Entscheidungsstichwort (Thema)
Darlehensnehmereigenschaft. Auslegung von Darlehensverträgen
Leitsatz (redaktionell)
Für die Klärung der Frage, wer Darlehensnehmer ist, ist im Wege der Auslegung der Darlehensverträge in erster Linie der gewählte Wortlaut als der objektiv erklärte Parteiwille maßgebend.
Normenkette
ZPO § 543 Abs. 2 S. 1; VerbrKrG §§ 9, 6 Abs. 2
Verfahrensgang
Gründe
I. Die klagende Bank und der Beklagte streiten im Zusammenhang mit dessen Beteiligung an dem in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts betriebenen H. - ... fonds ... (im Folgenden: GbR) über Ansprüche aus einem Darlehensvertrag.
Die Klägerin verlangt von dem Beklagten in erster Linie Zahlung von rückständigen Darlehensraten und Zinsen, ferner die Feststellung des Bestehens wirksamer Darlehensverträge. Der Beklagte begehrt widerklagend die Rückzahlung geleisteter Darlehensraten Zug um Zug gegen Übertragung seiner Gesellschaftsbeteiligung sowie Feststellung, dass wirksame Darlehensverträge nicht bestehen. Die Klage hat in den Vorinstanzen keinen, die Widerklage hat Erfolg gehabt. Das Berufungsgericht hat zur Begründung ausgeführt, der Klägerin stünden gegen den Beklagten keine Ansprüche aus den Darlehensverträgen zu. Diese seien nicht wirksam zustande gekommen. Die der Treuhänderin erteilte Vollmacht verstoße gegen das Rechtsberatungsgesetz und sei auch nicht nach §§ 171 ff. BGB aus Rechtsscheinsgesichtspunkten wirksam. Eine wirksame Vollmacht sei auch nicht in dem vom Beklagten unterzeichneten Zeichnungsschein enthalten. Die Verträge seien zudem nach § 6 Abs. 1, § 4 VerbrKrG nichtig. Eine Heilung nach § 6 Abs. 2 VerbrKrG scheide aus, da es sich um verbundene Geschäfte handele. Außerdem sei die Klage auch unter dem vom Oberlandesgericht Karlsruhe mit Urteil vom 10. November 2005 vertretenen Ansatz unbegründet, nach welchem die GbR, nicht hingegen die Anleger Darlehensnehmer seien. Die Revision hat das Berufungsgericht nicht zugelassen.
II. Die hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin hat keinen Erfolg. Die Voraussetzungen einer Revisionszulassung liegen nicht vor, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts sowie die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordern (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
Die zu Recht von der Nichtzulassungsbeschwerde gerügten Ausführungen des Berufungsgerichts zur Frage, ob in dem vom Beklagten unterzeichneten Zeichnungsschein eine wirksame Vollmacht enthalten ist, sowie zur Frage der Heilung eines Formmangels nach § 6 Abs. 2 VerbrKrG und zum Vorliegen eines verbundenen Geschäfts im Sinne des § 9 VerbrKrG widersprechen zwar der Rechtsprechung des erkennenden Senats in den Urteilen vom 25. April 2006 (XI ZR 219/04, WM 2006, 1060 ff.; XI ZR 29/05, WM 2006, 1008 ff., für BGHZ vorgesehen). Dies ist aber nicht entscheidungserheblich, weil das Berufungsgericht den formularmäßigen Darlehensverträgen im Ergebnis zu Recht entnommen hat, dass sie von der Klägerin allein mit der GbR und nicht mit den einzelnen Anlegern abgeschlossen wurden.
Für die Klärung der Frage, wer Darlehensnehmer ist, ist im Wege der Auslegung der Darlehensverträge in erster Linie der gewählte Wortlaut als der objektiv erklärte Parteiwille maßgebend (st.Rspr.; vgl. nur BGHZ 121, 13, 16; BGH, Urteil vom 27. März 2001 - VI ZR 12/00, NJW 2001, 2535). Als "Darlehensnehmer" ist im Vertragsrubrum der Verträge jeweils die GbR genannt. Die Verträge wurden von der Treuhänderin auch ausdrücklich für die GbR unterzeichnet. Demgegenüber werden die einzelnen Anleger an keiner Stelle des Vertragstextes namentlich genannt.
Auch der weitere Vertragstext spricht dagegen, dass die Bezeichnung der GbR als "Darlehensnehmer" irrtümlich erfolgt ist und tatsächlich die einzelnen Anleger gemeint waren. Nach Nr. 1 der Darlehensverträge dienten die Darlehen nicht der Finanzierung der einzelnen Fondsbeteiligungen, sondern "zur Finanzierung der Herstellungs- und Anschaffungskosten", also des Fondsobjekts. Die einzelnen Darlehenssummen betrugen bei einem Gesamtvolumen von fast 51 Millionen DM zwischen 2.264.730 DM und 17.196.300 DM, ohne dass diese Beträge auf die zahlreichen einzelnen Anleger aufgeteilt waren. Nach Nr. 7 hat der "Darlehensnehmer" das Fondsobjekt während der Laufzeit des Darlehens zu versichern, was nur der GbR möglich ist.
Soweit einzelne Vertragsbestimmungen eher mit der Stellung der einzelnen Anleger als Darlehensnehmer in Einklang zu stehen scheinen, kommt dem keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Die in Nr. 2.1 dargestellte "Effektivzinsberechnung gem. Preisangabeverordnung", die wohl dem Formerfordernis des § 4 Abs. 1 Satz 4 VerbrKrG a.F. Rechnung tragen sollte, bezieht sich auf die gesamte Darlehenssumme von 17.196.300 DM und ist daher für den einzelnen Anleger nicht aussagekräftig. Die in Nr. 4 und 5 der Verträge geregelte Tilgung der Darlehen durch oder aufgrund von Leistungen der Anleger kann im Rahmen des Gesamtgeflechts des Anlagemodells auch als Erbringung der Einlage der Gesellschafter anzusehen sein. Die in Nr. 6 geregelte Besicherung führt mehrere Sicherheiten auf, die teils von der GbR und teils von den Anlegern zu leisten waren, so dass die Regelung für die Frage, wer Darlehensnehmer sein sollte, unergiebig ist. Entsprechendes gilt für die Auskunftspflicht nach Nr. 8, nach der der Darlehensnehmer alle von der Klägerin für erforderlich erachtete Unterlagen, wie Jahresabschlüsse, Gewinn- und Verlustrechnungen oder Einkommensteuerunterlagen, vorzulegen hatte.
Auch eine am Parteiinteresse ausgerichtete Auslegung der Darlehensverträge (vgl. nur BGH, Urteil vom 9. Juli 2001 - II ZR 228/99, WM 2001, 1525) führt nicht dazu, dass die einzelnen Anleger als Darlehensnehmer anzusehen sind. Der Senat hat bereits über die unterschiedlichsten Formen von Kapitalanlagemodellen zu entscheiden gehabt, denen teils Darlehen zur Finanzierung der einzelnen Fondsbeteiligungen, teils aber auch Objektfinanzierungsdarlehen zugrunde lagen. Die mit der Fondsbeteiligung verfolgten Ziele lassen sich für den Anleger auf beiden Wegen erreichen. Da beide Anlagemodelle auf dem Markt vertrieben werden, besteht keine Indizwirkung oder gar Vermutung für eine bestimmte Finanzierungsform. Vielmehr sind die konkreten vertraglichen Vereinbarungen in den Darlehensverträgen maßgebend. Die darin enthaltenen Unklarheiten und Ungereimtheiten gehen zu Lasten der Klägerin als Verfasserin der Darlehensverträge.
Fundstellen