Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 07.07.2004) |
Tenor
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 7. Juli 2004 wird als unbegründet verworfen, soweit sie sich gegen den Schuldspruch, den Strafausspruch, die Einziehung von Betäubungsmitteln und den Verfall eines Geldbetrages richtet.
2. Die Entscheidung über die Revision des Angeklagten gegen die in dem vorbezeichneten Urteil angeordnete Maßregel sowie über die Kosten des Rechtsmittels bleibt einer abschließenden Entscheidung vorbehalten.
Gründe
1. Die Revision ist unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO, soweit sie sich gegen den Schuldspruch wegen unerlaubten bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sechzehn Fällen sowie wegen Freiheitsberaubung wendet.
2. Soweit sich die Revision gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis und die Festsetzung einer Sperrfrist für deren Neuerteilung richtet, wird die Entscheidung zurückgestellt.
a) Über Teile einer Revision kann ausnahmsweise vorab entschieden werden, wenn dies im Hinblick auf den Beschleunigungsgrundsatz geboten ist (BGH, Urteil v. 6. Juli 2004 – 4 StR 85/03 –, zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt). Dies gilt gleichermaßen für das Urteilsverfahren wie für das Beschlußverfahren gemäß § 349 Abs. 2, Abs. 4 StPO.
b) Die Frage, ob in Fällen wie dem vorliegenden die Anordnung einer Maßregel gemäß §§ 69, 69 a StGB zulässig ist, wenn die Feststellung charakterlicher Mängel auf die Begehung von Straftaten der allgemeinen Kriminalität unter mißbräuchlicher Verwendung eines Kraftfahrzeugs gestützt ist, ohne daß ein Regelfall im Sinne des § 69 Abs. 2 StGB vorliegt und ohne daß ein die Sicherheit des Straßenverkehrs konkret gefährdendes Verhalten des Angeklagten festgestellt ist, ist zwischen den Strafsenaten des Bundesgerichtshofs streitig.
Der Senat hat sich im Urteil vom 26. September 2003 (2 StR 161/03 = NStZ 2004, 144) dem vom 4. Strafsenat in mehreren Entscheidungen angesprochenen und im Anfragebeschluß vom 16. September 2003 (4 StR 85/03, 4 StR 155/03, 4 StR 175/03 = NStZ 2004, 86) näher ausgeführten Vorschlag einer einschränkenden Auslegung angeschlossen (vgl. hierzu auch BGH, Beschluß vom 21. Januar 2004 – 2 ARs 347/03), ebenso der 3. Strafsenat (Beschluß vom 13. Januar 2004 – 3 ARs 30/03) und der 5. Strafsenat (Beschluß vom 28. Oktober 2003 – 5 ARs 67/03 = NStZ 2004, 148); der 1. Strafsenat ist dem entgegengetreten (Beschluß vom 14. Mai 2003 – 1 StR 113/03 = NStZ 2003, 658; Beschluß vom 13. Mai 2004 – 1 ARs 31/03; vgl. dazu auch Tröndle/Fischer, StGB 52. Aufl. § 69 Rdn. 42 ff. m.w.N.).
Der 4. Strafsenat hat mit Beschluß vom 26. August 2004 (4 StR 85/03 = NJW 2004, 3497) die vorgenannte Rechtsfrage gemäß § 132 Abs. 2 und 4 GVG dem Großen Senat für Strafsachen zur Entscheidung vorgelegt.
Auf die streitige Rechtsfrage kommt es im vorliegenden Fall auch an. Verkehrsspezifische Straftaten oder konkrete Gefährdungen der Sicherheit des Straßenverkehrs sind nicht festgestellt; jedoch verwendete der Angeklagte ein Kraftfahrzeug, um Betäubungsmittel an andere Bandenmitglieder auszuliefern, um andere Bandenmitglieder und Betäubungsmittel zu transportieren und um den Kopf der Bande, den gesondert verfolgten A., zum Betäubungsmitteleinkauf in die Niederlande zu fahren; er mißbrauchte daher seine Fahrerlaubnis zur Begehung zahlreicher und teilweise auch schwerwiegender Straftaten. Würde ein solcher Mißbrauch als ausreichender Anhaltspunkt für die Feststellung angesehen, der Täter sei auch zur Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit bereit (vgl. BGH NStZ 2003, 658 ff.), so wäre die Maßregelanordnung rechtsfehlerfrei. Würden hingegen weitergehende konkrete, sich aus dem Tatgeschehen ergebende Anhaltspunkte für eine solche Bereitschaft vorausgesetzt (vgl. BGH NStZ 2004, 144 ff.), so begegnete die Maßregelanordnung hier rechtlichen Bedenken.
3. Die vom 4. Strafsenat (Urteil vom 6. Juli 2004 – 4 StR 85/03) und vom erkennenden Senat (Beschlüsse vom 20. August 2004 – 2 StR 434/03 und 211/04 sowie vom 19. November 2004 – 2 StR 431/04) genannten Voraussetzungen für eine Vorabentscheidung über die entscheidungsreifen Teile der Revision sind daher hier gegeben. Mit einer Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen ist voraussichtlich nicht vor Mitte des Jahres 2005 zu rechnen. Zwar ist das angefochtene Urteil erst am 7. Juli 2004 ergangen, so daß bisher eine Verletzung des Beschleunigungsgrundsatzes nicht gegeben ist. Im Hinblick auf die seit dem 10. September 2003 vollzogene Untersuchungshaft gebietet es der Beschleunigungsgrundsatz jedoch, das Verfahren durch eine Teilentscheidung zu fördern.
Unterschriften
Rissing-van Saan, Bode, Otten, Rothfuß, Roggenbuck
Fundstellen