Verfahrensgang
LG Wiesbaden (Urteil vom 02.11.2006) |
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 2. November 2006 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Freiheitsberaubung, in einem Fall zusätzlich in Tateinheit mit Bedrohung, sowie wegen sexueller Nötigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Freiheitsberaubung sowie wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit Freiheitsberaubung und Bedrohung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Dagegen wendet sich die Revision des Angeklagten mit der Sachrüge, mit der er die unzureichenden Feststellungen zur Schuldfähigkeit des Angeklagten rügt.
Rz. 2
Das Rechtsmittel des Angeklagten hat Erfolg.
Rz. 3
Nach den Feststellungen des Landgerichts leidet der Angeklagte an chronischer Schizophrenie. Das Landgericht ist – dem Sachverständigen folgend – davon ausgegangen, dass er bei Begehung der Straftaten, die sich sämtlich gegen seine Ehefrau richteten, auf Grund seiner Erkrankung in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert gewesen war. Hinweise dafür, dass der Angeklagte die Taten während eines akuten Schubs dieser Erkrankung begangen habe, habe der Sachverständige nicht feststellen können.
Rz. 4
Die Ausführungen des Landgerichts zur Schuldfähigkeit des Angeklagten begegnen durchgreifenden Bedenken. Der Generalbundesanwalt hat insoweit folgendes ausgeführt:
Rz. 5
„Die Revision des Angeklagten beanstandet zu Recht Darstellungsmängel des Urteils im Zusammenhang mit der Feststellung, der seit 2002 an chronischer Schizophrenie erkrankte Beschwerdeführer habe die verfahrensgegenständlichen Taten nicht während eines akuten Krankheitsschubes begangen, so dass Schuldunfähigkeit nach § 20 StGB nicht in Betracht komme. Der Tatrichter hat sich insoweit dem Gutachten des Sachverständigen Dr. G. angeschlossen, wonach beim Angeklagten keine Hinweise auf einen akuten Schub festzustellen gewesen seien (UA S. 45); auf Seite 47 im zweiten Absatz von oben teilt das Urteil nochmals mit, ‚Hinweise auf einen akuten, zur Schuldunfähigkeit führenden Schub zum Zeitpunkt der Taten konnten vom Sachverständigen Dr. G. nicht festgestellt werden’. Die Revision weist in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hin, dass es nicht Aufgabe des Sachverständigen war, ohne Mitteilung der zugrunde liegenden Anknüpfungstatsachen eine solche Feststellung zu treffen; vielmehr wäre der Tatrichter gehalten gewesen, unter Würdigung des gesamten Beweisergebnisses und unter zu Hilfenahme der Sachkunde des Gutachters sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob der Beschwerdeführer die Taten während akuter Schübe beging. Dazu hätte es zunächst Darlegungen dazu bedurft, aufgrund welcher Kriterien ein akuter Schub abzulehnen oder zu bejahen ist. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme liegen Anzeichen dafür vor, dass die Taten während akuter Schübe (oder während eines lang dauernden Schubes) begangen wurden. Denn der Beschwerdeführer steigerte sich bis Oktober 2003 immer weiter in seine wahnhafte Vorstellung hinein, seine Ehefrau sei von seinem Vater schwanger geworden, er ließ seine Frau – auch bei medizinischen Untersuchungen – nicht mehr aus den Augen und wurde zunehmend aggressiver und gewalttätiger (UA S. 10). Auch das Verhalten des Angeklagten bei den Taten kann auf den schubartigen Ausbruch der Krankheit hindeuten, wie das im Falle II 3 festgestellte Herumlaufen ‚wie ein Huhn ohne Kopf’ (UA S. 13) und das dauernde Herumlaufen im Hof (UA S. 14).
Rz. 6
Bei akuten Schüben einer Schizophrenie ist in der Regel davon auszugehen, dass der Betroffene schuldunfähig ist (BGH MDR 1995, 1090; BGH Beschluss vom 16. Januar 2003 – 1 StR 531/02). Die Sache bedarf deshalb zur Klärung der Frage, ob bei dem Beschwerdeführer zu den Tatzeiten ein akuter Schub einer Schizophrenie vorlag, der nochmaligen Verhandlung.”
Rz. 7
Dem stimmt der Senat zu.
Rz. 8
Der neue Tatrichter wird zudem zu beachten haben, dass durch die Möglichkeit einer medizinischen Behandlung und durch die Überwachung der Medikamenteneinnahme durch die Angehörigen des Angeklagten seine Gefährlichkeit für die Allgemeinheit nicht beseitigt wird. Entsprechende Maßnahmen können erst für die Frage, ob eine Entscheidung der Unterbringungsanordnung zur Bewährung ausgesetzt werden kann, Bedeutung erlangen.
Rz. 9
Zu Recht weist der Generalbundesanwalt auch darauf hin, dass im Fall II.1 der Urteilsgründe die bisherigen Feststellungen die Annahme einer gefährlichen Körperverletzung nicht tragen und im Fall II.5 der Urteilsgründe es näherer Feststellungen zu den von der Strafkammer als sexuell motiviert bezeichneten Handlungen bedarf.
Unterschriften
Bode, Otten, Boetticher, Rothfuß, Roggenbuck
Fundstellen
Haufe-Index 2560345 |
NStZ-RR 2008, 163 |