Leitsatz (amtlich)
Bei der Übermittlung fristwahrender Schriftsätze per Telefax kommt der Rechtsanwalt seiner Verpflichtung zu einer wirksamen Ausgangskontrolle nur dann nach, wenn er seinen Büroangestellten die Weisung erteilt, sich einen Sendebericht ausdrucken zu lassen, auf dieser Grundlage die Vollständigkeit der Übermittlung zu prüfen und die Notfrist erst nach Kontrolle des Sendeberichts zu löschen (im Anschluss an BGH vom 7.7.2010 - XII ZB 59/10, NJW-RR 2010, 1648).
Normenkette
ZPO § 85 Abs. 2, § 233
Verfahrensgang
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 6. Zivilsenats - Senat für Familiensachen I - des Saarländischen OLG vom 25.2.2013 wird auf Kosten des Antragsgegners verworfen.
Beschwerdewert: 6.276 EUR
Gründe
I.
Rz. 1
Das AG hat den Antragsgegner zur Zahlung nachehelichen Unterhalts verpflichtet. Gegen den - seiner Verfahrensbevollmächtigten am 19.10.2012 zugestellten - Beschluss hat der Antragsgegner am 19.11.2012 beim AG Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdebegründung ist am 21.12.2012 (Freitag) beim OLG auf dem Postwege eingegangen. Nach gerichtlichem Hinweis auf die Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist hat der Antragsgegner am 2.1.2013 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Begründungsfrist beantragt. Das Beschwerdegericht hat diesen Antrag zurückgewiesen und die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des AG als unzulässig verworfen. Hiergegen wendet sich der Antragsgegner mit seiner Rechtsbeschwerde.
II.
Rz. 2
Die Rechtsbeschwerde ist gem. §§ 117 Abs. 1 Satz 4, 112 Nr. 1 FamFG i.V.m. §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthaft. Sie ist indes nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist entgegen der Rechtsauffassung des Antragsgegners zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich.
Rz. 3
Zu Recht hat das Beschwerdegericht dem Antragsgegner die begehrte Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist verwehrt und seine Beschwerde als unzulässig verworfen.
Rz. 4
Die Begründung der Beschwerde ist erst am 21.12.2012 und damit nach Fristablauf am 19.12.2012 beim OLG eingegangen.
Rz. 5
Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand liegen nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts nicht vor. Danach hat der Antragsgegner die Beschwerdebegründungsfrist nicht unverschuldet versäumt. Das Versäumnis beruht auf einem Organisationsverschulden seiner Verfahrensbevollmächtigten, das er sich nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss. Zutreffend hat das Beschwerdegericht unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des BGH darauf abgestellt, dass die Ausgangskontrolle hinsichtlich der per Telefax versendeten fristgebundenen Schriftsätze bei den Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners unzureichend organisiert ist.
Rz. 6
1. Nach der Rechtsprechung des Senats hat der Rechtsanwalt in seinem Büro eine Ausgangskontrolle zu schaffen, durch die gewährleistet wird, dass fristwahrende Schriftsätze rechtzeitig hinausgehen. Bei der Übermittlung per Telefax kommt der Rechtsanwalt dieser Verpflichtung nur dann nach, wenn er seinen Büroangestellten die Weisung erteilt, sich einen Sendebericht ausdrucken zu lassen, auf dieser Grundlage die Vollständigkeit der Übermittlung zu prüfen und die Notfrist erst nach Kontrolle des Sendeberichts zu löschen. Diese Ausgangskontrolle dient nicht nur dazu, Fehler bei der Übermittlung auszuschließen. Vielmehr soll damit ebenso die Feststellung ermöglicht werden, ob der Schriftsatz überhaupt übermittelt worden ist (BGH v. 7.7.2010 - XII ZB 59/10, NJW-RR 2010, 1648 Rz. 12 und 14; s. auch BGH v. 15.6.2011 - XII ZB 572/10, NJW 2011, 2367 Rz. 13).
Rz. 7
2. Zu Recht hat das Beschwerdegericht ausgeführt, dass die Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners eine entsprechende Kanzleiorganisation nicht dargetan hat. Sie hat zwar in ihrem Wiedereinsetzungsantrag vorgetragen, sie habe ihrer Büroangestellten die generelle Anweisung erteilt, alle Schriftsätze zur Rechtsmitteleinlegung und zur Rechtsmittelbegründung an die entsprechenden Gerichte vorab per Fax und darüber hinaus auch per Post zu übermitteln. Daneben habe sie die Büroangestellte am 19.12.2012 (also dem Tag des Fristablaufs) konkret angewiesen, die Beschwerdebegründung noch am selben Tag an das OLG zu faxen, da ihr aufgefallen sei, dass die Beschwerdebegründungsschrift über der Anschriftenzeile nicht den Vermerk aufgewiesen habe: "Vorab per Telefax: 0681/5015351".
Rz. 8
Eine Ausgangskontrolle anhand des Sendeberichts lässt sich indes weder ihrem Wiedereinsetzungsantrag noch der von ihrer Kanzleimitarbeiterin zur Akte gereichten eidesstattlichen Versicherung entnehmen. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde reicht der Hinweis darauf, dass vor Büroschluss kontrolliert werde, ob alle Fristsachen erledigt seien und erst dann die Frist gestrichen werde, nicht aus, um eine Wiedereinsetzung zu rechtfertigen. Danach bleibt offen, wie die Kontrolle bei Versendung eines Telefaxes wirkungsvoll durchgeführt werden kann. Denn sofern es an einer Anweisung fehlt, die Frist im Kalender erst nach Vorlage und Prüfung des Sendeberichts zu streichen, besteht die Gefahr, die sich hier auch realisiert hat, dass die Frist hinsichtlich eines per Telefax zu übersendenden Schriftsatzes im Kalender gestrichen wird, ohne dass das Schriftstück tatsächlich in der entsprechenden Weise abgesandt worden ist. Dies gilt umso mehr, wenn - wie hier - dem zu übersendenden Schriftsatz der sonst übliche Aufdruck "vorab per Telefax" fehlt.
Rz. 9
3. Soweit der Antragsgegner erstmals mit seiner Rechtsbeschwerde eine Arbeitsanweisung zur Fristenkontrolle aus der entsprechenden Kanzlei vorlegt, der zufolge nach Versendung per Telefax nochmals kontrolliert werde, ob die richtige Fax-Nummer eingegeben worden sei und der Sendebericht "o.k." ausweise, kann dieser Vortrag in der Rechtsbeschwerdeinstanz nicht mehr berücksichtigt werden. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde war das Beschwerdegericht nicht gehalten, den Antragsgegner auf einen unzureichenden Vortrag hinzuweisen und ihm ergänzenden Sachvortrag zu ermöglichen. Wenn der insoweit darlegungspflichtige Beteiligte nicht zur Ausgangskontrolle vorgetragen hat, ist das Gericht nicht verpflichtet, auf den notwendigen Vortrag hinzuweisen (BGH v. 15.6.2011 - XII ZB 572/10, NJW 2011, 2367 Rz. 15).
Rz. 10
So liegt der Fall auch hier. Ausweislich der Begründung des Wiedereinsetzungsantrages bestand kein Anhaltspunkt dafür, dass die nach der Rechtsprechung des BGH für die Versendung eines Telefaxes geforderte Ausgangskontrolle in der Kanzlei angeordnet war. Hinzu kommt, dass der Antragsgegner auf die Erwiderung der Gegenseite zu seinem Wiedereinsetzungsgesuch, wonach im Rahmen der Ausgangskontrolle eine Eingangsbestätigung erforderlich sei, nicht eingegangen ist.
Fundstellen
Haufe-Index 5133859 |
BB 2013, 2050 |
DB 2013, 2086 |
DB 2013, 8 |