auslegung des Beschwerdegerichts nicht gebunden. Da weitere Feststellungen nicht in Betracht kommen, kann er die "Vereinbarungen" selbst auslegen (vgl. BGH BGHZ 65, 107; BGHZ 37, 233 [243]). Diese Auslegung führt zur Verneinung eines der Antragstellerin gem. § 328 Abs. 1 BGB zugewendeten Abfindungsanspruchs gegen die Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin.
a) Der Vereinbarung v. 4.12.1990 kann schon deswegen kein Vertrag zu Gunsten der Antragstellerin entnommen werden, weil es an rechtsbegründenden oder rechtsgestaltenden Erklärungen insgesamt fehlt. Die Rechtsbeschwerde weist zu Recht darauf hin, dass die Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin zum Zeitpunkt der Vereinbarung noch gar nicht existierte. Dies haben die Unterzeichner nicht verkannt. Es ist von der künftigen LPG G. -D. die Rede. Es liegt dann nicht nahe, dass die Berechtigten schon jetzt rechtlich bindende Erklärungen haben abgeben wollen, wo doch eine Bindung seitens eines Vertragspartners noch nicht möglich war. Entsprechend wird das "Einigungsprotokoll" auch damit eingeleitet, dass "in Vorbereitung der Teilung" eine Beratung mit dem Ziel einer Einigung stattfinden solle. Die Einigung, die dann erzielt würde, hat nach Formulierung und Inhalt vor allem einen programmatischen Charakter. Es werden die Eckpunkte festgesetzt, nach denen sich die - noch vorzunehmende Teilung und Umwandlung - zu richten hat. Es werden die "strukturelle Entwicklung" und die "Bemessensgrundlage für die vermögensrechtliche Teilung" festgelegt. Es wird angegeben, welche Werte "nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand" übergeben werden. Alles dies wird aber nicht definitiv geregelt, sondern soll durch die geplante Teilung erreicht werden.
b) Für eine vertragliche Regelung ist, selbst wenn man ihr grundsätzlich näher treten wollte, ferner deshalb kein Raum, weil ein Vertrag, durch den eine LPG sich verpflichtete, einen Teil ihres Vermögens gegen Übernahme eines Teils ihrer Schulden auf eine andere zu gründende Gesellschaft oder Genossenschaft zu übertragen, nach § 134 BGB nichtig wäre (vgl. Senat, Beschl. v. 8.5.1998, BLw 39/97, WM 1998, 1650). Das Vermögen der LPG war nach dem bis 31.12.1991 fortgeltenden § 25 Abs. 3 S. 1 LPGG 1982 grundsätzlich unteilbar und unveräußerlich. Es konnte nur insoweit verteilt werden oder auf ein Unternehmen anderer Rechtsform übergehen, als der Gesetzge ber dies in dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz ausdrücklich zugelassen hat (§ 69 Abs. 1 und 2 LwAnpG). Das Landwirtschaftsanpassungsgesetz sieht aber für den Übergang des LPG-Vermögens auf einen anderen Rechtsträger nur die Gesamtrechtsnachfolge im Wege des Zusammenschlusses, der Teilung oder des identitätswahrenden Formwechsels vor, nicht dagegen die Einzelrechtsnachfolge im Wege einer teilweisen Vermögensübernahme. Ohne eine entsprechende Rechtsgrundlage musste daher eine dahingehende Vereinbarung wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot unwirksam bleiben (vgl. BGH BGHZ 65, 107; BGHZ 37, 233 [243]). Dann bliebe aber auch die von dem Beschwerdegericht angenommene Vereinbarung einer Haftungsübernahme zu Gunsten der Antragstellerin ohne Rechtsboden.
c) Dass die Parteien trotz Unwirksamkeit der geplanten Vermögensübernahme durch Teilung und trotz Nichtigkeit einer - unterstellt - vertraglichen Vermögensübernahme isoliert eine Vereinbarung des Inhalts getroffen hätten, wonach die Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin die Verpflichtungen zur Abfindung ausgeschiedener Mitglieder übernommen und diesen ein eigenes Forderungsrecht eingeräumt hätten, liegt nach allem von vornherein fern und lässt sich im Wege der Auslegung nicht feststellen.
Wie bereits ausgeführt, lässt der Wortlaut eine solche Deutung nicht zu. Soweit das Beschwerdegericht in diesem Zusammenhang auch auf die Vereinbarung v. 27.1.1991 abgestellt hat, verkennt es, dass es in dem herangezogenen Vermerk nur darum ging, eine Information der Landeinbringer über die vermeintlichen Rechtsfolgen der Teilung und Umwandlung sicherzustellen.
Auch die Interessenlage kann für das von dem Beschwerdegericht gefundene Ergebnis nicht ins Feld geführt werden. Die angenommene "atypische, von einer Teilung unter Fortbestand der Mitgliedschaften abweichende Vereinbarung" wäre nichtig (s.o.) und lässt daher keinen Schluss darauf zu, dass es vor diesem Hintergrund den Interessen der Vertragsschließenden entsprochen hätte, dass die Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin die übergebende, unerkannt in Liquidation fortbestehende LPG von Abfindungsverpflichtungen hätte freistellen und zudem der Antragstellerin ein eigenes Forderungsrecht einräumen wollen. Interessengerecht ist eine Vermögensauseinandersetzung, gerade bei einem Scheitern der Vermögensübernahme, mit dem in Liquidation fortbestehenden Unternehmen (vgl. Wenzel, AgrarR 1998, 139 [142]). Inwieweit das neu gegründete Unternehmen bei der Befriedigung der Ansprüche der ausgeschiedenen Mitglieder mitwirkt, ist eher eine Zweckmäßigkeitsfrage. Für die Auslegung nicht aussagekräftig ist daher auch der Umstand, dass die Antragsgegnerin hier die Ansprüche der Antragstellerin teilweise erfüllt hat, wobei ohnehin nachträgliches Verhalten von Vertragsparteien nur indizielle Bedeutung für den Willen und die Interessenlage bei Vertragsschluss hat.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 44, 45 LwVG.
Fundstellen
Haufe-Index 1159891 |
BGHR 2004, 1182 |
VIZ 2004, 427 |
MDR 2004, 987 |
NJ 2004, 516 |
AuUR 2004, 414 |