Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergewaltigung
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Itzehoe vom 30. Juni 1999 werden die Einzelstrafe im Fall II 2 der Urteilsgründe und der Ausspruch über die Gesamtstrafe mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung und wegen räuberischer Erpressung in Tateinheit mit Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung formellen und sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel führt mit der Sachrüge zur Aufhebung der Einzelstrafe im Fall II 2 der Urteilsgründe (Tat vom 6. Dezember 1998) und der Gesamtstrafe. Im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Rüge der Verletzung des § 244 Abs. 2, 3 und 4 StPO bleibt erfolglos. Das Landgericht hat den Antrag des Angeklagten auf Einholung eines forensischpsychiatrischen Sachverständigengutachtens über die Glaubwürdigkeit der Zeugin N. rechtsfehlerfrei mit der Begründung abgelehnt, die Beurteilung der Glaubwürdigkeit einer Zeugenaussage sei ureigene Aufgabe des Gerichts; allein der Umstand, daß die erwachsene, gehörlose Zeugin, bei der keine psychischen Auffälligkeiten gegeben seien, mit Hilfe eines Gebärdendolmetschers habe vernommen werden müssen, gebe keinen Anlaß zur Hinzuziehung eines Sachverständigen.
Die Entscheidung der Strafkammer läßt einen Rechtsfehler nicht erkennen, weil die Besonderheiten in der Person der Zeugin – jedenfalls unter Berücksichtigung der Beweislage – nicht von einem solchen Gewicht waren, daß die Hinzuziehung eines Sachverständigen geboten gewesen wäre (vgl. BGHR StPO § 244 Abs. 4 Satz 1 Glaubwürdigkeitsgutachten 1; BGH StV 1993, 567). Die Zeugin war psychisch unauffällig. Auch wurden wesentliche Teile ihrer Aussage durch die Aussagen der Zeugen D. und M. sowie durch die bei der Zeugin festgestellten Verletzungen bestätigt.
2. Der Strafausspruch im Fall II 2 (Tat vom 6. Dezember 1998) und damit auch der Gesamtstrafenausspruch haben keinen Bestand.
Die Begründung, mit der die Strafkammer im Fall II 2 eine alkoholbedingte erhebliche Verminderung des Hemmungsvermögens verneint hat, ist nicht rechtsfehlerfrei und trägt den Ausschluß des § 21 StGB nicht. Nach den Urteilsfeststellungen hat eine dem Angeklagten etwa drei Stunden nach Tatbegehung entnommene Blutentnahme eine Blutalkoholkonzentration von 1,88 [permil] ergeben (UA S. 12). Aus den Urteilsgründen ist nicht erkennbar, daß das Landgericht im Wege der Rückrechnung die Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit festgestellt hat. Eine Rückrechnung auf der Grundlage der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Abbauwert von 0,2 [permil] pro Stunde zuzüglich eines einmaligen Sicherheitszuschlags von 0,2 [permil], vgl. BGHSt 35, 308, 314; BGHR StGB § 21 Blutalkoholkonzentration 24 und 25) führt zu einer Blutalkoholkonzentration von etwa 2,68 [permil] bei Tatbegehung. Bei einem solchen Wert liegt die Annahme einer erheblichen Herabsetzung des Hemmungsvermögens nahe (vgl. BGHSt 37, 231, 235 und 43, 66 ff.; BGHR StGB § 21 Blutalkoholkonzentration 6, 15, 30, 31 und 34). Zu den psychodiagnostischen Beurteilungskriterien, die Hinweise darauf geben, daß das Steuerungsvermögen des Angeklagten trotz der erheblichen Alkoholisierung erhalten geblieben ist (vgl. BGHSt 43, 66 ff.; BGHR StGB § 21 Blutalkoholkonzentration 34 und 35; BGH NStZ 1997, 592) verhält sich das Urteil nicht. Auf dem nicht fehlerfreien Ausschluß des § 21 StGB kann das Urteil im Fall II 2 beruhen.
Unterschriften
Kutzer, Rissing-van Saan, Miebach, Winkler, von Lienen
Fundstellen
Haufe-Index 540585 |
NStZ 2000, 214 |