Verfahrensgang
LG Bonn (Entscheidung vom 23.02.2023; Aktenzeichen 6 S 92/22) |
AG Bonn (Entscheidung vom 30.09.2022; Aktenzeichen 202 C 74/21) |
Tenor
Der Senat beabsichtigt, die Revision der Beklagten durch einstimmigen Beschluss gemäß § 552a ZPO zurückzuweisen.
Gründe
I.
Rz. 1
Die Klägerin ist seit dem 16. April 2014 Mieterin einer im dritten Obergeschoss gelegenen preisfreien Wohnung der Beklagten in Bonn. Die Wohnfläche ist im Mietvertrag vom 24. März 2014 mit 49,18 m² vereinbart; sie war bei Erbauung des Objekts in den 1960er Jahren nach den damals gültigen Berechnungsgrundlagen ermittelt worden. Die monatliche Miete belief sich bis einschließlich April 2017 auf 528 € und seit Mai 2017 auf 537,78 €.
Rz. 2
Aus Anlass eines Mieterhöhungsverlangens der Beklagten im April 2021 ließ die Klägerin ihre Wohnung vermessen.
Rz. 3
Mit der vorliegenden Klage hat die Klägerin - gestützt auf ihre Behauptung, die Wohnfläche der Wohnung betrage tatsächlich nur 42,64 m² und weiche daher um 13,3 % von der vereinbarten Wohnfläche ab - die Beklagte auf Rückzahlung überzahlter Miete für den Zeitraum vom 16. April 2014 bis einschließlich Juni 2021 in Höhe von insgesamt 6.139,03 € sowie Ersatz der ihr für eine vorgerichtliche Wohnflächenberechnung entstandenen Sachverständigenkosten in Höhe von 258,23 €, jeweils nebst Zinsen, in Anspruch genommen. Die Beklagte hat einen Mangel der Mietsache in Abrede gestellt und die Verjährungseinrede erhoben.
Rz. 4
Das Amtsgericht hat ein Sachverständigengutachten eingeholt, welches in Anwendung der Vorschriften der Wohnflächenverordnung die Wohnfläche der Wohnung mit 43,3 m² berechnet hat; hierin enthalten ist die Fläche des Balkons der Wohnung mit einem Viertel (entspricht 1,069 m²). Auf der Basis der sich bei dieser tatsächlichen Wohnungsgröße ergebenden Flächenabweichung von 11,96 % zu der im Mietvertrag vereinbarten Wohnfläche hat das Amtsgericht der Klage in Höhe von insgesamt 5.779,21 € nebst Zinsen stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht zurückgewiesen.
Rz. 5
Dabei hat das Berufungsgericht die hinsichtlich der Wohnfläche zwischen den Parteien allein noch streitige Frage, ob der Balkon mit lediglich einem Viertel der Fläche anzurechnen sei und dadurch eine Abweichung von der vertraglich vereinbarten Wohnfläche um mehr als 10 % - nämlich 11,96 % - vorliege, bejaht. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei der Begriff der "Wohnfläche" im frei finanzierten Wohnraum grundsätzlich anhand der für den preisgebundenen Wohnraum geltenden Bestimmungen auszulegen und vorliegend aufgrund der im Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses am 24. März 2014 geltenden Wohnflächenverordnung (WoFlV) zu ermitteln. Entgegen der Auffassung der Beklagten folge aus der Überleitungsvorschrift des § 5 WoFlV nicht, dass vorliegend die Zweite Berechnungsverordnung Anwendung finde, nach der die Grundfläche eines Balkons bis zur Hälfte angerechnet werden könne. Die Mietvertragsparteien hätten stillschweigend die Berechnungsvorschriften im materiellen Sinne vereinbart, nicht hingegen die Anwendung einer Überleitungsvorschrift, die sonstige Normen heranziehe. Die Balkonfläche sei vorliegend mit einem Viertel anzurechnen, wie es in § 4 Nr. 4 WoFlV für den Regelfall vorgeschrieben sei. Anhaltspunkte für eine höhere Anrechnung seien nicht ersichtlich. Der vorhandene Balkon weise im Vergleich zu normalen Balkonen keinen besonders hohen Wohnwert auf. Er sei aufgrund der üblichen regionalen Witterungsbedingungen und seiner Größe von gut 4 m² nur eingeschränkt nutzbar. Dass der Balkon zur straßenabgewandten Seite gelegen, sonnenreich und bei Regen nutzbar sein und einen Blick ins Grüne bieten möge, begründe im Vergleich zu anderen Balkonen keine außergewöhnlichen Umstände. Außerdem sei der Balkon nach den vorgelegten Lichtbildern von anderen Balkonen umliegender Häuser einsehbar und den Geräuschen vom Innenhof und anderer Balkone ausgesetzt.
Rz. 6
Der Rückzahlungsanspruch der Klägerin sei auch nicht teilweise verjährt. Die dreijährige Verjährungsfrist beginne gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlange oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Eine solche Kenntnis habe die Klägerin erst mit der im Jahr 2021 veranlassten Vermessung ihrer Wohnung erlangt, so dass die Verjährungsfrist bei Klageeinreichung im Dezember 2021 noch nicht abgelaufen gewesen sei. Mit dem Bezug der Wohnung sei hingegen noch keine Kenntnis der genauen Größe der Wohnung verbunden. Die Größe der Wohnung lasse sich nur durch eine Vermessung feststellen, zu welcher häufig allein Fachleute in der Lage seien. Mangels einer den Mieter treffenden Untersuchungs- und Prüfungspflicht könne der Klägerin auch keine grob fahrlässige Unkenntnis vorgeworfen werden. Eine besondere Veranlassung, das Mietobjekt auszumessen, habe für die Klägerin nicht bestanden.
Rz. 7
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
II.
Rz. 8
1. Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und es ist auch keiner der weiteren in § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO genannten Revisionszulassungsgründe gegeben.
Rz. 9
a) Das Berufungsgericht hat die Revision wegen Grundsatzbedeutung hinsichtlich des im Streitfall entscheidenden Gesichtspunkts zugelassen, ob im frei finanzierten Wohnungsbau bei nach dem 31. Dezember 2003 geschlossenen Mietverträgen der Begriff der Wohnfläche grundsächlich nach der Wohnflächenverordnung (WoFlV; BGBl. I S. 2346) ohne Heranziehung der Überleitungsvorschrift in § 5 WoFlV auszulegen ist. Hierzu fehle bisher eine höchstrichterliche Klärung. Dies trifft nicht zu.
Rz. 10
aa) Der Senat hat bereits entschieden, dass für die bei frei finanziertem Wohnraum notwendige Auslegung des im Wohnraummietvertrag verwendeten Begriffs der "Wohnfläche" grundsätzlich auf diejenigen für den preisgebundenen Wohnraum geltenden Bestimmungen zurückzugreifen ist, die im Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses gelten, so dass in den Fällen, in denen der Mietvertrag nach Inkrafttreten der Wohnflächenverordnung am 1. Januar 2004 geschlossen wurde, die Wohnfläche nach den Vorschriften der Wohnflächenverordnung zu ermitteln ist (Senatsurteil vom 17. April 2019 - VIII ZR 33/18, NJW 2019, 2464 Rn. 36, 40; ebenso - nach Erlass des Berufungsurteils - Senatsurteil vom 27. September 2023 - VIII ZR 117/22, zur Veröffentlichung bestimmt, Rn. 14). Aus diesen Grundsätzen folgt ohne Weiteres, dass in den genannten Fällen die Überleitungsvorschrift des § 5 WoFlV nicht zur Anwendung kommt.
Rz. 11
Nach dieser Bestimmung bleibt es für bis zum 31. Dezember 2003 nach der Zweiten Berechnungsverordnung vorgenommene Wohnflächenberechnungen bei dieser Berechnung, soweit nicht nach dem 31. Dezember 2003 bauliche Veränderungen an dem Wohnraum vorgenommen werden, die eine Neuberechnung der Wohnfläche erforderlich machen. Der Senat hat in den vorgenannten Entscheidungen im Rahmen der Auslegung des von den Mietparteien im frei finanzierten Wohnraum in einem ab Januar 2004 geschlossenen Mietvertrag verwendeten Begriffs der "Wohnfläche" diese Überleitungsvorschrift nicht für anwendbar gehalten und deshalb für die Frage, welche der für den preisgebundenen Wohnraum geltenden Bestimmungen Anwendung finden, auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses und nicht auf denjenigen der (erstmaligen) Berechnung der Wohnfläche abgestellt.
Rz. 12
Dieser Reichweite des Aussagegehalts des Senatsurteils vom 17. April 2019 (VIII ZR 33/18, aaO) steht - anders als die Revision meint - nicht entgegen, dass in diesem Verfahren keine Feststellungen dazu getroffen waren, ob die Mietwohnung, welche der dortige Mieter im Januar 2007 angemietet hatte, bereits vor dem Inkrafttreten der Wohnflächenverordnung am 1. Januar 2004 (erstmalig) vermessen worden war. Wie die Zurückweisung der den Rückzahlungsanspruch wegen infolge einer erheblichen Wohnflächenabweichung überzahlter Miete betreffenden Revision zeigt, hat der Senat derartige Feststellungen nicht für erforderlich gehalten, da es auf die Vorschrift des § 5 WoFlV nicht ankam.
Rz. 13
bb) Angesichts dieser Rechtsprechung des Senats ist ein weitergehender Klärungsbedarf nicht zu erkennen. Zwar kann sich auch nach der Klärung einer Rechtsfrage durch den Bundesgerichtshof ein für die Annahme einer Grundsatzbedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO ausreichender Klärungsbedarf ergeben. Dies setzt jedoch voraus, dass nicht nur einzelne Instanzgerichte oder Literaturstimmen der Auffassung des Bundesgerichtshofs widersprechen oder dass neue Argumente ins Feld geführt werden, die den Bundesgerichtshof zu einer Überprüfung seiner Auffassung veranlassen können (vgl. BGH, Beschluss vom 27. November 2013 - VII ZR 371/12, NJW 2014, 456 Rn. 9; Musielak/Voit/Ball, ZPO, 20. Aufl., § 543 Rn. 5a; MünchKommZPO/Krüger, 6. Aufl., § 543 Rn. 7).
Rz. 14
So liegt es hier aber nicht. Soweit ersichtlich, wird die Ansicht, dass es für die Auslegung des Begriffs "Wohnfläche" im frei finanzierten Wohnraum anhand der Bestimmungen für den preisgebundenen Wohnraum - entgegen der Rechtsprechung des Senats - in Anwendung des § 5 WoFlV auf den Zeitpunkt der (erstmaligen) Berechnung der Wohnfläche (beziehungsweise auf den Zeitpunkt der Fertigstellung des Gebäudes) ankomme, lediglich noch von einer Stimme in der Literatur vertreten (Beyer, jurisPR-MietR 17/2019 Anm. 1).
Rz. 15
Der Maßgeblichkeit allein des Zeitpunkts des Abschlusses des Mietvertrags für die bei der Auslegung des Begriffs der Wohnfläche im Zweifel anzuwendenden Bestimmungen des preisgebundenen Wohnraums steht auch das von der Revision angeführte Argument nicht entgegen, wonach im internationalen Privatrecht gemäß Art. 4 Abs. 1 EGBGB die Verweisung deutscher Kollisionsnormen auf ausländisches Recht grundsätzlich nicht nur dessen Sachnormen, sondern auch seine Kollisionsnormen erfasse. Denn es geht vorliegend um die Auslegung des in einem Mietvertrag über preisfreien Wohnraum verwendeten Begriffs der "Wohnfläche" nach §§ 133, 157 BGB und nicht um die Bestimmung des anzuwendenden Rechts in einem Sachverhalt mit Auslandsberührung.
Rz. 16
b) Dass die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Revisionszulassung erforderten (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO), hat das Berufungsgericht nicht angenommen. Dafür ist auch nichts ersichtlich.
Rz. 17
2. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a Satz 1 ZPO). Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass der Klägerin sowohl ein bereicherungsrechtlicher Rückzahlungsanspruch (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB) in Höhe von 11,96 % der gezahlten Miete für den geltend gemachten Zeitraum vom 16. April 2014 bis einschließlich Juni 2021 (dazu nachfolgend unter a) als auch ein Anspruch nach § 536a Abs. 1 Satz 1 BGB auf Zahlung der Sachverständigenkosten für eine vorgerichtliche Vermessung der Wohnung (dazu nachfolgend unter b) zusteht.
Rz. 18
a) Die Klägerin kann - wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat - gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB von der Beklagten die Rückzahlung der infolge einer Minderung in Höhe von 11,96 % überzahlten Miete für den geltend gemachten Zeitraum vom 16. April 2014 bis einschließlich Juni 2021 in Höhe von insgesamt 5.520,98 € nebst Zinsen verlangen.
Rz. 19
aa) Das Berufungsgericht ist zunächst rechtsfehlerfrei - unausgesprochen - davon ausgegangen, dass die Angabe einer Wohnfläche im Mietvertrag (hier: 49,18 m²) als Beschaffenheitsvereinbarung anzusehen ist und dass eine Abweichung hiervon um mehr als 10 % zum Nachteil des Mieters einen Mangel der Mietsache darstellt, welcher gemäß § 536 Abs. 1 Satz 2 BGB zur Minderung der Miete in dem Verhältnis führt, in dem die tatsächliche Wohnfläche die vereinbarte Wohnfläche unterschreitet (st. Rspr.; vgl. Senatsurteile vom 10. März 2010 - VIII ZR 144/09, NJW 2010, 1745 Rn. 8, 12; vom 18. November 2015 - VIII ZR 266/14, BGHZ 208, 18 Rn. 9; vom 30. Mai 2018 - VIII ZR 220/17, NJW 2018, 2317 Rn. 16; vom 17. April 2019 - VIII ZR 33/18, NJW 2019, 2464 Rn. 34 f.; vom 23. September 2023 - VIII ZR 177/22, aaO Rn. 12 f.).
Rz. 20
bb) Das Berufungsgericht hat ebenso zu Recht angenommen, dass die Wohnfläche der vermieteten Wohnung im Streitfall anhand der materiellen Vorschriften der Wohnflächenverordnung zu ermitteln ist. Wie bereits oben (unter II 1 a aa) ausgeführt, ist nach der Senatsrechtsprechung der Begriff der "Wohnfläche" im Wohnraummietrecht auch bei frei finanziertem Wohnraum grundsätzlich anhand der für den preisgebundenen Wohnraum geltenden Bestimmungen auszulegen und vorliegend aufgrund der im Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses geltenden Wohnflächenverordnung zu ermitteln, wenn nicht - wovon hier jedoch nach den von der Revision nicht angegriffenen Ausführungen des Berufungsgerichts nicht auszugehen ist - die Parteien dem Begriff der Wohnfläche im Einzelfall eine abweichende Bedeutung beimessen oder ein anderer Berechnungsmodus örtlich üblich oder nach der Art der Wohnung naheliegender ist (vgl. Senatsurteile vom 17. April 2019 - VIII ZR 33/18, aaO Rn. 36, 40; vom 23. September 2023 - VIII ZR 177/22, aaO Rn. 14). Dabei hat das Berufungsgericht im Rahmen der Auslegung des von den Parteien verwendeten Begriffs der "Wohnfläche" zu Recht nur auf die materiellen Vorschriften der Wohnflächenverordnung abgestellt und die Überleitungsvorschrift des § 5 WoFlV nicht angewendet.
Rz. 21
Die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe bei der Auslegung der Vorschrift des § 5 WoFlV den zu Grunde liegenden gesetzgeberischen Willen missachtet, wonach für Wohnflächen, die bis zum 31. Dezember 2003 auf der Grundlage der Zweiten Berechnungsverordnung berechnet wurden, diese Berechnung verbindlich bleiben solle und eine Neuberechnung der Wohnflächen nach der Wohnflächenverordnung nicht erforderlich sei (vgl. BR-Drucks. 568/03, S. 27), greift nicht durch. Eine Übernahme dieser für den preisgebundenen Wohnraum getroffenen gesetzgeberischen Wertung in die mangels einer gesetzlichen Regelung für den preisfreien Wohnraum erforderliche Auslegung des von den Parteien eines Mietvertrags verwendeten Begriffs der "Wohnfläche" gemäß §§ 133, 157 BGB ist weder nach Art. 20 Abs. 3 GG noch in Anwendung anerkannter Auslegungsgrundsätze geboten. Es entspricht vielmehr der typischen Interessenlage der Parteien eines Mietvertrags über preisfreien Wohnraum, den Begriff der Wohnfläche in Anlehnung an die materiellen Vorschriften der jeweils im Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Vorschriften für preisgebundenen Wohnraum zu bestimmen, so dass es auf die Überleitungsregelung des § 5 WoFlV nicht ankommt, deren Voraussetzungen (Vorliegen einer bis zum 31. Dezember 2003 erfolgten Berechnung der Wohnfläche nach der Zweiten Berechnungsverordnung; Fehlen baulicher Änderungen, die eine Neuberechnung der Wohnfläche erforderlich machen) - worauf die Revisionserwiderung mit Recht hinweist - zumindest der Mieter in aller Regel nicht beurteilen kann. Auch ein Schutzbedürfnis des Vermieters preisfreien Wohnraums, der bis zum 31. Dezember 2003 eine Berechnung der Wohnfläche nach der Zweiten Berechnungsverordnung hat vornehmen lassen und die Kosten für eine Neuberechnung nach der Wohnflächenverordnung nicht aufwenden möchte, besteht nicht. Es steht ihm frei, auch in einem ab Januar 2004 abgeschlossenen Mietvertrag auf eine (ausdrückliche) Vereinbarung dahingehend hinzuwirken, dass die dort vereinbarte Wohnfläche (noch) nach den Vorschriften der Zweiten Berechnungsverordnung zu berechnen ist.
Rz. 22
cc) Ebenfalls rechtsfehlerfrei ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass bei Zugrundelegung der Vorschriften der Wohnflächenverordnung die tatsächliche Wohnfläche der Wohnung lediglich 43,3 m² beträgt und damit um 11,96 % von der vereinbarten Wohnfläche abweicht, weil die Grundfläche des Balkons gemäß § 4 Nr. 4 WoFlV mangels Vorliegens besonderer Umstände im Streitfall mit einem Viertel anzurechnen ist. Dies greift auch die Revision nicht an.
Rz. 23
dd) Entgegen der Ansicht der Revision ist das Berufungsgericht auch ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass der Anspruch der Klägerin nicht insoweit teilweise verjährt ist, als sie die Rückzahlung bis zum Ende des Jahres 2017 geleisteter Mietzahlungen begehrt.
Rz. 24
(1) Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung unterfällt der dreijährigen Regelverjährung des § 195 BGB (vgl. Senatsurteil vom 29. Juni 2011 - VIII ZR 30/10, NJW 2011, 3573 Rn. 8). Die Regelverjährung beginnt mit dem Schluss des Jahres zu laufen, in welchem der Anspruch entstanden ist (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB) und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB). Bei einem Anspruch aus ungerechtfertigter Leistung liegt die für den Verjährungsbeginn erforderliche Kenntnis des Gläubigers im Sinne der letztgenannten Bestimmung vor, wenn er von der Leistung und von den Tatsachen weiß, aus denen sich das Fehlen des Rechtsgrundes ergibt. Eine zutreffende rechtliche Würdigung setzt § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB - von Ausnahmefällen einer unübersichtlichen oder zweifelhaften Rechtslage abgesehen - hingegen nicht voraus (vgl. BGH, Urteile vom 15. Juni 2010 - XI ZR 309/09, NJW-RR 2010, 1574 Rn. 12; vom 1. Juni 2011 - VIII ZR 91/10, NJW 2011, 2570 Rn. 23; vom 26. September 2012 - VIII ZR 249/11, juris Rn. 45 f.; jeweils mwN).
Rz. 25
(2) Es kann vorliegend dahinstehen, ob eine hinreichende Tatsachenkenntnis in Bezug auf die tatsächliche Wohnfläche einer Mietwohnung bereits dann gegeben ist, wenn der Mieter - jedenfalls in Fällen einfach gelagerter Wohnflächenberechnungen - die konkreten Kantenlängen sämtlicher Räume und anzurechnender Grundflächen der Wohnung kennt (so Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 15. Aufl., § 548 BGB Rn. 65; vgl. auch Börstinghaus, NJW 2011, 3545, 3546; einschränkend ders., NZM 2012, 177, 185 f. sowie jurisPR-MietR 10/2012 Anm. 1), oder ob eine Kenntnis des Mieters von der tatsächlichen Wohnfläche seiner Wohnung weitergehendes Wissen, insbesondere das Vorliegen einer Wohnflächenberechnung erfordert (so wohl Cramer, NZM 2017, 457, 462).
Rz. 26
(3) Denn hierauf kommt es im Streitfall nicht an. Eine konkrete Kenntnis der Klägerin von sämtlichen in die Wohnflächenberechnung einzustellenden Maßen ergibt sich - anders als die Revision meint - jedenfalls nicht ohne Weiteres bereits durch den Bezug beziehungsweise die Nutzung der Wohnung (vgl. LG Krefeld, NJW 2013, 401; LG München I, NJW-RR 2014, 710, 711; AG Hamburg, NJOZ 2016, 895, 898; Schmidt-Futterer/Streyl, aaO; aA AG Bonn, Urteil vom 18. April 2012 - 203 C 55/11, juris Rn. 27; Börstinghaus, NJW 2011, 3545, 3546; einschränkend ders., NZM 2012, 177, 185 f. sowie jurisPR-MietR 10/2012 Anm. 1; vgl. auch Witt, NZM 2012, 545, 552). Ein allgemeiner Erfahrungssatz des Inhalts, dass bei Bezug einer Wohnung üblicherweise sämtliche Wände und Raumhöhen durch den Mieter ausgemessen werden, existiert nicht. Allein der durch Nutzung vermittelte optische Eindruck oder das Ausmessen einzelner Wände vermittelt dem Mieter jedoch keine Kenntnis sämtlicher für eine Wohnflächenberechnung erforderlichen Tatsachen.
Rz. 27
Das Berufungsgericht hat auf dieser Grundlage ohne Rechtsfehler eine Kenntnis der Klägerin erst mit der im Jahr 2021 veranlassten Vermessung der Wohnung angenommen. Übergangenen Sachvortrag zu einer vorherigen Kenntnis der Klägerin im vorgenannten Sinne zeigt die Revision nicht auf.
Rz. 28
(4) Auch eine grob fahrlässige Unkenntnis der Klägerin liegt nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts nicht vor. Eine solche setzt voraus, dass dem Gläubiger die Kenntnis deshalb fehlt, weil er ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt und nicht beachtet hat, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Ihm muss persönlich ein schwerer Obliegenheitsverstoß in seiner eigenen Angelegenheit der Anspruchsverfolgung vorgeworfen werden können, weil sich ihm die den Anspruch begründenden Umstände förmlich aufgedrängt haben, er davor aber letztlich die Augen verschlossen hat (vgl. BGH, Urteile vom 8. Juli 2010 - III ZR 249/09, BGHZ 186, 152 Rn. 28; vom 15. März 2016 - XI ZR 122/14, NJW-RR 2016, 1187 Rn. 34). Da den Gläubiger generell keine Obliegenheit trifft, im Interesse des Schuldners an einem möglichst frühzeitigen Beginn der Verjährungsfrist Nachforschungen zu betreiben (BGH, Urteile vom 8. Juli 2010 - III ZR 249/09, aaO; vom 15. März 2016 - XI ZR 122/14, aaO), ist ein Mieter - wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat - grundsätzlich nicht verpflichtet, anlässlich des Bezugs der Wohnung diese vollständig auszumessen, um eine im Mietvertrag enthaltene Wohnflächenangabe zu überprüfen (vgl. LG München I, aaO; AG Hamburg, aaO). Besondere Umstände, die eine Ausnahme hiervon rechtfertigen könnten, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Übergangenen Sachvortrag hierzu zeigt die Revision nicht auf.
Rz. 29
b) Ebenalls frei von Rechtsfehlern ist das Berufungsgericht zu der Beurteilung gelangt, dass der Klägerin gegen die Beklagte gemäß § 536a Abs. 1 Satz 1 BGB ein Anspruch auf Erstattung der ihr für eine vorgerichtliche Vermessung der Wohnung entstandenen Sachverständigenkosten in Höhe von 258,23 € nebst Zinsen zusteht.
Rz. 30
3. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses.
Dr. Bünger |
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Dr. Schmidt |
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Wiegand |
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Dr. Reichelt |
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Dr. Böhm |
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Hinweis:
Das Revisionsverfahren ist durch Rücknahme erledigt worden.
Fundstellen
Haufe-Index 16183994 |
NJW 2024, 8 |
NJW-RR 2024, 431 |
NZM 2024, 281 |
ZMR 2024, 469 |
WuM 2024, 135 |
RdW 2024, 832 |
immobilienwirtschaft 2024, 96 |