Entscheidungsstichwort (Thema)
schwere räuberische Erpressung. Beihilfe zur schweren räuberischen Erpressung
Tenor
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dessau vom 28. Juli 1997, soweit es sie betrifft, in den Strafaussprüchen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehenden Revisionen werden verworfen.
Gründe
Das Landgericht hat die Angeklagten P., B., M. und G. wegen schwerer räuberischer Erpressung sowie den Angeklagten von Pa. wegen Beihilfe hierzu zu Freiheitsstrafen verurteilt; außerdem hat es die zur Tat verwendete „Salut-Doppelflinte” eingezogen. Mit ihren Revisionen beanstanden die Angeklagten die Verletzung materiellen Rechts. Die Revision des Angeklagten B. ist ungeachtet des unbeschränkten Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrags nach dem erkennbaren Willen des Beschwerdeführers – wirksam – auf den Strafausspruch beschränkt.
Die Rechtsmittel haben nur zu den Strafaussprüchen Erfolg; im übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Nach den Feststellungen bedrohte einer der Angeklagten die Angestellte der Spielothek bei dem Überfall mit einer – nicht scharfen – „Salut-Doppelflinte (Dekowaffe)”. Da das Opfer die Waffe für echt hielt, gab es das geforderte Bargeld heraus.
1. Der – gegen den Angeklagten B. ohnehin rechtskräftige – Schuldspruch läßt Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten nicht erkennen. Die Tat, zu der der Angeklagte von Pa. Beihilfe geleistet hat, erfüllt auch nach der – durch das am 1. April 1998 in Kraft getretene Sechste Gesetz zur Reform des Strafrechts (BGBl I S. 164) erfolgten – Änderung des § 250 StGB den Verbrechenstatbestand der schweren räuberischen Erpressung, da einer der Angeklagten bei dem Überfall absprachegemäß die „Dekowaffe” mit sich führte, um den Widerstand der Spielhallenaufsicht durch Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden (§ 250 Abs. 1 Nr. 1 b StGB n.F.).
2. Die verhängten Freiheitsstrafen von sechs Jahren (P.), fünf Jahren und sechs Monaten (M.), vier Jahren (B. und G.) sowie drei Jahren (von Pa.) können hingegen wegen der inzwischen erfolgten Änderung des § 250 StGB a.F. nicht bestehen bleiben.
Das Landgericht hat für alle Angeklagten das Vorliegen eines minder schweren Falles verneint und die Strafen dem – bei den Angeklagten B. und G. gemäß § 21 StGB, bei dem Angeklagten von Pa. gemäß § 27 Abs. 2 Satz 2 StGB, jeweils in Verbindung mit § 49 Abs. 1 StGB gemilderten – Strafrahmen des § 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB a.F. entnommen, der eine Mindeststrafe von fünf Jahren Freiheitsstrafe vorsah. Nach § 250 StGB n.F. beträgt jedoch für die hier einschlägige Tatbestandsalternative des § 250 Abs. 1 Nr. 1 b StGB n.F. die Mindeststrafe nur noch drei Jahre Freiheitsstrafe. Diese Bestimmung ist gegenüber § 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB a.F. das mildere Gesetz im Sinne des § 2 Abs. 3 StGB, dessen Rückwirkung nach § 354 a StPO auch vom Revisionsgericht zu berücksichtigen ist.
Zwar sieht § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB n.F. ebenfalls eine Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren vor, wenn der Täter bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet. Diese Voraussetzungen sind hier jedoch nicht gegeben. Aus dem klaren Wortlaut der Vorschrift („oder ein anderes gefährliches Werkzeug”) ergibt sich, daß es sich bei der „Waffe” und bei dem „gefährlichen Werkzeug” um objektiv gefährliche Gegenstände handeln muß. Der Gesetzgeber hat – wie die Gesetzesmaterialien zeigen – den in § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB n.F. verwendeten Begriff des „gefährlichen Werkzeugs” bewußt dem § 223 a StGB a.F. (nunmehr: § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB n.F.) entnommen, so daß zu seiner Auslegung auf die hierzu entwickelten Grundsätze zurückgegriffen werden kann (Deutscher Bundestag, Drs. 13/9064, Bericht des Rechtsausschusses zu dem Entwurf eines Sechsten Gesetzes zur Reform des Strafrechts [6. StrRG], S. 18). Hieraus folgt, daß es sich bei der „Waffe” wie auch bei dem „anderen gefährlichen Werkzeug” im Sinne des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB n.F. jeweils um Gegenstände handeln muß, die nach ihrer objektiven Beschaffenheit und nach der Art ihrer Benutzung im Einzelfall geeignet sind, erhebliche Körperverletzungen zuzufügen (vgl. Tröndle StGB 48. Aufl. § 223 a Rdn. 2 m.w.N.). Dies ist indessen bei einer nicht scharfen, vom Landgericht als Dekowaffe bezeichneten „Salut-Doppelflinte” nicht der Fall, soweit deren Benutzung im Einzelfall sich darin erschöpft, die Existenz einer scharfen Schußwaffe vorzutäuschen. Wird eine sogenannte Scheinwaffe oder ein sonstiges Werkzeug oder Mittel verwendet, ohne daß hierbei objektiv wenigstens Leibesgefahr begründet wird, so richtet sich die Strafbarkeit nach dem „Auffangtatbestand” des § 250 Abs. 1 Nr. 1 b StGB n.F. (vgl. BGH, Beschlüsse vom 23. April 1998 - 1 StR 180/98 [zur Veröffentlichung bestimmt] und vom 19. Mai 1998 - 4 StR 204/98; Deutscher Bundestag, Drs. 13/9064 a.a.O.; hierzu auch Kreß NJW 1998, 633, 643).
Der Senat kann nicht ausschließen, daß bei Zugrundelegung des Strafrahmens des § 250 Abs. 1 Nr. 1 b StGB n.F. die verhängten Freiheitsstrafen milder ausgefallen wären. Dies gilt auch für die Angeklagten B., G. und von Pa., weil die Strafrahmenuntergrenze des gemäß § 21 StGB bzw. § 27 Abs. 2 Satz 2 StGB i.V.mit § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmens der schweren räuberischen Erpressung statt zwei Jahre nunmehr sechs Monate beträgt. Das Landgericht hat bei der Anwendung des § 250 StGB a.F. ausdrücklich hervorgehoben, nach seiner Auffassung liege „ein ‚ganz normaler’ Fall eines bewaffneten Überfalls vor, auf den der vom Gesetzgeber gewollte Regelstrafrahmen des § 250 Abs. 1 StGB ‚paßt’.”
Die der Strafzumessung zugrundeliegenden Feststellungen sind von der Gesetzesänderung nicht berührt und können daher bestehen bleiben (BGH, Beschluß vom 19. Mai 1998 - 4 StR 204/98).
Die Einziehungsanordnung bleibt von der Aufhebung unberührt.
Unterschriften
Meyer-Goßner, Kuckein, Athing, Solin-Stojanovi[cacute], Ernemann
Fundstellen
Haufe-Index 539684 |
StV 1999, 92 |