Entscheidungsstichwort (Thema)
unerlaubte Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
Tenor
Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 17. Juli 2001 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen „gemeinschaftlicher unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in jeweils nicht geringer Menge” zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.
I. Die Revision der Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg. Auf die erhobene Verfahrensrüge kommt es daher nicht an.
Die Beweiswürdigung des Landgerichts begegnet durchgreifenden Bedenken. Beruht – wie hier – die Überzeugung des Gerichts von der Täterschaft des Angeklagten allein auf der Aussage des einzigen Belastungszeugen, ohne daß weitere belastende Indizien vorliegen, so sind an die Überzeugungsbildung des Tatrichters strenge Anforderungen zu stellen. Die Urteilsgründe müssen erkennen lassen, daß der Tatrichter alle Umstände, die die Entscheidung beeinflussen können, in seine Überlegungen einbezogen hat. Insbesondere ist die Aussage des Zeugen einer besonders sorgfältigen Glaubwürdigkeitsprüfung zu unterziehen (vgl. BGHSt 44, 153, 158; 44, 256, 257 jeweils m.w.N.). Das gilt vor allem dann, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß der Zeuge seine Angaben im Laufe des Verfahrens wesentlich geändert hat.
Diesen Anforderungen hält die knappe Beweiswürdigung im angefochtenen Urteil nicht stand. Das Landgericht stützt seine Überzeugung von der Täterschaft der Angeklagten allein auf die Aussage des Zeugen A., der in der Hauptverhandlung angegeben hat, die ihm angelastete Kurierfahrt für die Angeklagte durchgeführt zu haben. Objektive Beweise für die Täterschaft der Angeklagten ergeben sich aus dem Urteil nicht. Im Rahmen der Überprüfung der Glaubwürdigkeit des Zeugen teilt das Landgericht allerdings mit, dieser habe „schließlich seine früheren Angaben berichtigt” und die Angeklagte belastet (UA S. 7). Als Begründung für die Aussageänderung läßt das Landgericht die vom Zeugen abgegebene Erklärung genügen, er habe die Angeklagte nur deshalb erst nach Monaten eigener Untersuchungshaft belastet, weil sie sich entgegen seiner Erwartung weder persönlich noch finanziell um ihn gekümmert habe. Eine Auseinandersetzung mit den früheren Angaben findet indes nicht statt. Das Landgericht schildert sie nicht einmal. Das war aber angesichts der dargestellten besonderen Beweissituation unerläßlich. Dieser Mangel stellt einen Rechtsfehler dar, der zur Aufhebung zwingt. Sollte der Zeuge, wie es der (allerdings möglicherweise nicht zulässigen) Verfahrensrüge zu entnehmen ist, bei seiner ersten Vernehmung eine andere Frau als Auftraggeberin beschuldigt haben, so könnte dieser Umstand Anlaß zu besonderer Vorsicht gegenüber der Aussage des Zeugen in der Hauptverhandlung geben und der ausdrücklichen Erörterung bedürfen.
Das Landgericht hätte sich auch damit auseinandersetzen müssen, daß der Zeuge als Tatbeteiligter in dem Bestreben, gemäß § 31 BtMG selbst eine Strafmilderung zu erlangen, unwahre Angaben gemacht haben könnte. Die Tatsache, daß er im Zeitpunkt seiner Aussage in der Hauptverhandlung gegen die Angeklagte bereits rechtskräftig verurteilt war, räumt die Möglichkeit, daß sein Aussageverhalten von dieser Motivation weiterhin beeinflußt war, nicht ohne weiteres aus (vgl. BGH StV 1992, 555). Das gilt insbesondere dann, wenn der Zeuge seine Aussage bereits im Verlauf seines eigenen Strafverfahrens geändert hat.
Auch die als Indiz für die Glaubwürdigkeit des Zeugen getroffene Bewertung, dieser habe sich mit seiner Aussage „ganz erheblich selbst belastet”, läßt die gebotene umfassende Würdigung vermissen. Das Landgericht hat sich nicht damit auseinandergesetzt, daß der Zeuge sich angesichts der Festnahmesituation beim Zoll – einziger Fahrzeuginsasse mit 15 kg Marihuana im Kofferraum – durch seine Aussage nicht wesentlich mehr belastet hat, die Belastung einer anderen Person als Auftraggeber ihm aber die Möglichkeit bot, seinen Tatbeitrag mindestens hinsichtlich des Vorwurfs des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln als bloße Beihilfe darzustellen, was ihn vor allem entlastet (vgl. BGHR BtMG § 29 Beweiswürdigung 5).
Darüber hinaus sind weitere für die Glaubwürdigkeit des Zeugen herangezogene Indizien nur unvollständig gewürdigt. Die Strafkammer nimmt die Tatsache, daß auf der sichergestellten Telefonrechnung des Mobiltelefons des Zeugen ein Gespräch mit einem Anschluß der Angeklagten verzeichnet ist, u.a. als Beleg dafür, daß der Zeuge Kontakt zur Angeklagten hatte. Dabei hat die Strafkammer allerdings nicht erkennbar bedacht, daß es sich um den Anschluß einer Wohnung der Angeklagten handelte, in der diese nicht selbst wohnte, so daß sie von dem Telefonat nicht notwendig Kenntnis haben mußte. Auch hätte das Landgericht die Tatsache, daß überhaupt nur dieser eine telefonische Kontakt festgestellt werden konnte, in seine Würdigung der vom Zeugen behaupteten mehrjährigen Bekanntschaft einbeziehen und gegebenenfalls Gründe dafür erörtern müssen.
Schließlich fehlen Feststellungen zu den näheren Umständen der vom Zeugen behaupteten Auftragserteilung – immerhin der zentralen Tathandlung der Angeklagten. Insoweit lassen die Urteilsgründe insbesondere Angaben zu Ort, Tageszeit sowie Art und Weise des Kontakts vermissen.
II. Die Urteilsformel gibt im übrigen Anlaß zu dem Hinweis, daß sich die Kennzeichnung der Tat im Tenor als gemeinschaftlich erübrigt (BGHSt 27, 287, 289).
Unterschriften
Tolksdorf, Miebach, Winkler, von Lienen, Becker
Fundstellen
Haufe-Index 706778 |
NStZ-RR 2002, 146 |
StV 2002, 470 |