Verfahrensgang
LG Bielefeld (Entscheidung vom 20.02.2023; Aktenzeichen 9 KLs 14/22) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 20. Februar 2023 im Strafausspruch aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung ‒ auch über die Kosten des Rechtsmittels ‒ an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hatte den Angeklagten im ersten Rechtsgang am 1. Oktober 2021 wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Auf die Revision des Angeklagten hatte der Senat das Urteil mit Beschluss vom 25. Mai 2022 (4 StR 36/22) mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Rz. 2
Nunmehr hat das Landgericht den Angeklagten mit Urteil vom 20. Februar 2023 erneut wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die hiergegen gerichtete und auf die ausgeführte Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat zum Strafausspruch Erfolg; im Übrigen ist das Rechtmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
Rz. 3
1. Der Schuldspruch und der Maßregelausspruch lassen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erkennen.
Rz. 4
2. Hingegen begegnet der Strafausspruch durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Insoweit hat der Generalbundesanwalt ausgeführt:
„Das Tatgericht hat in beiden Fällen bei der Bestimmung minder schwerer Fälle und bei der Strafzumessung im engeren Sinne durchgreifend rechtsfehlerhaft ohne Abstriche zulasten des Angeklagten gewertet, dass er Selbstjustiz übte. Dabei hat es nicht ‒ wie bereits vom Senat beanstandet (Beschluss vom 25. Mai 2022 ‒ 4 StR 36/22, Rn. 21) ‒ die auf seiner Erkrankung beruhenden Einschränkungen (§ 21 StGB) berücksichtigt. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Urteil auf diesem Rechtsfehler beruht (§ 337 Abs. 1 StPO).“
Rz. 5
Diesen Ausführungen tritt der Senat bei. Die Urteilsgründe lassen weder ausdrücklich noch in einer Gesamtschau erkennen, dass das Tatgericht bedacht hat, dass die Tatmotivation dem Angeklagten ‒ ebenso wie die Art der Tatausführung ‒ nur nach dem Maß seiner geminderten Schuld strafschärfend zur Last gelegt werden darf (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 16. Juli 2003 ‒ 1 StR 251/03 Rn. 7; siehe auch BGH, Beschluss vom 22. Februar 2023 ‒ 6 StR 35/23 Rn. 5; Beschluss vom 29. September 2022 ‒ 2 StR 173/22 Rn. 5; Beschluss vom 29. Juni 2000 ‒ 1 StR 223/00 Rn. 11; Urteil vom 17. November 1961 ‒ 4 StR 373/61, BGHSt 16, 360, 364).
Rz. 6
Dieser Rechtsfehler führt zur Aufhebung des gesamten Strafausspruchs. Da es sich um einen reinen Wertungsfehler handelt, können die Feststellungen aufrecht erhalten werden (vgl. § 353 Abs. 2 StPO).
Rz. 7
Das Urteil ist damit im Schuldspruch und im Ausspruch über die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) rechtskräftig. Bei dieser Sachlage ist für die vom Verteidiger angeregte Aufhebung des vorläufigen Unterbringungsbefehls kein Raum.
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Ri ‘ inBGH Dr. Momsen-Pflanz ist wegen Urlaubs an der Unterschriftsleistung gehindert. |
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Fundstellen
Haufe-Index 15862627 |
StV 2024, 103 |