Entscheidungsstichwort (Thema)
Freigabe von Werklohnforderungen durch den Insolvenzverwalter. Erfüllungswirkung einer trotz Freigabe an den Insolvenzverwalter geleisteten Zahlung
Leitsatz (amtlich)
Erbringt der gutgläubige Drittschuldner in Unkenntnis der Freigabeerklärung des Insolvenzverwalters an diesen eine Leistung zur Erfüllung einer ggü. dem Schuldner bestehenden Verbindlichkeit, so kann in entsprechender Anwendung von § 82 InsO Befreiung eintreten.
Normenkette
InsO §§ 35, 82
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 11.05.2010; Aktenzeichen 11 S 23373/09) |
AG München (Entscheidung vom 29.09.2009; Aktenzeichen 155 C 2627/09) |
Tenor
Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe zur Durchführung der Revision gegen das Urteil der 11. Zivilkammer des LG München I vom 11.5.2010 wird abgelehnt.
Gründe
I.
Rz. 1
Über das Vermögen der Klägerin, einer Bauunternehmung, wurde das Insolvenzverfahren eröffnet, was den Beklagten als Schuldner einer Werklohnforderung mitgeteilt wurde. Im weiteren Verlauf gab der Insolvenzverwalter, jetzt Streithelfer der Klägerin, die Werklohnforderung frei. Die Beklagten entrichteten den Werklohnbetrag an den Streithelfer. Die Klägerin nimmt die Beklagten auf nochmalige Zahlung des Werklohns in Anspruch. Das AG hat der Klage stattgegeben. Das LG hat der Zahlung an den Insolvenzverwalter Erfüllungswirkung beigemessen, die Klage abgewiesen und die Revision zugelassen. Gegen dieses Urteil (veröffentlicht in NZI 2010, 821) beabsichtigt der Streithelfer der Klägerin Revision einzulegen und begehrt hierfür Prozesskostenhilfe.
II.
Rz. 2
Die beabsichtigte Rechtsverfolgung erscheint mutwillig und bietet überdies keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO).
Rz. 3
1. Einem Streithelfer kann auf der Grundlage von dessen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe nur dann bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung nicht mutwillig erscheint. Mutwilligkeit liegt vor, wenn der Streithelfer kein eigenes Interesse am Ausgang des Rechtsstreits hat, weil dann eine verständige Partei von einer Beteiligung absehen würde (vgl. BGH, Beschl. v. 17.1.1966 - VII ZR 125/65, NJW 1966, 597; v. 2.6.2010 - XII ZB 60/09, NJW-RR 2010, 1299 Rz. 8).
Rz. 4
Dies ist hier der Fall. Der Antragsteller ist in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter Streithelfer der Klägerin. Mit der von ihm beabsichtigten Revision will er geltend machen, dass die Beklagten durch die Zahlung in die Insolvenzmasse nicht von ihrer Verbindlichkeit ggü. der Klägerin freigeworden und folglich erneut an die Klägerin zahlen müssen. Sollte der Antragsteller mit dieser von ihm vertretenen Rechtsauffassung durchdringen, so hätte dies zur Folge, dass die Masse durch die Zahlung der Beklagten ungerechtfertigt bereichert wäre und insofern eine Masseverbindlichkeit bestünde (§ 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO). Für die Insolvenzmasse wäre ein Erfolg des vom Antragsteller vorgesehenen Rechtsmittels daher insofern nachteilig, als dies eine Masseverbindlichkeit nach sich ziehen würde. Bliebe das Berufungsurteil dagegen bestehen, so könnte die Masse die Zahlung der Beklagten behalten. Wegen der angezeigten Masseunzulänglichkeit würde ein Bereicherungsanspruch der Beklagten zwar wohl nicht aus der Masse befriedigt werden können, einen Vorteil für die Masse könnte ein erfolgreiches Rechtsmittel gleichwohl nicht bedeuten.
Rz. 5
2. Nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG und des BGH hat ein Rechtsschutzbegehren in aller Regel dann hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von der Beantwortung einer schwierigen, bislang ungeklärten Rechtsfrage abhängt. Prozesskostenhilfe muss hingegen nicht bewilligt werden, wenn die entscheidungserhebliche Rechtsfrage zwar noch nicht höchstrichterlich geklärt ist, ihre Beantwortung aber im Hinblick auf die einschlägige gesetzliche Regelung oder durch die in der Rechtsprechung gewährten Auslegungshilfen nicht in dem genannten Sinne als schwierig "erscheint" (vgl. BVerfG NJW 1991, 413, 414; BGH, Beschl. v. 10.12.1997 - IV ZR 238/97, NJW 1998, 1154; v. 11.9.2002 - VIII ZR 235/02, NJW-RR 2003, 130).
Rz. 6
Dieser Ausnahmefall ist vorliegend gegeben. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Leistung an den Insolvenzverwalter in Unkenntnis von der kurz zuvor erfolgten Freigabe der Forderung an den Insolvenzschuldner Erfüllungswirkung zukommt. § 82 InsO sieht eine entsprechende Regelung für den Fall vor, dass der gutgläubige Drittschuldner in Unkenntnis der Verfahrenseröffnung an den nicht mehr empfangsberechtigten Insolvenzschuldner eine Leistung erbringt. Für diese Fallgestaltung ordnet § 82 InsO ausdrücklich die Befreiungswirkung an. Der Senat hat bereits entschieden, dass im Falle der Aufhebung des Insolvenzverfahrens der Verkehrsschutz bei Leistungen an den nicht mehr empfangszuständigen Insolvenzverwalter oder Treuhänder durch entsprechende Anwendung des § 82 InsO sichergestellt werden kann (BGH, Beschl. v. 15.7.2010 - IX ZB 229/07, WM 2010, 1610 Rz. 8, zur Veröffentlichung bestimmt in BGHZ). Nichts anderes kann für die hier vorliegende Fallgestaltung einer Freigabe durch den Insolvenzverwalter gelten. Das Berufungsgericht hat mithin die Klage in zutreffender Beurteilung der vorliegenden Rechtsfrage für unbegründet angesehen. Die vom Antragsteller beabsichtigte Revision weist daher keine Erfolgsaussichten auf (§ 114 ZPO).
Fundstellen
Haufe-Index 2612816 |
BB 2011, 321 |
BB 2011, 467 |
DStR 2011, 630 |
NWB 2011, 424 |
EBE/BGH 2011 |
StuB 2011, 320 |
WuB 2011, 287 |
ZIP 2011, 234 |
DZWir 2011, 208 |
MDR 2011, 390 |
NZI 2011, 104 |
ZInsO 2011, 281 |
ZInsO 2011, 701 |
NJW-Spezial 2011, 343 |
ZVI 2011, 225 |