Verfahrensgang
OLG München (Entscheidung vom 08.01.2024; Aktenzeichen 7 St 10/23) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 8. Januar 2024 (7 St 10/23) aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Gründe
Rz. 1
1. Das Oberlandesgericht hat den Beschwerdeführer am 28. Juli 2020 wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Das Urteil ist seit dem 5. April 2023 rechtskräftig. Zuvor hatte sich der - inzwischen augenscheinlich im Ausland lebende - Verurteilte in dem Verfahren vom 15. April 2015 bis zum 16. Mai 2019 in Untersuchungshaft befunden. Sowohl der Generalbundesanwalt als auch das Oberlandesgericht haben ihn vergeblich um Mitteilung gebeten, ob er einer Strafaussetzung zur Bewährung zustimme. Das Oberlandesgericht hat es durch den angefochtenen Beschluss abgelehnt, die Vollstreckung des Strafrestes zur Bewährung auszusetzen, und dies mit der fehlenden Einwilligung des Verurteilten begründet. Dieser hat durch seinen Verteidiger dagegen sofortige Beschwerde eingelegt und zur Begründung ausgeführt, dass die Einwilligung zur Aussetzung des Strafrestes ausdrücklich erklärt werde.
Rz. 2
2. Die zulässige sofortige Beschwerde des Verurteilten ist begründet und führt zur Zurückweisung der Sache an das Oberlandesgericht.
Rz. 3
a) Der Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung steht nicht mehr entgegen, dass eine nach § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB erforderliche Einwilligung des Verurteilten fehlt; denn eine solche kann auch im Beschwerdeverfahren noch erklärt werden (s. OLG Hamm, Beschluss vom 15. November 2001 - 2 Ws 270/01, Rpfleger 2002, 170 f.; OLG Celle, Beschluss vom 23. Juni 2017 - 1 Ws 69/17, Nds. Rpfl. 2017, 312, 313; LK/Hubrach, StGB, 13. Aufl., § 57 Rn. 22a; KK-StPO/Appl, 9. Aufl., § 454 Rn. 9; jeweils mwN). Hierfür genügt unter den konkreten Umständen die für den Verurteilten durch den Verteidiger abgegebene Erklärung. Zwar ist eine Stellvertretung wegen des höchstpersönlichen Charakters ausgeschlossen. Die Übermittlung durch einen Erklärungsboten ist aber zulässig (s. BGH, Beschluss vom 8. Dezember 2016 - 2 ARs 5/16, StV 2018, 354 Rn. 25; vgl. auch OLG Hamm, Beschluss vom 5. Dezember 2000 - 1 Ws 373/00, NJW 2001, 1150; MüKoStGB/Groß/Kett-Straub, 4. Aufl., § 57 Rn. 13). Entsprechend ist hier die vom Verteidiger mitgeteilte Einwilligung zu verstehen.
Rz. 4
b) Die Sache ist dem Oberlandesgericht zurückzugeben, weil es - nach dem Verfahrensstand zum Zeitpunkt seiner Entscheidung zurecht - eine weitere Sachprüfung bislang nicht vorgenommen und insbesondere weder den Verurteilten persönlich gemäß § 454 Abs. 1 Satz 3 StPO angehört noch sich mit einer Einholung eines Sachverständigengutachtens nach § 454 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO befasst hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 5. Mai 1995 - StB 15/95, BGHR StPO § 454 Anhörung 1; vom 4. Oktober 2011 - StB 14/11, BGHR StPO § 454 Gutachten 4; OLG Celle, Beschluss vom 23. Juni 2017 - 1 Ws 69/17, Nds. Rpfl. 2017, 312, 313; LK/Hubrach, StGB, 13. Aufl., § 57 Rn. 90; KK-StPO/Appl, 9. Aufl., § 454 Rn. 10). Daher ist ausnahmsweise nicht das Beschwerdegericht (§ 309 Abs. 2 StPO), sondern das Erstgericht zu einer Entscheidung in der Sache berufen (s. auch MüKoStPO/Neuheuser, 2. Aufl., § 309 Rn. 36).
Schäfer Hohoff Anstötz
Fundstellen
Dokument-Index HI16249998 |