Leitsatz (amtlich)
Strafrechtliche Verantwortlichkeit für eine im Jahre 1944 während der Besetzung Italiens durchgeführte Massenerschießung italienischer Gefangener als Vergeltungsmaßnahme nach einem gegen deutsche Soldaten gerichteten Partisanenangriff.
Normenkette
StPO § 211
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 5. Juli 2002 nach § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben.
2. Das Verfahren wird nach § 206a StPO eingestellt.
3. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last.
Tatbestand
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen (tateinheitlich begangenen) Mordes (an 59 Menschen) zu sieben Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Die Revision des Angeklagten führt mit der Sachrüge zur Aufhebung des Urteils und zur Einstellung des Verfahrens. Zum selben Ergebnis führt gemäß § 301 StPO die zum Nachteil des Angeklagten eingelegte, auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft.
I.
Im angefochtenen Urteil ist folgendes festgestellt:
1. Der im Jahre 1909 geborene Angeklagte wurde als SS-Sturmbannführer Ende 1943 in das von der deutschen Wehrmacht besetzte Italien abkommandiert. Anfang 1944 übernahm er die Leitung eines Außenkommandos der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes der SS in Genua. Die Sicherheitspolizei war u.a. zuständig für sogenannte „Sühnemaßnahmen” nach gewaltsamen Aktionen von Partisanen, welche die deutschen Besatzer als Sabotagehandlungen und Attentate bewerteten.
Im April 1944 nahm der Angeklagte in Florenz an einer Besprechung der Leiter der Außenkommandos der Sicherheitsdienste teil, die derartige als erforderlich und zulässig angesehene Vergeltungsmaßnahmen nach Angriffen italienischer Partisanen gegen Angehörige der deutschen Besatzungstruppen zum Gegenstand hatte. Der Befehlshaber der deutschen Sicherheitsdienste in Italien Dr. H gab hierfür den Grundsatz bekannt, für jeden getöteten Deutschen seien zehn Italiener zu erschießen. Eine solche „Repressalquote” – die den (Mindest-)Vorstellungen Adolf Hitlers entsprach – bezeichnete der Jurist Dr. H als im Einklang mit dem Kriegsvölkerrecht stehend.
2. Am 15. Mai 1944 kam es zu einem Bombenanschlag italienischer Partisanen auf ein gut besuchtes deutsches Soldatenkino in Genua. Fünf oder sechs deutsche Soldaten wurden getötet, weitere 15 Besucher verletzt. Entsprechend dem genannten Grundsatz erteilte der unmittelbare Vorgesetzte des Angeklagten, der das übergeordnete Außenkommando der Sicherheitsdienste in Mailand leitende SS-Obersturmbannführer R, diesem den Befehl, für jeden getöteten Deutschen die zehnfache Anzahl Italiener erschießen zu lassen. Die Auswahl der Opfer und die Art der Durchführung der „Sühnemaßnahme” blieb dem Angeklagten überlassen.
Die Erfolgsaussicht für eine Ermittlung der Attentäter wurde als gering erachtet; der Angeklagte beschränkte sich auf die Auslobung einer Belohnung. Als Opfer der vorgesehenen „Sühnemaßnahme” wurden auf seine Veranlassung 60 männliche Gefangene des seinem Außenkommando unterstellten Marassi-Gefängnisses – darunter jedenfalls 17 seit April 1944 inhaftierte Partisanen – ausgewählt. Als Ort für deren Erschießung sah der Angeklagte einen 25 km von Genua entfernten Platz oberhalb des Turchino-Passes vor, der zwar gut erreichbar, aber so abgelegen war, daß eine Störung durch die Bevölkerung nicht zu erwarten war. Jüdische Häftlinge hoben dort am 17. Mai 1944 unter Aufsicht von Marineangehörigen eine Grube aus. Da die Opfer des Attentats überwiegend aus der Marine stammten, wurde das sachlich und personell für die Aktion unzureichend ausgestattete Außenkommando der Sicherheitsdienste dabei durch teils freiwillige, teils abkommandierte Angehörige der Marine unterstützt, welche auch die Soldaten für die Erschießungskommandos und für die Bewachung der Opfer auf der Paßhöhe stellte.
3. In den frühen Morgenstunden des 19. Mai 1944 wurden die ausgewählten Gefangenen – 59 Männer (einer der ursprünglich Vorgesehenen, der Zeuge Ri, blieb aus ungeklärten Gründen verschont) – unter dem Vorwand, sie sollten verlegt werden, ihre persönlichen Sachen würden ihnen später wieder ausgehändigt, mit Fahrzeugen in etwa einstündiger Fahrt auf die Paßhöhe transportiert. Von dort wurden sie unter Bewachung auf einem 500 bis 600 Meter langen ansteigenden schmalen Weg zu der ausgehobenen Grube geführt. An deren Rand wurden sie in Gruppen von mindestens vier, höchstens acht Gefangenen von zwei Kommandos, die sich abwechselten, erschossen. Die Opfer stürzten in die Grube; wer noch Lebenszeichen von sich gab, erhielt mit einer Pistole den „Gnadenschuß”. Ein Arzt war nicht zugegen. Ebenso stand den Gefangenen kein geistlicher Beistand zur Seite. Deren Ahnung über ihr Schicksal wurde spätestens zur Gewißheit, als sie beim Anmarsch die Gewehrsalven auf die vorangegangenen Opfer anhören mußten. Unmittelbar vor ihrer Tötung blickten sie noch auf die in der Grube liegenden Leichen der vor ihnen Erschossenen.
Der Angeklagte, der schon frühmorgens vor den Gefangenen am Tatort eingetroffen war, beobachtete das Geschehen aus einer Entfernung von höchstens 15 Metern, bis der letzte Gefangene erschossen war. Er war von der Haltung und Fassung der Opfer beeindruckt. Seinem Vorgesetzten meldete er den Vollzug der Maßnahme. Am Folgetag ließ er eine Mitteilung über die „Sühnemaßnahme” in einer Genueser Tageszeitung veröffentlichen.
4. Die Leichen der Opfer wurden erst nach Kriegsende, im Juni 1945, exhumiert. 47 Tote konnten identifiziert und in ihren Heimatgemeinden bestattet werden.
5. Der Angeklagte war im Januar 1945 zum SS-Obersturmbannführer befördert worden. Im April 1945 war er in amerikanische Kriegsgefangenschaft geraten, wo er falsche Personalien angab. Nach etwa einem Jahr gelang ihm die Flucht.
Später übersiedelte er nach Hamburg, wo er noch heute lebt. Bis 1954 gebrauchte er – offenbar aus Furcht, sich für Kriegsverbrechen verantworten zu müssen – falsche Personalien. Zu seiner Tätigkeit in Italien wurde er lediglich zeugenschaftlich vernommen. Ein auf eine Anzeige eingeleitetes Ermittlungsverfahren wurde im Jahre 1969 alsbald mangels Tatverdachts eingestellt.
In Italien hatte es schon frühzeitig Hinweise auf den Angeklagten und seine Verantwortlichkeit als Leiter des Genueser SD-Außenkommandos gegeben, und zwar in einem Strafverfahren gegen den italienischen Dolmetscher N, der bereits im November 1945 als Kollaborateur der deutschen Besatzungstruppen neben anderen Taten auch wegen Beteiligung an den Erschießungen am Turchino-Paß zum Tode (später in Freiheitsstrafe umgewandelt) verurteilt worden war. Aus ungeklärten Gründen wurden die Ermittlungen gegen den Angeklagten nicht fortgesetzt, sondern erst im Jahre 1995 wiederaufgenommen. Am 15. November 1999 wurde der Angeklagte vom Militärgericht in Turin wegen der hier abgeurteilten Tat und des Vorwurfs dreier weiterer kriegsverbrecherischer Morde in Abwesenheit zu lebenslanger Zuchthausstrafe verurteilt. Im Frühjahr 2000 wurde nach Eingang von Unterlagen aus dem in Italien geführten Verfahren in Hamburg ein Ermittlungsverfahren gegen den Angeklagten eingeleitet.
Entscheidungsgründe
II.
Verfahrenshindernisse im Blick auf die Verurteilung des Angeklagten in Italien liegen nicht vor.
1. Die im angefochtenen Urteil niedergelegte Auffassung, das in Art. 54 des Schengener Durchführungsübereinkommens – SDÜ – (entsprechend Art. 1 EG-ne bis in idem-Übk) normierte Doppelbestrafungsverbot hindere die Verurteilung des Angeklagten nicht, erweist sich für die derzeitige Rechtslage als zutreffend. Das italienische Abwesenheitsurteil ist nicht vollstreckt (Art. 54 SDÜ, erste Variante). Jedenfalls mangels – bislang nach deutschem Recht ausgeschlossener – Auslieferungsbewilligung oder deutscher Bewilligung der Rechtshilfe zur Vollstreckung des italienischen Urteils fehlt es auch an einem Vollstreckungsbeginn (Art. 54 SDÜ, zweite Variante). Der Senat hat darüber hinaus mit Hilfe des Bundesministeriums der Justiz und unter Einschaltung von Eurojust ermittelt, ob etwa nach italienischem Recht ein Vollstreckungshindernis vorliegt (Art. 54 SDÜ, dritte Variante). Dies ist nicht der Fall; vielmehr hat Italien die Ausschreibung des Angeklagten im Schengener Informationssystem – SIS – zur Festnahme zwecks seiner Auslieferung nach Italien zur Strafvollstreckung veranlaßt.
2. Der Senat hat ferner erwogen, ob angesichts des Rahmenbeschlusses des Rates der Europäischen Union vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (ABl. L 190/1 vom 18.7.2002) – RBEuHb –, der mit Wirkung vom 1. Januar 2004 eine Ablösung der zwischen den Mitgliedstaaten bestehenden Auslieferungsübereinkommen vorsieht (Art. 31), und angesichts der unmittelbar bevorstehenden innerstaatlichen Umsetzung des Rahmenbeschlusses in einem Europäischen Haftbefehlsgesetz (EuHbG; vgl. BRDrucks. 547/03) Anlaß bestehen könnte, mit dem Verfahren bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes innezuhalten. Der Senat sieht davon ab, da eine unmittelbar bevorstehende relevante Änderung der Verfahrensrechtslage, die ein sofortiges Verfahrenshindernis aus dem Doppelbestrafungsverbot zur Folge hätte, aus mehrerlei Gründen nicht zu erwarten ist.
a) Zwar steht durch die Konkretisierung des Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG im EuHbG eine Lockerung des bisherigen strikten Verbots der Auslieferung deutscher Staatsangehöriger, soweit es die Auslieferung in Mitgliedstaaten der Europäischen Union betrifft, zu erwarten. Indes ist eine Auslieferung zur Strafvollstreckung ohne Zustimmung des verurteilten Deutschen nicht vorgesehen. Allerdings liegt es nahe, daß mit innerstaatlicher Umsetzung der Regelungen über den Europäischen Haftbefehl, wenn eine Auslieferung zur Strafvollstreckung gleichwohl ohne Zustimmung ausgeschlossen ist, regelmäßig stattdessen Rechtshilfe durch Vollstreckung der entsprechenden ausländischen Strafurteile – nach §§ 48 ff. IRG oder aufgrund spezieller Rechtsgrundlagen – zu leisten sein wird, damit die Rechtshilfepraxis den Intentionen des Rahmenbeschlusses nicht zuwiderläuft (vgl. Art. 4 Nr. 6 RBEuHb; BRDrucks. 547/03 S. 32). Ob etwa dann nach neuer Rechtslage im Bestehen einer Verpflichtung zu derartiger Rechtshilfe bereits ein Beginn der Vollstreckung im Sinne der zweiten Variante des Art. 54 SDÜ mit der Folge eines innerdeutschen Verfahrenshindernisses zu sehen ist oder ob es hierfür etwa über die internationale Ausschreibung des im Ausland verurteilten Deutschen hinaus – trotz Art. 9 Abs. 3 Satz 2 RBEuHb – eines wiederholten speziellen Rechtshilfeersuchens und insbesondere – was naheliegt – einer innerstaatlichen Rechtshilfebewilligung bedarf, ist zweifelhaft; es erscheint nicht ausgeschlossen, daß die Frage gegebenenfalls sogar nach § 1 EuGHG i. V. m. Art. 35 EUV dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften vorgelegt werden müßte (vgl. BGHSt 47, 326, 333 f.; Plöckinger/Leidenmühler wistra 2003, 81, 82).
b) Darüber hinaus können sich im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten hier relevanter Neuregelungen für die Vollstreckbarkeit ausländischer Strafurteile gegen Deutsche unter Umständen – selbst wenn dies bei einer prozessualen Neuregelung nicht unbedingt naheliegt (a. A. ohne nähere Begründung v. Münch, Geschichte vor Gericht: Der Fall Engel, 2004, S. 11 f.) – Rückwirkungsprobleme für deren Anwendbarkeit auf Altfälle ergeben.
c) Erheblich größere Probleme dürften aber ferner aus der Besonderheit des gegen den Angeklagten in Italien durchgeführten Abwesenheitsverfahrens erwachsen (vgl. Art. 5 Nr. 1 RBEuHb sowie den in Art. 1 Nr. 1 des Entwurfes zum EuHbG vorgesehenen § 83 Nr. 3 IRG; s. auch Kap. III Art. 3 des 2. ZP-EuAlÜbk, dazu Lagodny in Schomburg/Lagodny, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen 3. Aufl. § 73 IRG Rdn. 70 ff.). Dies gilt zumal aufgrund vorsorglicher erster Ermittlungen des Senats mit Hilfe von Eurojust. Danach könnte der Angeklagte bei der Unterrichtung über den Verfahrensgegenstand des gegen ihn beim Militärgericht in Turin durchgeführten Strafverfahrens unzulänglich informiert worden sein. Es gibt Anzeichen, daß ihm gerade der Vorwurf derjenigen Straftat nicht benannt worden ist, der Gegenstand des vorliegenden Strafverfahrens ist.
d) Unter Berücksichtigung all dieser rechtlichen und tatsächlichen Probleme sieht der Senat keinen Anlaß, mit der Förderung des vorliegenden Verfahrens innezuhalten, bis die alsbald in Aussicht stehende neue Auslieferungs- und Rechtshilferechtslage in Kraft tritt, da auch hierdurch ein Hindernis zur Fortführung des Verfahrens, wie es nach derzeitiger Rechtslage nicht besteht, nicht zu erwarten ist.
Der Senat sieht nach den hierüber eingeholten Erkenntnissen indes Anlaß zu dem Hinweis, daß Rechtshilfe bei der Vollstreckung des gegen den Angeklagten in Italien ergangenen Urteils insoweit durchsetzbar sein könnte, als dieses Urteil andere Tatvorwürfe betrifft, über die der Angeklagte rechtzeitig unterrichtet worden war. Dem stünde, soweit ersichtlich, die hiesige Entscheidung, die einen weiteren Tatvorwurf betrifft, nicht entgegen.
III.
Der gegen den Angeklagten verhängte Schuldspruch wegen grausamen Mordes begegnet einem durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten, da die Feststellungen des Schwurgerichts die subjektiven Voraussetzungen des angenommenen Mordmerkmals nicht ausreichend belegen.
1. Allerdings ist das Urteil des Schwurgerichts insoweit rechtsfehlerfrei, als der Angeklagte als täterschaftlich verantwortlich für die rechtswidrige und schuldhafte Tötung von 59 Menschen angesehen worden ist.
a) Mit rechtsfehlerfreier Beweiswürdigung hat sich das Schwurgericht von dem gesamten Tathergang überzeugt. Gleiches gilt hinsichtlich der Verantwortlichkeit des Angeklagten als Befehlshaber des an den Gefangenen verübten Massakers. Seine Einlassung, die Durchführung der „Sühnemaßnahme” sei der Marine übertragen worden, ist rechtsfehlerfrei widerlegt worden. Konsequent hat das Schwurgericht den Angeklagten, der die Durchführung organisierte und beherrschte, aber keine Befehlsgewalt über die Marineeinheiten hatte, welche die Erschießungskommandos stellten, als Mittäter für verantwortlich gehalten.
b) Der Angeklagte handelte nach den tatgerichtlichen Feststellungen auch rechtswidrig und schuldhaft.
aa) Allerdings hat das Schwurgericht dem Angeklagten geglaubt, daß ihm die Tötung von 60 Italienern als „Sühnemaßnahme” befohlen worden war. Es hat ferner ausgeführt, daß eine derartige Vergeltungsaktion zur Tatzeit unter Berücksichtigung von Kriegsvölkerrecht als gewohnheitsrechtlich erlaubt angesehen worden sei (UA S. 61 f.), und zwar – entsprechend der dem Angeklagten unwiderlegt von zuständiger vorgesetzter Stelle erteilten Belehrung – selbst mit einer „Repressalquote” von zehn zu eins. Dieser Befund des Schwurgerichts ist für sich jedenfalls aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden (vgl. BGH, Urteil vom 28. April 1955 – 3 StR 603/54; Schreiber, Deutsche Kriegsverbrechen in Italien: Täter – Opfer – Strafverfolgung, 1996, S. 105; Artzt/Penner, Geisel- und Partisanentötungen im zweiten Weltkrieg – Hinweise zur rechtlichen Beurteilung –, herausgegeben von der Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen in Ludwigsburg, 1968, S. 30 ff., 57 f.; v. Münch aaO S. 50 ff.).
Diese damalige Beurteilung ist allerdings mit der Bedeutung des Menschenrechts auf Leben schlechthin unvereinbar. Das Tatgeschehen umfaßte die Erschießung einer Vielzahl wehrloser, an dem mit der „Vergeltungsaktion” zu ahndenden Geschehen individuell nicht unmittelbar beteiligter Personen. Es wurde dabei auch nicht näher darauf Bedacht genommen, ob und inwiefern die Opfer etwa sonst in Schuld verstrickt waren; jedenfalls gab es hierfür keine wie auch immer geartete Aburteilung. Die Tat ist daher nach geläuterter Auffassung als derart menschenverachtend einzustufen, daß sie nur als rechtswidrig zu werten ist (vgl. auch BGHSt 2, 333, 334 f.). Es bedarf daher nicht einmal der Vertiefung, ob eine Rechtmäßigkeit von Reaktionen der deutschen Wehrmacht gegen italienische Partisanen wegen der Rechtswidrigkeit der deutschen Besetzung Italiens vor dem Hintergrund der deutschen Kriegsschuld am Zweiten Weltkrieg nicht grundlegend in Frage zu stellen ist.
bb) Die Feststellung, daß dem Angeklagten die in die Tat umgesetzte „Repressalmaßnahme” von den zuständigen militärischen Vorgesetzten befohlen worden ist, beseitigt nicht seine Schuld. Der Senat schließt – ungeachtet abweichender Tatzeitauffassung und selbst vor dem weiteren Hintergrund des damaligen aktuellen, mit mannigfaltigen Schrecknissen einhergehenden Kriegsgeschehens – aus, daß dem Angeklagten eine Entschuldigung nach § 47 des zur Tatzeit geltenden Militärstrafgesetzbuches (MStGB) – das auch für ihn galt (UA S. 55) – zuzubilligen wäre. Es mag im Blick auf die Tatzeitsicht problematisch sein, über die Beurteilung des Schwurgerichts in dem angefochtenen Urteil hinausgehend den Befehl der „Repressalie” als solchen, deren äußerste numerische Grenzen nach den tatgerichtlichen Feststellungen (insoweit im Gegensatz zu den Feststellungen des italienischen Urteils gegen den Angeklagten) nicht überschritten wurden, bereits als verbrecherisch im Sinne des § 47 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 MStGB zu bewerten. Jedenfalls wäre es angesichts der grauenvollen Begleitumstände des vom Angeklagten zu verantwortenden Massakers abwegig, den Befehl zu einem derartigen Verhalten anders als offensichtlich verbrecherisch zu bewerten.
Dies gilt angesichts der Greuel des Tatgeschehens selbst unter den im Urteil zugrundegelegten, durchweg zumindest nicht ausgeschlossenen Voraussetzungen (UA S. 61 ff.; vgl. dazu ferner Artzt in: Rückerl – Hrsg. –, NS-Prozesse, 1971, S. 163, 172), daß die von hoher Instanz angeordnete „Sühnemaßnahme” zu dem als kriegsverbrecherisch gewerteten Anlaß in einem engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang stand, eine effektive zeitnahe Täterermittlung nicht zu erwarten war, die getöteten Gefangenen sämtlich ihrerseits der Partisanentätigkeit verdächtig waren (vgl. namentlich hierzu Artzt/Penner aaO S. 82) und eine öffentliche Bekanntgabe der „Repressalie” aus Abschreckungsgründen vorgesehen war. Angesichts der vom Landgericht im angegebenen Zusammenhang erörterten „Humanitätsschranke” (vgl. Artzt/Penner aaO S. 25 f.) hätte auch unter Berücksichtigung der Sittenverrohung während des Krieges auf eine derart qualvolle Vergeltungsaktion gegen für den Sprengstoffanschlag nicht unmittelbar verantwortliche Opfer gänzlich verzichtet werden müssen.
Erforderlich ist allerdings, daß der Angeklagte den offensichtlich verbrecherischen Charakter des ihm erteilten Befehls auch positiv erkannte (vgl. BGHSt 22, 223, 225; hierzu auch Ducklau, Die Befehlsverweigerung bei NS-Tötungsverbrechen, Diss. Freiburg 1976 S. 128 f.). Hieran kann indes – zumal angesichts der Herkunft des Angeklagten und seines Bildungsgrades – kein Zweifel bestehen. Auch im vorliegenden Zusammenhang ist kein Raum, systemimmanent indoktrinierten Tätern eine Exkulpation aus subjektiven Gründen zu gewähren (vgl. in anderem Zusammenhang BGHSt 41, 247, 276; 41, 317, 340).
2. Das Schwurgericht hat auch die objektiven Voraussetzungen des Mordmerkmals der Grausamkeit angesichts der rechtsfehlerfrei festgestellten offensichtlich hochgradig entwürdigenden und quälenden Begleitumstände des Massakers, namentlich der damit verbundenen massiven, noch über eine „herkömmliche” Hinrichtungsaktion hinausgehenden seelischen Qualen der Opfer zutreffend bejaht (vgl. nur Jähnke in LK 11. Aufl. § 211 Rdn. 54 mit Rechtsprechungsnachweisen). Dies wird nicht etwa durch den im Urteil (UA S. 57) näher belegten Umstand in Frage gestellt, daß die Möglichkeit einer noch grausameren Tatausführung konkret denkbar gewesen wäre. Auch vor dem Hintergrund der aktuellen Schrecken des Zweiten Weltkrieges besteht insoweit kein Anlaß zu abweichender Bewertung (a. A. v. Münch aaO S. 80 ff.). Die Hinrichtung der Opfer erfolgte namentlich angesichts der Erschießungen an der offenen Grube unter Umständen, die dem verbrecherischen Vorgehen in den Konzentrationslagern der Naziherrschaft in ihrem Erscheinungsbild nahekommen (zweifelhaft daher v. Münch aaO S. 31 ff.).
3. Indes sind die subjektiven Voraussetzungen des Mordmerkmals der Grausamkeit (vgl. dazu Tröndle/Fischer, StGB 51. Aufl. § 211 Rdn. 23a m.w.N.) nicht rechtsfehlerfrei belegt.
a) Das Schwurgericht hat im Zusammenhang hiermit zum Beleg der für das Mordmerkmal der Grausamkeit zutreffend subjektiv verlangten gefühllosen unbarmherzigen Gesinnung ausgeführt: „Dabei hätten die Opfer unter weniger qualvollen Umständen, ohne daß hier Alternativen aufgezeigt werden müssen, auf eine nicht als grausam anzusehende Art und Weise getötet werden können” (UA S. 58 f.). Ferner hat es im Rahmen der Begründung befehlswidriger Mißachtung einer möglichen Einhaltung der „Humanitätsschranke” ebenfalls ohne konkrete Bezeichnung von Handlungsalternativen angemerkt, es hätte für den Angeklagten Möglichkeiten gegeben, den ihm erteilten Befehl „so auszuführen, daß eine grausame Tötung der Opfer vermieden wurde” (UA S. 64). Diese Erwägungen sind für die Frage, ob sich der Angeklagte wegen Mordes strafbar gemacht hat, relevant, erweisen sich indes als zweifelhaft und unbelegt.
Zum einen sind an die subjektiven Voraussetzungen des Mordmerkmals der Grausamkeit höhere Anforderungen zu stellen als an den bloßen Beleg des Bewußtseins vom verbrecherischen Charakter des erteilten Befehls im Rahmen der Schuldfrage; bei dieser ist das subjektive Element stärker an normativen Mindestanforderungen orientiert (oben 1 b bb a. E.). Zum anderen sind folgende tatsächliche Gegebenheiten bedeutsam: Das Schwurgericht hat festgestellt, daß das Ziel der Aktion den Opfern zunächst tunlichst verheimlicht werden sollte. Es hat nicht feststellen können, daß der Angeklagte sich etwa gar an den besonderen Leiden der Opfer – deren Haltung ihn sogar beeindruckte – erfreut hätte. Die Leiden der Opfer entgingen ihm zwar nicht, es kam ihm jedoch nicht hierauf an, er ließ sich dadurch lediglich nicht davon abhalten, den ihm erteilten erbarmungslosen Befehl strikt zu erfüllen. Sein Handeln war am Streben nach unbedingter – wenngleich gänzlich kritik- und gewissenloser – Befehlserfüllung orientiert. Der Angeklagte meinte ersichtlich, eine furchtbare Aufgabe im Interesse der deutschen Wehrmacht befehlsgemäß erfüllen zu sollen. Der gebotene Verzicht auf die ihm befohlene Durchführung der „Sühneaktion” unter den gegebenen Begleitumständen hätte ihm auf Menschlichkeit und Mitgefühl basierenden Mut abverlangt.
Indes reicht der Mangel an solchen positiven Eigenschaften zum Beleg der subjektiven Voraussetzungen des Mordmerkmals der Grausamkeit allein noch nicht aus. Daher hat das Schwurgericht bezogen auf die besondere Tatzeitsituation zum Beleg der subjektiven Voraussetzungen eines grausamen Mordes zutreffend noch den Nachweis für erforderlich gehalten, daß der Angeklagte bei der von ihm verantworteten brutalen Durchführung der „Sühneaktion” so menschenverachtend vorgegangen ist, daß er eine ihm offenstehende Möglichkeit bewußt ausgelassen hat, den ihm erteilten Befehl zur Tötung derart vieler Männer unter Begleitumständen auszuführen, die für die Opfer schonender gewesen wären (vgl. Hanack JZ 1967, 297, 302 f.). Das Schwurgericht läßt diese zutreffend verlangte Prämisse indes unbewiesen und meint, keinen Beleg für die Möglichkeit einer objektiv weniger grausamen Verwirklichung der dem Angeklagten befohlenen Vergeltungsaktion erbringen zu müssen.
Diese Betrachtungsweise greift zu kurz und ist daher rechtsfehlerhaft. Denn eine derartige Möglichkeit versteht sich nicht von selbst. Aus dem Vergeltungszweck folgte eine besondere Eilbedürftigkeit der „Repressalie”; eine große Zahl von Opfern war vorgesehen; naheliegend – im Urteil auch angedeutet (UA S. 24) – wurde die Gefährdung einer solchen Aktion für den Fall erwartet, daß sie nicht derart versteckt, etwa unmittelbar im Bereich des mitten in der Stadt gelegenen Gefängnisses, durchgeführt worden wäre. All diese Umstände machen, zudem unter Berücksichtigung begrenzter personeller und sachlicher Mittel der für den Vollzug zur Verfügung stehenden Kräfte, die vom Angeklagten erkannte Möglichkeit einer – notwendig nicht nur in Details des Ablaufs der Erschießungsaktion – abweichenden Gestaltung, wie sie das Schwurgericht unbelegt voraussetzt, gerade nicht ohne weiteres vorstellbar.
Damit fehlt es im angefochtenen Urteil am Beleg der subjektiven Voraussetzungen des Mordmerkmals der Grausamkeit. Ein anderes Mordmerkmal ist nach den bislang getroffenen Feststellungen nicht erfüllt. Als Totschlag – auch wenn er wegen der Zahl der Opfer und der Begleitumstände der Tat als besonders schwerwiegend zu werten wäre – ist die Tat des Angeklagten bereits bei Anklageerhebung längst verjährt gewesen.
IV.
Gleichwohl ist nicht etwa auf die Revision des Angeklagten – und zugleich nach § 301 StPO auf diejenige der Staatsanwaltschaft – die Freisprechung des Angeklagten vom Anklagevorwurf des Mordes (vgl. BGHSt 36, 340 f. m.w.N.) durch das Revisionsgericht auszusprechen.
1. Es läßt sich nicht ausschließen, daß der bislang unterbliebene Beleg einer vom Angeklagten bewußt vernachlässigten Möglichkeit weniger brutaler Durchführung der Tötungshandlungen von einem neuen Tatgericht noch erbracht werden könnte. Sogar zu weitergehenden die Opfer quälenden Begleitumständen der Tat, welche subjektiv zur Erfüllung des Mordmerkmals der Grausamkeit zweifelsfrei ausreichten, sind ergänzende Feststellungen nicht undenkbar. Zudem erscheinen weitere Feststellungen zu vom Angeklagten zu verantwortenden Organisationsmaßnahmen im Zusammenhang mit der Auswahl der Opfer nicht ausgeschlossen; dies gilt zumal angesichts entsprechender Andeutungen in dem angefochtenen Urteil (UA S. 23, 63/64) über teils besonders junge, möglicherweise auch nicht durchweg im Verdacht der Partisanentätigkeit stehende Gefangene. In diesem Zusammenhang könnte möglicherweise sogar auch eine Erfüllung des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe belegt werden.
Dies würde die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Zurückverweisung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung veranlassen. Daneben läge nicht fern, daß die Strafmaßrevision der Staatsanwaltschaft bei der Art des Kapitalverbrechens im Blick auf die in Betracht zu ziehenden Mordmerkmale ungeachtet der ganz ungewöhnlichen Dauer der seit Tatbegehung verstrichenen Zeit gleichfalls Erfolg haben müßte (vgl. BGH StV 2002, 598, 599; BGH, Beschluß vom 16. Mai 2002 – 1 StR 553/01). Jedenfalls käme das Moment, daß mit Rücksicht auf das hohe Alter des Angeklagten im Interesse der Rechtskraft von einer Urteilsaufhebung auf eine derartige Revision abzusehen ist (vgl. BGHSt 41, 72, 93 f.), bei ohnehin zugunsten des Angeklagten gebotener Urteilsaufhebung nicht zum Tragen.
2. Außergewöhnliche Umstände, die in Fallbesonderheiten und namentlich im hohen Alter des Angeklagten zu finden sind, geben Anlaß, von der bezeichneten üblichen Verfahrensweise abzusehen, vielmehr das Verfahren nunmehr abzubrechen und einzustellen.
a) Das hohe Alter des Angeklagten läßt in absehbarer Zeit eine beträchtliche Minderung seiner Verhandlungsfähigkeit erwarten. Dies macht die Möglichkeit einer notwendig umfassend wiederholten abschließenden Aufklärung des 60 Jahre zurückliegenden Tatgeschehens, die noch weiter als bisher gehen müßte, schon für sich hochgradig unwahrscheinlich (vgl. zu dieser Problematik v. Münch JZ 2004, 184). Eine fallspezifische Besonderheit kommt hinzu:
Käme ein neues Tatgericht zur Feststellung der genannten, eine Freisprechung hindernden gravierenden Erschwerungsgründe, könnte dies weiteren Klärungsbedarf nach sich ziehen. Es wäre nämlich zu prüfen, ob die Tat gerade unter derartigen, die Schrecklichkeit des Tatgeschehens noch verstärkenden Begleitumständen etwa selbst in den Augen der nationalsozialistischen Gewaltherrscher nicht mehr als eine unnachsichtige und strenge, aber vermeintlich noch zu rechtfertigende, jedenfalls ungeahndet hinzunehmende „Vergeltungsaktion” bewertet worden wäre, sondern als eine verfolgbare und verfolgungswürdige Pflichtwidrigkeit. Für diesen Fall wäre nach den Grundsätzen, die der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs für ein im Herbst 1943 in Caiazzo/Italien begangenes exzessives Kriegsverbrechen im Rahmen von „Partisanenbekämpfung” für erwägenswert erachtet hat (BGH NJW 1995, 1297 = BGHR StGB § 78b Abs. 1 Ruhen 1), ein Ruhen der Verjährung während der Gewaltherrschaft des Nationalsozialismus in Frage zu stellen. Sofern eine Verfolgung der Tat durch die Militärgerichtsbarkeit auch unter der Herrschaft des Nationalsozialismus für möglich erachtet würde, wäre die am 19. Mai 1944 begangene Tat bereits im Januar 1969 vor Verlängerung der damals noch zwanzigjährigen Verjährungsfrist für Mord verjährt (vgl. BGH aaO).
Der Senat übersieht nicht die Kritik, die hiergegen vor dem Hintergrund fehlender historischer Erkenntnisse über Aktivitäten deutscher Militärgerichtsbarkeit in Fällen der hier in Rede stehenden Art vorgebracht worden ist (vgl. Freudiger, Die juristische Aufarbeitung von NS-Verbrechen, 2002, S. 127 f., 130 ff. m.w.N.). Er verkennt auch nicht das Problem, daß es mit dem Gerechtigkeitsgefühl schwer zu vereinbaren wäre, eine Tat bei Feststellung eines herausgehobenen Schweregrades im Gegensatz zu einem weniger schweren Kapitalverbrechen unverfolgbar zu stellen. Der Senat sähe indes vor dem Hintergrund des Urteils des 2. Strafsenats (aaO im Anschluß an BGHSt 23, 137) keine rechtliche Handhabe, eine solche – gegebenenfalls aufwendige und schwierige – Prüfung der Verjährungsfrage hier abzuschneiden.
b) Unter Berücksichtigung dieser gesamten Sach- und Rechtslage hält es der Senat insbesondere auch unter den allein mit Rücksicht auf das hohe Alter des Angeklagten bestehenden nurmehr begrenzten Möglichkeiten weiterer Verfahrensförderung und -beschleunigung für ausgeschlossen, daß die Feststellung eines vom Angeklagten verschuldeten Mordes unter gleichzeitiger sicherer Feststellung der Nichtverjährung der Tat in diesem Verfahren noch erbracht werden könnte.
Eine Abwägung der widerstreitenden, jeweils rechtsstaatlich verankerten Belange – Wahrheitsermittlung auf der einen, Vermeidung der Gefahr, den Angeklagten zum bloßen Objekt des Verfahrens zu machen, auf der anderen Seite – gebietet unter den gegebenen Voraussetzungen, von der Anordnung einer Verfahrensfortsetzung abzusehen. Dies gilt verstärkt vor dem Hintergrund, daß mit einer ernstlichen Verfolgung des Angeklagten erst 1995 und damit unbegreiflich spät begonnen wurde, und angesichts eines in jeder Beziehung offenen Ausgangs des Verfahrens.
c) Ein so begründetes Hindernis für die Fortsetzung des Verfahrens ist gegenüber der auf den Strafausspruch beschränkten Revision der Staatsanwaltschaft schon im Blick auf § 301 StPO vorgreiflich. Der Senat ist bei dieser Sachlage nicht gehindert, die Verurteilung des Angeklagten durch einstimmigen Beschluß nach § 349 Abs. 4 StPO aufzuheben und das Verfahren einzustellen (vgl. BGHSt 44, 68, 82; BGHR StPO § 349 Abs. 4 Revision der Staatsanwaltschaft 1). Diese sofort angezeigte Entscheidung ist ebenfalls vorrangig gegenüber einem denkbaren Freispruch des Angeklagten, der zur Zeit nicht entscheidungsreif ist (vgl. BGHR StGB § 78b Ruhen 10).
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 467 Abs. 1 StPO. Angesichts dessen, daß der – wegen der Tat in Italien in Abwesenheit zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilte – Angeklagte nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Schwurgerichts rechtswidrig und schuldhaft mindestens den Tatbestand eines (an 59 Menschen begangenen) Totschlags erfüllt, sich zudem der strafrechtlichen Verantwortung nach Beendigung der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft gezielt entzogen hatte, hat der Senat Anlaß gesehen zu erwägen, ob von einer Belastung der Staatskasse mit den notwendigen Auslagen des Angeklagten jenseits des für ihn erfolgreichen Revisionsverfahrens gemäß § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO abzusehen ist (vgl. BGH NJW 1995, 1297, 1301 = BGHR StPO § 467 Abs. 3 Verfahrenshindernis 1). Da indes als Ergebnis einer potentiellen Verfahrensfortsetzung die Möglichkeit eines Freispruchs nicht sicher auszuschließen wäre, wenn mehr als Totschlag nicht nachweisbar ist, kommt – anders als im Fall eines besonders schlimmen, lediglich gerade deshalb verjährten Mordes, wie in dem vom 2. Strafsenat entschiedenen Fall – hier eine solche Entscheidung letztlich nicht in Betracht.
Unterschriften
Harms, Basdorf, Gerhardt, Raum, Schaal
Fundstellen
Haufe-Index 2558273 |
BGHSt 2005, 189 |
BGHSt |
NJW 2004, 2316 |
NStZ 2005, 36 |
Nachschlagewerk BGH |