Wohnflächenberechnung am Limit
Hintergrund: 9,63 oder 10,04 Prozent Wohnflächenabweichung?
Der Vermieter und die Mieterin einer Wohnung streiten im Rahmen einer Räumungsklage über die tatsächliche Wohnfläche. Die Mieterin hatte die Miete gemindert, weil sie der Meinung ist, die tatsächliche Wohnfläche unterschreite die vereinbarte Wohnfläche um mehr als zehn Prozent. Daher liege ein erheblicher Mangel vor. Der Vermieter erkennt die Minderung nicht an und kündigte das Mietverhältnis wegen Zahlungsverzuges.
Im 2013 abgeschlossenen Mietvertrag ist eine Wohnfläche von 48 Quadratmetern vereinbart. Ein vom Gericht bestellter Sachverständiger ermittelte eine tatsächliche Wohnfläche von 43,38 Quadratmetern, was einer Abweichung von 9,63 Prozent entspricht. Da die Erheblichkeitsschwelle von mehr als zehn Prozent Abweichung nicht erreicht sei, sah das Landgericht, wie zuvor bereits das Amtsgericht, keinen zur Minderung berechtigenden Mangel und gab der Räumungsklage statt.
Bei der Berechnung der Wohnfläche, der das Landgericht gefolgt ist, hat der Sachverständige auch die Grundfläche zweier nebeneinanderliegender Durchgänge zwischen Wohnzimmer und Schlafzimmer mit jeweils 0,10 Quadratmetern berücksichtigt. An den Durchgängen befinden sich keine Türrahmen und keine Türen.
Zwar bleiben nach § 3 Abs. 3 Nr. 3 Wohnflächenverordnung (WoFlV) die Grundflächen von Türnischen außer Betracht. Das Landgericht sah die Durchgänge jedoch mangels Türrahmen und Türen nicht als Türnischen an. Auch die Anordnung nebeneinander spreche dagegen, dass die Wandöffnungen zum Einbau von Türen vorgesehen gewesen seien; sie dienten vielmehr raumgestalterisch der Offenheit und Durchlässigkeit zwischen beiden Zimmern.
Die Mieterin meint hingegen, die Grundfläche der Durchgänge sei bei der Berechnung der Wohnfläche nicht zu berücksichtigen, denn es handle sich hierbei um Türnischen im Sinne von § 3 Abs. 3 Nr. 3 WoFlV. Ohne Hinzurechnung der Durchgänge wäre die tatsächliche Wohnfläche 43,18 Quadratmeter, was einer Abweichung von 10,04 Prozent von der vereinbarten Wohnfläche entspräche.
Entscheidung: Fläche ohne Wohnwert zählt nicht mit
Der BGH hebt das Urteil des Landgerichts auf und verweist den Rechtsstreit dorthin zurück.
Mehr als zehn Prozent Wohnflächenabweichung ist ein Mangel
Weicht die tatsächliche Wohnfläche von der vertraglich vereinbarten Wohnfläche um mehr als zehn Prozent ab, liegt ein Mangel der Mietsache vor. Dieser führt gemäß § 536 Abs. 1 Satz 2 BGB zur Minderung der Miete in dem Verhältnis, in dem die tatsächliche Wohnfläche die vereinbarte Wohnfläche unterschreitet. Eine weitere Maßtoleranz besteht im Interesse der Praktikabilität und Rechtssicherheit nicht.
Für die Frage, ob die Wohnung im vorliegenden Fall mangelhaft ist, kommt es daher darauf an, ob die Grundfläche der beiden Durchgänge zwischen Wohn- und Schlafzimmer bei der Berechnung der Wohnfläche berücksichtigt werden muss oder nicht.
Wohnflächenverordnung ist Grundlage der Wohnflächenberechnung
Der Begriff der "Wohnfläche" ist auch bei frei finanziertem Wohnraum grundsätzlich anhand der Bestimmungen auszulegen, die für den preisgebundenen Wohnraum gelten. Wenn die Parteien dem Begriff der Wohnfläche im Einzelfall keine andere Bedeutung beimessen oder ein anderer Berechnungsmodus örtlich üblich oder nach der Art der Wohnung naheliegender ist, ist die bei Vertragsschluss geltende Wohnflächenverordnung maßgeblich.
Damit ist die Wohnfläche hier anhand der bei Abschluss des Mietvertrages geltenden Wohnflächenverordnung vom 25.11.2003 (WoFlV) zu ermitteln.
Was ist eine Türnische im Sinne der Wohnflächenverordnung?
Nach § 3 Abs. 3 Nr. 3 WoFlV bleiben Türnischen bei der Ermittlung der Grundfläche einer Wohnung außer Betracht. Es kommt somit darauf an, ob die beiden Durchgänge zwischen Wohnzimmer und Schlafzimmer als Türnischen einzuordnen sind.
Eine Türnische im Sinne der genannten Vorschrift ist eine Öffnung in einer Wand, die einen Durchgang durch diese ermöglicht. Es kommt nicht darauf an, ob in die Wandöffnung eine Tür oder ein Türrahmen eingebaut ist. Entscheidend ist vielmehr, ob der Grundfläche ein eigener Wohnwert zugutekommt. Das ist bei einer Wandöffnung, die den Durchgang zwischen zwei Zimmern ermöglicht, grundsätzlich nicht der Fall. Die Grundfläche einer solchen Öffnung hat keinen eigenen Wohnwert, weil sie einer Nutzung zu Wohnzwecken nicht oder allenfalls gemindert zur Verfügung steht.
Der Umstand, dass es in der Wand zwischen Wohn- und Schlafzimmer nicht nur eine, sondern zwei Öffnungen nebeneinander gibt, schließt für sich genommen nicht aus, die beiden Öffnungen oder auch nur eine der beiden als Türnischen einzuordnen.
Auf das tatsächliche Nutzungsverhalten des konkreten Mieters kommt es nicht an. Es ist daher unerheblich, ob der Mieter in die Öffnung etwa ein Regal eingebaut oder sonstige Einrichtungsgegenstände dort hingestellt hat.
Die Öffnungen in der Wand könnten aber dann nicht mehr als Türnischen anzusehen sein, wenn sie wesentlich größer als eine übliche Tür wären; der Grundfläche eines größeren Wanddurchbruchs könnte anders als einer Türnische ein eigener Wohnwert zukommen, so dass diese bei der Wohnflächenberechnung zu berücksichtigen wäre.
Landgericht muss Fall erneut prüfen
Das Landgericht, an das der BGH die Sache zurückverwiesen hat, muss nun anhand der Rechtsauffassung des BGH erneut beurteilen, ob es sich bei den Durchgängen um Türnischen im Sinne der Wohnflächenverordnung handelt oder nicht.
(BGH, Urteil v. 27.9.2023, VIII ZR 117/22)
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