Verfahrensgang
OLG Frankfurt am Main (Beschluss vom 25.09.1986) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluß des 15. Zivilsenats in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 25. September 1986 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Wert des Beschwerdeverfahrens: 17.858,69 DM.
Gründe
Der Kläger ist vom Landgericht mit seiner auf Zahlung von 17.858,69 DM nebst Zinsen gerichteten Klage abgewiesen worden. Das am 6. März 1986 verkündete Urteil wurde seinen Prozeßbevollmächtigten am 2. April 1986 und nochmals am 7. April 1986 zugestellt, weil bei der ersten Zustellung der Verkündungsvermerk auf dem Urteil gefehlt hatte. Der Kläger hat am 7. Mai 1986 Berufung eingelegt. Mit Schreiben vom 4. Juni 1986, das dem zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten des Klägers am 6. Juni zuging, wies der Senatsvorsitzende darauf hin, daß das Urteil bereits am 2. April 1986 zugestellt worden sei. Mit Schriftsatz vom 10. Juni 1986, bei Gericht eingegangen am 11. Juni, beantragte der Kläger vorsorglich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist. Er bezog sich auf die Zustellung des Urteils am 7. April 1986 und führte unter anderem aus, selbst wenn das Urteil zum ersten Male am 2. April 1986 zugestellt worden sei, wäre jedenfalls die weitere Zustellung am 7. April 1986 irreführend gewesen und hätte zur Folge gehabt, daß die erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten des Klägers und sein Korrespondenzanwalt von einer rechtswirksamen Zustellung am 7. April ausgingen und den zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten entsprechend informiert hätten.
Das Oberlandesgericht hat mit dem angefochtenen Beschluß die Wiedereinsetzung abgelehnt und die Berufung als unzulässig verworfen. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt, hat jedoch keinen Erfolg.
1. Die Berufung ist nicht innerhalb der Monatsfrist des § 516 ZPO eingelegt worden, die bereits durch die Zustellung am 2. April 1986 in Lauf gesetzt worden war. Das Fehlen des Verkündungsvermerks auf der zugestellten Ausfertigung machte die Zustellung nicht unwirksam (vgl. BGHZ 8, 303, 309; Zöller/Stephan, ZPO, 14. Aufl., § 315 Anm. 6).
2. Dem Berufungsgericht ist darin zu folgen, daß eine Wiedereinsetzung jedenfalls deshalb ausscheidet, weil der Kläger in der Zweiwochenfrist des § 234 Abs. 1 ZPO einen durchgreifenden Wiedereinsetzungsgrund nicht geltend gemacht hat.
a) Diese Frist begann spätestens mit dem Zugang des Hinweisschreibens am 6. Juni 1986. Das ist ersichtlich vom Prozeßbevollmächtigten des Klägers auch nicht verkannt worden, denn er hat bereits am 11. Juni 1986 für den Kläger Wiedereinsetzung beantragt. Wiedereinsetzung ist jedoch gemäß § 233 ZPO nur zu gewähren, wenn die Fristversäumung auf Umständen beruht, die der Partei weder unmittelbar noch mittelbar (§ 85 Abs. 2 ZPO) als Verschulden zuzurechnen sind. Der Antrag nach § 236 ZPO muß die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten, also insbesondere auch derjenigen Tatsachen, aus denen sich das fehlende Verschulden der Partei und ihres Bevollmächtigten an der Fristversäumung ergibt. In welchem Umfang und zu welchen Punkten hier Vortrag erforderlich ist, ergibt sich aus der konkreten Sachlage. Für den Kläger waren danach Angaben zu der Frage geboten, aus welchen Gründen die Berufung erst einen Monat nach der zweiten Zustellung des Urteils eingelegt worden war, obwohl seine erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt den Lauf der Berufungsfrist nach dem Zeitpunkt der ersten Zustellung hätten berechnen müssen. Hierauf geht der Wiedereinsetzungsantrag vom 10. Juni 1986 nicht ein. Die dort geltend gemachte „Irreführung” durch die zweite Zustellung wäre kein Umstand, der ein Verschulden an der Fristversäumung ausschließen würde. Bei zweifelhafter Rechtslage – die hier überdies in bezug auf die Wirksamkeit der Zustellung nicht bestand – muß der Rechtsanwalt den sichersten zur Verfügung stehenden Weg wählen.
b) Erstmals mit Schriftsatz vom 23. Juli 1986 hat der Kläger vortragen lassen, daß die Fristversäumung auf einem Versehen der Bürovorsteherin seiner erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten beruhe. Sie habe den Ablauf der Berufungsfrist im Fristenkalender sowohl auf den 2. Mai als auch auf den 7. Mai 1986 notiert. Allerdings sei die Eintragung der auf den 2. Mai 1986 notierten Frist gestrichen worden. Wie das geschehen sei, könne nicht aufgeklärt werden, beruhe jedenfalls nicht auf einer fehlerhaften Anordnung der erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten des Klägers.
Diese Angaben können für die Entscheidung über die Wiedereinsetzung nicht berücksichtigt werden, weil sie erst nach Ablauf der Zweiwochenfrist des § 234 ZPO gemacht worden sind. Etwas anderes würde gelten, wenn der ursprüngliche Vortrag nur erläutert oder ergänzt worden wäre (vgl. Senatsbeschluß vom 9. Mai 1984 – VIII ZB 7/84, VersR 1984, 666). Das ist nicht der Fall. Vielmehr wird ein für die Erfüllung der eigenen Sorgfaltspflicht des Prozeßbevollmächtigten wesentlicher Punkt erstmals aufgegriffen, daß nämlich die Fristversäumung nicht auf einem Rechtsirrtum über die Wirksamkeit der ersten Zustellung beruhte, sondern auf einer Eigenmächtigkeit der Bürovorsteherin. Dem allgemeinen Hinweis im Schriftsatz vom 10. Juni 1986 auf eine Irreführung durch die zweite Zustellung kann auch nicht ansatzweise etwas dafür entnommen werden, daß die auf den 2. Mai 1986 notierte Frist infolge eines Büroversehens ohne Erledigung der Sache gestrichen worden ist. Andererseits ist nicht ersichtlich, daß die nachgeschobenen Angaben nicht schon innerhalb der Frist des § 234 ZPO hätten gemacht werden können oder verspätet vorgetragen worden sind, weil das Oberlandesgericht seiner Hinweispflicht nach § 139 ZPO nicht genügt hat. Aus dem Hinweisschreiben vom 4. Juni 1986 ergab sich ohne weiteres, daß Angaben dazu notwendig waren, weshalb die durch die Zustellung am 2. April 1986 in Lauf gesetzte Frist nicht beachtet worden war. Ob die nachgeschobenen, aber nicht berücksichtigungsfähigen Angaben geeignet wären, die Wiedereinsetzung zu begründen, kann dahingestellt bleiben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
Unterschriften
Braxmaier, Wolf, Dr. Skibbe, Dr. Brunotte, Groß
Fundstellen