Entscheidungsstichwort (Thema)
sexuelle Nötigung
Tenor
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 17. August 1999 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexueller Nötigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, wegen vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung sowie wegen Bedrohung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Die auf die allgemeine Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten bleibt ohne Erfolg.
1. Im Fall II. 1. der Urteilsgründe hat das Landgericht den Angeklagten wegen sexueller Nötigung nach § 177 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 1 StGB verurteilt. Die Qualifikation der Verwendung eines gefährlichen Werkzeugs wird von den Feststellungen nicht gedeckt. Danach hatte der Angeklagte Frau M. zuerst im Zusammenhang mit Vorwürfen wegen Unterhaltsforderungen für das gemeinsame Kind körperlich mißhandelt und sie mit einem langen Brotmesser bedroht. Sodann hatte er sie geohrfeigt, so daß sie zusammen mit dem Stuhl, auf dem sie saß, umfiel, und ihr wieder Vorhaltungen wegen der Unterhaltsforderungen gemacht. Im Anschluß daran hatte er ihr Hose und Slip bis zu den Knien heruntergerissen, seinen Finger in ihre Scheide eingeführt und sodann versucht, auch sein entblößtes Glied in die Scheide einzuführen. Vom Erscheinen einer anderen Person gestört, hatte er von dem Opfer abgelassen. Das Küchenmesser hatte er bei den sexuellen Handlungen nicht mehr in der Hand, „er hatte es aber griffbereit neben der Zeugin auf den Fußboden abgelegt” (UA S. 8). Damit ist weder belegt, daß der Angeklagte den ursprünglichen Einsatz des Messers mit der späteren Herbeiführung einer sexuellen Handlung final verknüpft (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 49. Aufl. § 177 Rdn. 7 m.w.Nachw.), noch daß er das Messer später zumindest als Drohmittel verwendet, also eingesetzt hat, um den Widerstand des Opfers zu verhindern oder zu überwinden (zur Auslegung der Qualifikationstatbestände des § 177 Abs. 3 und 4 StGB vgl. BGHR StGB § 177 III Nr. 2 Werkzeug 1). Im Rahmen der Strafzumessung hält das Landgericht dem Angeklagten folgerichtig auch zugute, daß er das Messer zwar jederzeit zur Verfügung hatte, „dieses aber nicht konkret von ihm eingesetzt worden ist” (UA S. 18). Damit liegt nur eine Qualifikation nach § 177 Abs. 3 Nr. 1 StGB vor, weil der Angeklagte das Messer bei der Tat bei sich geführt hat.
Eine Änderung des Schuldspruchs kommt insoweit nicht in Betracht. Die durch das 6. StrRG eingeführten Qualifikationen der sexuellen Nötigung nach § 177 Abs. 3 und Abs. 4 StGB kommen im Schuldspruch nicht zum Ausdruck. Dem Gesetz ist der Begriff der „schweren Vergewaltigung” oder der „schweren sexuellen Nötigung” fremd (BGH, Beschl. vom 16. März 1999 – 4 StR 73/99, mitgeteilt bei Pfister NStZ-RR 1999, 355). Es ist deshalb lediglich die Liste der angewendeten Vorschriften zu berichtigen.
Damit beträgt die Mindeststrafe nur drei anstatt fünf Jahre Freiheitsstrafe. Der Strafausspruch ist durch den Fehler aber nicht berührt, weil der Tatrichter einen minder schweren Fall nach § 177 Abs. 5 StGB angenommen hat und somit von einer für beide Qualifikationen (Abs. 3 und Abs. 4) gleichen Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe ausgegangen ist.
2. Soweit sich das Landgericht in diesem Fall an einer Verurteilung wegen Vergewaltigung gehindert sah, weil der Angeklagte „mit der Zeugin nicht den Geschlechtsverkehr ausgeübt hat, sondern lediglich einen Finger in die Scheide eingeführt hat” (UA S. 17), geht das Landgericht von einem zu engen Begriff der Vergewaltigung aus.
Nach § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB ist die Vergewaltigung ein benanntes Regelbeispiel für einen besonders schweren Fall der sexuellen Nötigung. Sie besteht in dem erzwungenen Beischlaf oder in erzwungenen, (dem Beischlaf) ähnlichen sexuellen Handlungen, die das Opfer besonders erniedrigen. Zu diesen besonders erniedrigenden Handlungen gehören insbesondere diejenigen sexuellen Handlungen, die mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind. Nach dem Wortlaut des Gesetzes ist das Eindringen in den Körper regelmäßig als besonders erniedrigend anzusehen. Daß der Täter dabei nicht mit dem Geschlechtsteil einzudringen braucht, um das Regelbeispiel zu erfüllen, hat der Bundesgerichtshof schon mehrfach ausgesprochen (BGH, Beschl. vom 24. März 1999 – 1 StR 685/98 (Finger in den After), Beschl. vom 24. März 1999 – 2 StR 637/98 (Finger in die Scheide) – jeweils mitgeteilt bei Pfister NStZ-RR 1999, 325; vgl. auch BGH, Urt. vom 18. November 1999 – 4 StR 389/99). Der vom Gesetzgeber gewählten Gesetzgebungstechnik folgend, sind deshalb Fallgestaltungen denkbar, bei denen trotz eines Eindringens in den Körper der erzwungenen sexuellen Handlung ausnahmsweise keine besonders erniedrigende Wirkung zukommt. In den vorgenannten Fällen der Manipulation in Scheide und After des Opfers liegt die besonders erniedrigende Wirkung allerdings deutlich zutage. Eine ausdrückliche Erörterung durch den Tatrichter erscheint dem Senat entbehrlich (anders – grundsätzlich Erörterungspflicht, falls nicht Anal- und Oralverkehr – wohl BGH, Urt. vom 18. November 1999 – 4 StR 389/99).
Der Angeklagte ist durch diesen Fehler indes nicht beschwert. Von einer Änderung des Schuldspruchs sieht der Senat ab.
2. Im Fall II. 2. ist dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe noch zu entnehmen, daß der Angeklagte mit seiner Nötigungshandlung nicht erreichen wollte, daß sein Opfer die Armbanduhr verschluckt, sondern es nur dazu nötigen wollte, nicht weiter um Hilfe zu rufen. Dies ist dem Angeklagten auch gelungen.
3. Im Fall II. 3. der Urteilsgründe besteht die festgestellte Bedrohung darin, daß der Angeklagte Frau M. mit der Tötung ihres 2 Jahre alten Kindes, also mit der Begehung eines gegen eine ihr nahestehende Person gerichteten Verbrechens bedroht hat. Welche der Tatalternativen des § 241 Abs. 1 StGB vorliegt, durfte die Strafkammer bei der rechtlichen Würdigung in den Urteilsgründen nicht offenlassen.
4. Abschließend bemerkt der Senat, daß es die Verständlichkeit eines Urteils nicht fördert, wenn innerhalb von vier Seiten der Urteilsgründe ein und dieselbe Person mit sechs verschiedenen Begriffen (Freundin, Lebensgefährtin, Verlobte, jetzige Verlobte und damalige Freundin, damalige Freundin, frühere Verlobte) bezeichnet wird.
Unterschriften
Kutzer, Miebach, Winkler, Pfister, von Lienen
Fundstellen
Haufe-Index 556781 |
NStZ 2000, 254 |
NStZ 2000, 471 |
StV 2000, 308 |