Verfahrensgang
Thüringer OLG (Beschluss vom 22.10.1997) |
LG Erfurt (Urteil vom 10.09.1997) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Beschluß des 5. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts vom 22. Oktober 1997 aufgehoben, soweit der Antrag des Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen wurde.
Den Beklagten wird gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Berufung gegen das Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Erfurt vom 10. September 1997 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
Der Beklagte trägt die Kosten der Wiedereinsetzung einschließlich der Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Beschwerdewert: 52.133,33 DM
Tatbestand
I.
Das Landgericht hat den Beklagten verurteilt, an die klagende Bank 52.133,33 DM nebst Zinsen zu zahlen. Für diese Instanz war dem Beklagten zur Rechtsverteidigung Prozeßkostenhilfe bewilligt worden. Das landgerichtliche Urteil wurde der Prozeßbevollmächtigten des Beklagten am 15. September 1997 zugestellt.
Am 2. Oktober 1997 reichten die Prozeßbevollmächtigten des Beklagten beim Oberlandesgericht einen mit „Antrag auf Prozeßkostenhilfe, Berufung, Wiedereinsetzungsantrag” überschriebenen Schriftsatz ein. Sie beantragten für den Fall, daß über den Prozeßkostenhilfeantrag nicht innerhalb der Berufungsfrist entschieden werde, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen ließ der Beklagte vortragen, daß er von Sozialhilfe lebe. Mit Verfügung vom 6. Oktober 1997 wies das Oberlandesgericht die Prozeßbevollmächtigten des Beklagten darauf hin, daß entgegen der Angabe im Prozeßkostenhilfegesuch eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Beklagten nicht beigelegen habe. Daraufhin übermittelten die Prozeßbevollmächtigten des Beklagten das amtliche Formular und einen an die Ehefrau des Beklagten gerichteten Sozialhilfebescheid vom 24. September 1997, in dem auch der Beklagte als Sozialhilfeempfänger aufgeführt ist.
Mit Beschluß vom 22. Oktober 1997 hat das Oberlandesgericht dem Beklagten die Prozeßkostenhilfe verweigert, zugleich seinen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist zurückgewiesen und die Berufung des Beklagten als unzulässig verworfen. Dagegen hat der Beklagte am 18. November 1997 sofortige Beschwerde eingelegt.
Entscheidungsgründe
II.
Die nach §§ 238 Abs. 2, 519 b Abs. 2, 547 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist.
1. Das Berufungsgericht hat u.a. ausgeführt: Der Wiedereinsetzungsantrag sei unbegründet, weil der Beklagte bei Prüfung der Rechtslage damit habe rechnen müssen, daß der Antrag auf Gewährung von Prozeßkostenhilfe abschlägig beschieden werde (§ 233 ZPO). Die Berufung sei damit unzulässig. Der Antrag des Beklagten auf Prozeßkostenhilfe sei bis zum Ablauf der Berufungsfrist, dem 15. Oktober 1997, unvollständig geblieben. Die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse habe der Beklagte erst nach Anforderung – unvollständig – übergeben. Die zweite Seite des Formulars enthalte keinen Eintrag. Es könne daher dahingestellt bleiben, ob die fehlenden Einträge auf der ersten Seite unter Zuhilfenahme der Angaben im Sozialhilfebescheid, der zugunsten der Ehefrau des Beklagten ergangen sei, vervollständigt werden dürften Insoweit fehle die Versicherung des Beklagten, daß seine Angaben vollständig und wahr seien.
2. Diese Beurteilung hält in wesentlichen Punkten der Nachprüfung nicht stand.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, von der auch das Berufungsgericht ausgegangen ist, ist einer Partei nach Ablehnung eines Prozeßkostenhilfegesuchs Wiedereinsetzung gegen die Versäumung einer Rechtsmittelfrist gem. § 233 ZPO zu gewähren, wenn sie vernünftigerweise nicht mit der Verweigerung der Prozeßkostenhilfe wegen fehlender Bedürftigkeit rechnen mußte, sich also für arm halten und davon ausgehen durfte, daß sie die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung der Prozeßkostenhilfe genügend dargetan habe.
Nicht gefolgt werden kann dem Berufungsgericht in der Annahme, der Beklagte habe nach den gegebenen Umständen mit der Ablehnung seines Antrages auf Prozeßkostenhilfe wegen fehlender Bedürftigkeit, rechnen müssen. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts waren die zur Begründung des Prozeßkostenhilfegesuchs gemachten Angaben und eingereichten Unterlagen für den Beklagten nicht erkennbar unvollständig. Nachdem dem Beklagten in erster Instanz als Sozialhilfeempfänger am 18. Juni 1997 Prozeßkostenhilfe gewährt worden war, hat er mit Schriftsatz, vom 23. September 1997 die Erklärung gegenüber dem Oberlandesgericht abgeben lassen, daß er (weiterhin) von Sozialhilfe lebe. Er hat dann am 10. Oktober 1997 dem Oberlandesgericht eine Erklärung unter Verwendung des amtlichen Vordrucks abgegeben und einen Sozialhilfebescheid neuesten Datums beigefügt. Damit hatte der Beklagte alles getan, was er aus seiner Sicht für erforderlich halten mußte.
Zu Unrecht beanstandet das Berufungsgericht die unvollständige Ausfüllung insbesondere auf S. 2 des amtlichen Vordrucks. Die Rubriken E bis J brauchten vom Beklagten nicht ausgefüllt zu werden, wenn er – worauf nach Rubrik D hingewiesen wird – Empfänger von Sozialhilfe war und den letzten Bescheid des Sozialamts beifügte. Das war der Fall. Der vom Beklagten übermittelte Sozialhilfebescheid war erkennbar an die Ehefrau des Beklagten als Haushaltsvorstand gerichtet und enthielt auch die Regelungen über die dem Beklagten als Sozialhilfeempfänger zu gewährenden Leistungen. Der Beklagte hatte damit hinreichend deutlich gemacht, daß seine Verhältnisse als Sozialhilfeempfänger unverändert geblieben waren. Da das Landgericht bei der Gewährung der Prozeßkostenhilfe für die erste Instanz einen vom Beklagtem eingereichten ebenfalls an die Ehefrau gerichteten Sozialhilfebescheid als ausreichende Grundlage für die Gewährung von Prozeßkostenhilfe angesehen hatte, durfte der Beklagte aus seiner Sicht einen entsprechenden Hinweis des Oberlandesgerichts erwarten, falls dieses zu einer anderen Beurteilung kommen würde. Er hätte dann bis zum Ablauf der Berufungsfrist am 15. Oktober 1997 noch Gelegenheit gehabt, seinen Antrag zu ergänzen.
3. Da die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist gegeben sind, war sie zu gewähren. Die Verwerfung der Berufung verliert dadurch ihre tragende Begründung. Der Ausspruch über die Kosten beruht auf § 238 Abs. 4 ZPO.
Unterschriften
Schimansky, Dr. Schramm, Dr. Siol, Dr. Bungeroth, Nobbe
Fundstellen
Haufe-Index 1398952 |
VersR 1998, 1397 |