Verfahrensgang
LG Münster (Urteil vom 15.07.2002) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Münster vom 15. Juli 2002, soweit es ihn betrifft, im Maßregelausspruch mit den Feststellungen aufgehoben. Der Ausspruch entfällt.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
3. Der Angeklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittels.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Ferner hat es ihm die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und bestimmt, daß ihm vor Ablauf von zwei Jahren keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden darf. Außerdem hat es 1.500 EUR für verfallen erklärt. Die vom Angeklagten eingelegte Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat mit der Sachbeschwerde zum Maßregelausspruch Erfolg. Im übrigen ist sie entsprechend der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Die Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis hat keinen Bestand. Das Landgericht hat die Annahme, der Angeklagte sei zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet, damit begründet, er habe die Tat unter Verwendung eines Kraftfahrzeugs begangen. Nach den dieser Erwägung zugrundeliegenden Feststellungen brachte der Angeklagte die Drogenkurierin mit seinem Pkw zum Flughafen in Düsseldorf und holte sie, nachdem sie in Curacao im Auftrag des Angeklagten ein Kilogramm Kokain, das (u.a. in Deutschland) gewinnbringend weiterverkauft werden sollte, erworben hatte, am Flughafen in Amsterdam wieder ab. Anschließend fuhr er mit einem Pkw gemeinsam mit der Kurierin, die das Betäubungsmittel in ihrer Unterwäsche versteckt hatte, vom Flughafen zu einer Wohnung in Amsterdam, wo die Kurierin dem Angeklagten und einer weiteren Person das Kokain aushändigte. Der dem Angeklagten zustehende Teil des Rauschgifts wurde später von einem unbekannten Tatbeteiligten von den Niederlanden in die Bundesrepublik Deutschland eingeführt. Diese Feststellungen tragen die Maßregelentscheidung nicht.
Zwar hat der Angeklagte das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs begangen. Anders als bei der Begehung der in § 69 Abs. 2 StGB aufgeführten rechtswidrigen Taten begründet jedoch allein der Umstand, daß der Täter ein Kraftfahrzeug zur Begehung von Straftaten benutzt hat, nicht bereits eine Regelvermutung für seine charakterliche Unzuverlässigkeit zum Führen von Kraftfahrzeugen. Die Rechtsprechung verlangt deshalb in diesen Fällen regelmäßig eine nähere Begründung der Entscheidung aufgrund einer umfassenden Gesamtwürdigung (st. Rspr.; BGHR StGB § 69 Abs. 1 Entziehung 5 und 8; Senatsbeschlüsse vom 22. Oktober 2002 – 4 StR 339/02; vom 5. November 2002 – 4 StR 406/02 und vom 3. Dezember 2002 – 4 StR 458/02).
Die Rechtsfrage, ob überhaupt unter Benutzung von Kraftfahrzeugen begangene Anlaßtaten die Entziehung der Fahrerlaubnis rechtfertigen sollen, die keinerlei spezifische Verkehrssicherheitsinteressen berühren (vgl. dazu Senatsbeschluß vom 5. November 2002 – 4 StR 406/02 m.N.), muß auch in diesem Fall nicht entschieden werden. Selbst wenn man mit der bisherigen Rechtsprechung davon ausgeht, daß Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, zumal in größerer Menge, in aller Regel eine erhebliche charakterliche Unzuverlässigkeit belegt, die auch die Ungeeignetheit des Täters zum Führen eines Kraftfahrzeugs ergibt, wenn dieser im Rahmen des Tatgeschehens ein Kraftfahrzeug geführt hat (BGHR StGB § 69 Abs. 1 Entziehung 3 und 10; BGH NStZ 2000, 26), so tragen die Feststellungen und die Würdigung, mit der das Landgericht die Annahme der Ungeeignetheit im Sinne des § 69 Abs. 1 StGB begründet hat, die Maßregelanordnung nicht. Zwar hat der Angeklagte den Verbrechenstatbestand des § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG erfüllt. Die Benutzung des Fahrzeugs spielte jedoch für das dem Angeklagten angelastete Handeltreiben eine völlig untergeordnete Rolle (vgl. Senatsbeschluß vom 3. Dezember 2002 – 4 StR 458/02). Das bloße Verbringen der Drogenkurierin mit dem Pkw zum Flughafen ist für sich genommen schon nicht geeignet, eine charakterliche Unzuverlässigkeit des Angeklagten zum Führen eines Kraftfahrzeugs zu belegen. Aber auch bei dem kurzen, lediglich innerstädtischen Transport des Rauschgifts kam unter den hier gegebenen Umständen der Benutzung des Fahrzeugs für das Handeltreiben keine maßgebende Bedeutung zu. Einen Erfahrungssatz, daß jeder Täter, der, wie der Angeklagte, Betäubungsmittel in seinem Kraftfahrzeug transportiert, deshalb zu besonders riskanter Fahrweise entschlossen ist, um sich im Zweifel auch um den Preis der Gefährdung anderer durch Flucht seiner Feststellung zu entziehen, gibt es in dieser Allgemeinheit nicht (Senatsbeschluß vom 5. November 2002 – 4 StR 406/02). Soweit die Strafkammer für die Prognosebeurteilung darauf abstellt, aufgrund der Kontakte des Angeklagten zu Drogendealern im In- und Ausland bestehe „die Befürchtung”, daß er auch künftig Betäubungsmitteldelikte unter Verwendung seines Fahrzeugs begehen werde, stellt dies angesichts dessen, daß der Angeklagte weder vorbestraft noch drogenabhängig ist, lediglich eine Vermutung dar.
Der Senat schließt aus, daß sich aufgrund neuer Hauptverhandlung noch Umstände ergeben können, die eine Ungeeignetheitsprognose im Sinne des § 69 Abs. 1 StGB rechtfertigen und deshalb den Maßregelausspruch tragen könnten. Dieser entfällt daher.
Der geringfügige Teilerfolg des Rechtsmittels gibt keinen Anlaß, den Angeklagten teilweise von den Kosten seines Rechtsmittels freizustellen (§ 473 Abs. 4 StPO).
Unterschriften
Tepperwien, Kuckein, Athing, Solin-Stojanović, Sost-Scheible
Fundstellen
Haufe-Index 2565550 |
DAR 2003, 180 |
DAR 2003, 294 |
NStZ-RR 2003, 122 |
VRS 2003, 214 |
VersR 2003, 875 |
NPA 2004, 0 |
StraFo 2003, 141 |