Verfahrensgang
LG Dresden (Urteil vom 14.12.2006) |
Tenor
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Dresden vom 14. Dezember 2006 wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die dadurch der Nebenklägerin entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Geiselnahme in Tateinheit mit Vergewaltigung (25 Einzelfälle) und mit weiteren Verbrechen und Vergehen gegen die sexuelle Selbstbestimmung zu einer Freiheitsstrafe von 15 Jahren verurteilt und die Sicherungsverwahrung angeordnet. Die Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Senat ergänzt die Ausführungen des Generalbundesanwalts wie folgt:
Rz. 2
1. Zur unzulässigen ersten Rüge des Angeklagten nach § 338 Nr. 3 StPO ist im Blick auf die Gesamtumstände Folgendes anzumerken:
Rz. 3
Es ist zweifelhaft, ob der Vorsitzende durch die Anordnung der in überaus spektakulärer Weise vollzogenen Vorführung des verhandlungsunfähigen, in seinem Gleichgewichtssinn und in seiner Wahrnehmungsfähigkeit gestörten Angeklagten seiner Fürsorgepflicht trotz des Vorverhaltens des Angeklagten in jeder Beziehung genügt hat. Die Maßnahme diente allein dem Zweck, die Verhandlungsunfähigkeit des Angeklagten und eine Unterbrechung der Hauptverhandlung den anderen Verfahrensbeteiligten mitzuteilen. Das hätte außerhalb der Hauptverhandlung, jedenfalls in Abwesenheit des Angeklagten bewirkt werden können. Dass der Vorsitzende – wahrscheinlich sogar nahe liegend – aus Sorge um die Fortführung des Verfahrens und von den wohl einmaligen, die Prozessführung beeinträchtigenden Begleitumständen beeinflusst gehandelt haben kann, wird aus seiner dienstlichen Erklärung zum Ablehnungsgesuch nicht hinreichend deutlich.
Rz. 4
2. Die Festsetzung der zeitigen Höchststrafe für die fünfwöchige Geiselnahme und die tateinheitlich verwirklichten Sexualverbrechen und -vergehen begegnet keinen durchgreifenden Bedenken.
Rz. 5
a) Das sachverständig beratene Landgericht hat bei dem hochintelligenten 36 Jahre alten Angeklagten eine schizoide Persönlichkeitsstörung mit paranoiden Zügen festgestellt, die zu einer so erheblichen sozialen Beziehungsstörung geführt habe, dass sie dem Schweregrad nach der schweren seelischen Abartigkeit im Sinne des § 20 StGB zuzurechnen sei. Dies habe aber nicht zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit geführt. Das Landgericht stützt diese Bewertung – dem Sachverständigen folgend – im Wesentlichen auf folgenden Umstand:
Rz. 6
Soweit moralische Grundsätze der Verwirklichung der egozentrischen Wünsche des Angeklagten nach grenzenlosem Sex ohne Partnerschaftsprobleme im Wege gestanden hätten, habe der Angeklagte im Wege einer Selbstkorrumpierung die moralischen Maßstäbe überwunden, indem er sich als ungerecht behandeltes Opfer definiert habe und – aufgrund seiner Intelligenz und Reflektionsfähigkeit – (bewusst) ausgeblendet habe, dass er auch selbst durch Vermeidung von Kritik, von Auseinandersetzungen, von Herausforderungen, von partnerschaftlichen Belastungen und von emotionalen Schmerzen zu seiner Lebenssituation beigetragen habe. Der Angeklagte sei jederzeit in der Lage gewesen, sein lang geplantes Projekt der Entführung besonnen und überlegt durchzuführen und habe über den gesamten Tatzeitraum von fünf Wochen seine kontrollierte Verfassung beibehalten.
Rz. 7
Diese Erwägungen des Landgerichts zum Vorliegen einer erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit genügen der hierbei gebotenen Gesamtwürdigung nicht in jeder Beziehung. Es liegt nicht fern, dass bei besonderer Berücksichtigung der im Urteil festgestellten bereits seit 1999 bestehenden massiven Verhaltens- und Charakterauffälligkeiten des Angeklagten insbesondere im sexuellen Bereich Anlass bestanden hätte, hinsichtlich der Sexualdelikte zu einer erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit zu gelangen. Indes bleibt dies ohne maßgebliche Auswirkung auf das Ergebnis. Denn jedenfalls ist die aus den Erwägungen des Landgerichts ersichtliche Annahme, hinsichtlich des den Strafrahmen bestimmenden Verbrechens der Geiselnahme sei die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten nicht erheblich vermindert gewesen, im Blick auf die ins Einzelne gehende Planung der Entführung, die vorbereitende Beobachtung des Opfers und die gleichsam professionelle Ausführung der lange währenden Tat vertretbar und damit im Ergebnis doch rechtsfehlerfrei (vgl. zu einem insoweit weitgehend ähnlichen Sachverhalt BGHSt 49, 45).
Rz. 8
b) Auch die von der Revision behaupteten Wertungsfehler, mit denen eine Vernachlässigung gravierender Strafmilderungsgründe beanstandet wird, können den Bestand des Strafausspruchs nicht gefährden. Die Schuld des Angeklagten, welcher der 13-jährigen Nebenklägerin als seiner „Sexsklavin” (UA S. 24) fünf Wochen durch zahlreiche Sexualdelikte mit teilweise massivster Intensität und außergewöhnlich perversen Praktiken größtes Leid zugefügt hat, wiegt so schwer, dass trotz schuldmindernder Umstände die Höchststrafe als allein angemessene Sanktion nicht in Frage gestellt werden kann. Im Übrigen hätte selbst bei Annahme der Voraussetzungen des § 21 StGB kaum anderes gelten können (vgl. BGH, Beschluss vom 16. April 2007 – 5 StR 335/06 Rdn. 16).
Unterschriften
Basdorf, Häger, Gerhardt, Brause, Jäger
Fundstellen