Verfahrensgang

LG Hamburg (Urteil vom 17.03.2020; Aktenzeichen 6103 Js 162/19 627 KLs 18/19 jug. 2 Ss 56/20)

 

Tenor

Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 17. März 2020 aufgehoben, soweit von der Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

 

Gründe

Rz. 1

Das Landgericht hat die Angeklagten wegen bewaffneten bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, den Angeklagten H. zudem tateinheitlich wegen vorsätzlichen Verstoßes gegen das Waffengesetz schuldig gesprochen und den Angeklagten S. unter Einbeziehung von Strafen aus einem rechtskräftigen anderen Urteil zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und die Angeklagten E. und H. zu Freiheitsstrafen von zwei Jahren und neun Monaten bzw. zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt.

Rz. 2

1. Schuld- und Strafausspruch lassen einen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten nicht erkennen.

Rz. 3

2. Das angefochtene Urteil hat jedoch insoweit keinen Bestand, als die Strafkammer es versäumt hat, über eine Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB zu befinden.

Rz. 4

a) Nach den Feststellungen des Landgerichts konsumierten die Angeklagten seit frühester Jugend Betäubungsmittel und sind betäubungsmittelabhängig. Durch den Handel mit Betäubungsmitteln wollten sie auch ihren Drogenkonsum finanzieren.

Rz. 5

b) Danach hätte das Landgericht eine Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB in Betracht ziehen müssen; das Vorliegen ihrer Voraussetzungen drängte sich auf (vgl. BGH, Beschlüsse vom 2. Oktober 2019 – 3 StR 406/19; vom 3. Dezember 2019 – 4 StR 553/19 und vom 8. Januar 2020 – 4 StR 548/19). Nach den Urteilsgründen kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass die Angeklagten gefährlich im Sinne des § 64 Satz 1 StGB sind und eine Unterbringung die erforderliche Erfolgsaussicht gemäß § 64 Satz 2 StGB hätte.

Rz. 6

c) Die Frage der Anordnung der Maßregel nach § 64 StGB bedarf daher unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a Abs. 1 Satz 2 StPO) einer neuen tatrichterlichen Entscheidung. Dass nur die Angeklagten Revision eingelegt haben, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 2. Oktober 2019 – 3 StR 406/19 und vom 7. Januar 2009 – 3 StR 458/08, NStZ 2009, 261 f.; Urteil vom 10. April 1990 – 1 StR 9/90, MDR 1990, 735 f.). Die Beschwerdeführer haben die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht nicht von ihren Rechtsmittelangriffen ausgenommen.

 

Unterschriften

Cirener, Berger, Mosbacher, Resch, von Häfen

 

Fundstellen

Dokument-Index HI14174002

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