Leitsatz (amtlich)
Die Bestimmungen in §§ 164 ff. BRAO über die besonderen Voraussetzungen für die Zulassung als Rechtsanwalt bei dem BGH sind nicht verfassungswidrig.
Normenkette
BRAO §§ 164-170
Tenor
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen und dem Antragsgegner die ihm entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.
Der Geschäftswert wird auf 25.000 EUR festgesetzt.
Gründe
A.
Der Antragsteller ist als Rechtsanwalt beim LG K. und seit dem 1.7.2002 auch als Rechtsanwalt beim OLG D. zugelassen. Seinen ursprünglich gestellten Antrag auf Simultanzulassung als Rechtsanwalt bei dem BGH lehnte der Antragsgegner ab. Den dagegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat der Senat mit Beschluss v. 14.7.2003 (BGH, Beschl. v. 14.7.2003 - AnwZ 1/02, BGHReport 2003, 1378) zurückgewiesen, nachdem das BVerfG mit Beschluss v. 31.10.2002 (BVerfG v. 31.10.2002 - 1 BvR 819/02, BVerfGE 106, 216 = MDR 2003, 118) die Verfassungsbeschwerde gegen den - in einem Parallelverfahren ergangenen - Beschluss des BGH v. 4.3.2002 (BGH, Beschl. v. 4.3.2002 - AnwZ 1/01, BGHZ 150, 70 = BGHReport 2002, 526 m. Anm. Hartung = MDR 2002, 725) nicht zur Entscheidung angenommen hatte.
Mit Schreiben v. 2.9.2003 beantragte der Antragsteller sodann, unter Aufgabe seiner bisherigen Zulassung beim OLG D. außerhalb des Verfahrens nach §§ 164 ff. BRAO als Rechtsanwalt bei dem BGH zugelassen zu werden. Der Antragsgegner lehnte auch diesen Antrag mit Bescheid v. 4.11.2003 ab. Dagegen richtet sich der Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.
B.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung, mit dem der Antragsteller sein Begehren auf Singularzulassung als Rechtsanwalt bei dem BGH weiterverfolgt, ist zulässig (§§ 162, 163, 170, 21 Abs. 2, §§ 37, 39 BRAO). Er hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
I.
Der Antragsteller erfüllt nicht die förmlichen Voraussetzungen, von denen nach §§ 164 ff. BRAO die Zulassung als Rechtsanwalt bei dem BGH abhängig ist. Nach § 170 Abs. 1 i.V.m. § 164 BRAO kann das Bundesministerium der Justiz nur solche Bewerber als Rechtsanwälte bei dem BGH zulassen, die ihm durch den Wahlausschuss für Rechtsanwälte bei dem BGH benannt worden sind. Eine solche Benennung des Antragstellers durch den Wahlausschuss ist im vorliegenden Fall nicht erfolgt. Der Antragsteller begehrt, außerhalb des Wahlverfahrens nach §§ 164 ff. BRAO als Rechtsanwalt bei dem BGH zugelassen zu werden.
Das Bundesministerium der Justiz kann Bewerber nicht unabhängig von deren Benennung durch den Wahlausschuss als Rechtsanwalt bei dem BGH zulassen. Soweit § 170 BRAO dem Bundesministerium der Justiz bei der Entscheidung über die Zulassung ein Ermessen bzw. Prüfungsrecht einräumt, bezieht sich dieses nur auf die fachliche und persönliche Eignung des zu ernennenden Bewerbers aus dem Kreis der vom Wahlausschuss benannten Bewerber (Feuerich/Weyland, BRAO, 6. Aufl., § 170 Rz. 5). Dem Bundesministerium der Justiz wird damit nicht die Befugnis eingeräumt, Bewerber außerhalb des Wahlverfahrens nach §§ 164 ff. BRAO zur Rechtsanwaltschaft bei dem BGH zuzulassen.
II.
Der Antragsteller meint, ihm sei außerhalb des in §§ 164 ff. BRAO vorgesehenen Verfahrens die Singularzulassung als Rechtsanwalt bei dem BGH zu erteilen, weil das in den §§ 164 bis 170 BRAO geregelte Verfahren, das die Aufnahme des Bewerbers in Vorschlagslisten, dessen Wahl durch den Wahlausschuss und die abschließende Auswahl durch das Bundesministerium der Justiz vorsieht, mit Art. 12 Abs. 1, Art. 3, Art. 20 Abs. 3 GG nicht vereinbar sei. Damit hat der Antragsteller keinen Erfolg. Die Bestimmungen in §§ 164 bis 170 BRAO über das Auswahlverfahren für die Zulassung als Rechtsanwalt bei dem BGH sind nicht verfassungswidrig.
1. Durch § 170 Abs. 1 i.V.m. § 164 BRAO wird in die Berufsfreiheit des Rechtsanwalts (Art. 12 Abs. 1 GG) eingegriffen. Als Rechtsanwalt bei dem BGH kann nur zugelassen werden, wer das in §§ 164 ff. BRAO vorgesehene Wahlverfahren durchlaufen hat. Diese Einschränkung der Berufsfreiheit des Rechtsanwalts betrifft nicht die Berufswahl, sondern sie enthält nach der vom BVerfG gebilligten Rechtsprechung des Senats nur eine Berufsausübungsregelung, mag sie auch Elemente enthalten, die einer Beschränkung der Berufswahl nahe kommen (BVerfG, Beschl. v. 24.3.1982 - 1 BvR 278/75, n.v., unter B I 1; BGH, Beschl. v. 14.5.1975 - AnwZ 7/75; Beschl. v. 10.5.1978 - AnwZ 11/78; Beschl. v. 23.6.1980 - AnwZ 2/80, jeweils n.v.; Beschl. v. 28.2.1983 - AnwZ 37/82, BRAK 1983, 135 [136], unter II 2b).
Das Verfahren nach §§ 164 ff. BRAO schränkt nicht die Freiheit ein, den Beruf des Rechtsanwalts zu wählen, sondern setzt lediglich der Ausübung dieses Berufs mit Bezug auf einen speziellen Bereich der einem Rechtsanwalt eröffneten Tätigkeiten Grenzen. Um eine Einschränkung des Grundrechts auf freie Berufswahl handelt es sich hierbei nicht, weil die Tätigkeit als Rechtsanwalt bei dem BGH kein eigenständiges Berufsbild begründet. Zwar trifft der Rechtsanwalt, der als bei dem BGH zugelassener Rechtsanwalt tätig wird, eine grundlegende und auf Dauer ausgerichtete Entscheidung, eine - in beruflicher Hinsicht - "Lebensentscheidung" (BVerfGE 33, 125 [161], zum Facharzt). Nach seiner Zulassung muss er seine bisherigen Mandate aufgeben. Er ist darauf angewiesen, neue Mandanten zu gewinnen, die ihn mit der Vertretung in Revisionen oder Beschwerden in Zivilsachen betrauen, und muss auch eine bisherige Sozietät aufgeben (§ 172a BRAO). Zudem ist seine Postulationsfähigkeit auf das Auftreten vor dem BGH, den anderen obersten Gerichtshöfen des Bundes, dem gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe und dem BVerfG beschränkt (§ 172 BRAO). Auch benötigt der als Rechtsanwalt bei dem BGH zugelassene Anwalt spezielles Fachwissen für das Revisions- und Beschwerdeverfahren.
Diese Besonderheiten der Tätigkeit als Rechtsanwalt bei dem BGH rechtfertigen es aber nicht, die Entscheidung, sich dieser Tätigkeit zu widmen, einer Berufswahl gleichzusetzen und die in §§ 164 ff. BRAO geregelten Zulassungsvoraussetzungen nach den Maßstäben für die verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Einschränkungen der Berufswahlfreiheit zu beurteilen. Da die Zulassungsbeschränkungen für die Vertretung in zivilrechtlichen Revisions- und Beschwerdeverfahren nur einen Teil der anwaltlichen Berufsausübung betreffen und da dieser Teil infolge Einschränkung des Revisionszugangs - vor der Reform des Revisionsrechts: § 554b ZPO a.F.; seit Einführung der Zulassungsrevision: §§ 543, 544 ZPO, § 26 Nr. 8 und 9 EGZPO - seinerseits begrenzt ist, können die Zulassungsbeschränkungen nach §§ 164 ff. BRAO, wie das BVerfG ausgeführt hat, nicht den gleichen strengen Anforderungen unterliegen wie in den Fällen, in denen qualifizierten Bewerbern der Zugang zu einem Beruf auf Grund von Bedürfnisprüfungen schlechthin versperrt wird (BVerfG, Beschl. v. 24.3.1982 - 1 BvR 278/75, n.v., unter B I 1).
Auch nach den Gesetzesmaterialien liegt den Zulassungsbeschränkungen in §§ 164 ff. BRAO kein eigenständiges Berufsbild des Rechtsanwalts bei dem BGH zu Grunde. Die Zulassung als Rechtsanwalt bei dem BGH ist nicht als originäre Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ausgestaltet, sondern als bloßer Zulassungswechsel innerhalb der - als Einheit verstandenen - Rechtsanwaltschaft (BT-Drucks. 3/120, 110, zu § 178). Die besondere Stellung der Rechtsanwaltschaft bei dem BGH ist (nur) durch ihren Wirkungskreis bedingt; diese bleibt aber "ein Teil der gesamten Anwaltschaft" (BT-Drucks. 3/120, 110, zu § 176).
2. Gesetzliche Eingriffe in die Freiheit der Berufsausübung sind nur dann mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, wenn sie - unter Beachtung des Gebotes der Verhältnismäßigkeit - durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt sind (BVerfG v. 31.10.2002 - 1 BvR 819/02, BVerfGE 106, 216 [219] = MDR 2003, 118; im Anschluss an: BVerfG v. 5.12.1995 - 1 BvR 2011/94, BVerfGE 93, 362 [369] = MDR 1996, 528 = BRAK 1996, 127; v. 13.12.2000 - 1 BvR 335/97, BVerfGE 103, 1 [10] = MDR 2001, 176 m. Anm. Härting). Diesen Anforderungen genügt das in §§ 164 ff. BRAO geregelte Auswahlverfahren für die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft bei dem BGH. Es gibt jedem Bewerber eine faire Chance, entsprechend seiner Eignung berücksichtigt zu werden (BVerfG, Beschl. v. 3.8.2004 - 1 BvR 135/00, 1 BvR 1086/01, MDR 2004, 1446, Rz. 27).
a) Gründe des Gemeinwohls, die eine Einschränkung der anwaltlichen Berufsausübungsfreiheit hinsichtlich der Tätigkeit als Rechtsanwalt bei dem BGH rechtfertigen, liegen vor. Hierzu hat das BVerfG in seiner Entscheidung v. 24.3.1982 ausgeführt, dass angesichts der für die anwaltliche Berufsausübung verbleibenden vielfältigen Möglichkeiten weder Rechtsanwälte unverhältnismäßig beeinträchtigt werden, noch im Übrigen die durch Art. 12 Abs. 1 GG gezogenen Grenzen der gesetzgeberischen Regelungsbefugnis überschritten werden, wenn der Gesetzgeber für einen speziellen Teil der anwaltlichen Tätigkeit aus schwer wiegenden Gemeinschaftsbelangen (Sicherung der Leistungs- und Funktionsfähigkeit der Rechtsanwaltschaft beim BGH als eines wichtigen Organs der Rechtspflege) Berufsausübungsbeschränkungen als unerlässlich betrachtet (BVerfG, Beschl. v. 24.3.1982 - 1 BvR 278/75, n.v., unter B I 1).
Diese Erwägungen haben weiterhin Gültigkeit. Die Besonderheiten des zivilrechtlichen Revisionsrechts stellen hohe Anforderungen an den bei dem BGH tätigen Rechtsanwalt. Sie rechtfertigen es, nur solche Bewerber als Rechtsanwalt bei dem BGH zuzulassen, die für diese Tätigkeit besonders qualifiziert sind (BGH, Beschl. v. 28.2.1983 - AnwZ 37/82, BRAK 1983, 135 [136], unter II 2b aa). Auch in seiner Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit des Gebots der Singularzulassung der Rechtsanwälte bei dem BGH (§ 171 BRAO) hat das BVerfG das überkommene Gemeinwohlinteresse an einer Stärkung der Rechtspflege durch eine leistungsfähige und in Revisionssachen besonders qualifizierte Anwaltschaft als legitim anerkannt (BVerfG v. 31.10.2002 - 1 BvR 819/02, BVerfGE 106, 216 [220] = MDR 2003, 118).
b) Die gesetzliche Ausgestaltung des Auswahlverfahrens genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Mit den Bestimmungen in §§ 164 ff. BRAO wird nicht nur das Gemeinwohlinteresse an der Gewinnung besonders qualifizierter Bewerber für die Tätigkeit als Rechtsanwalt bei dem BGH gewahrt, sondern auch der Anspruch der Bewerber auf chancengleichen Zugang zu dieser Tätigkeit.
aa) Die Bundesrechtsanwaltsordnung schreibt für die Zulassung als Rechtsanwalt bei dem BGH ein dreistufiges Verfahren vor.
Die Entscheidung darüber, welche Bewerber dem Wahlausschluss vorgeschlagen werden, obliegt den Rechtsanwaltskammern (§ 166 Abs. 2 BRAO) nach Maßgabe der in § 166 Abs. 3 BRAO geregelten Zulassungsvoraussetzungen und der persönlichen und fachlichen Eignung der Bewerber (BT-Drucks. 3/120, 110 f., zu § 180 a.E.; BGH, Beschl. v. 28.2.1983 - AnwZ 37/82, BRAK 1983, 135 [136], unter II 2b aa). Das Vorschlagsrecht der Bundesrechtsanwaltskammer auf der Grundlage der Vorschläge der Rechtsanwaltskammern gewährleistet eine flächendeckende Einbeziehung aller geeigneten Bewerber und bietet Bewerbern aus allen Rechtsanwaltskammerbezirken die Chance, an der Wahl teilzunehmen. Die Vorstände der Rechtsanwaltskammern beurteilen die Eignung eines Bewerbers auf Grund ihrer Erfahrungen hinsichtlich dessen bisheriger anwaltlicher Tätigkeit (BGH, Beschl. v. 28.2.1983 - AnwZ 37/82, BRAK 1983, 135 [136], unter II 2b aa). Die Bundesrechtsanwaltskammer vergleicht darüber hinaus die Bewerber aus den verschiedenen Rechtsanwaltskammerbezirken miteinander. Die Rechtsanwaltskammer bei dem BGH schließlich bringt die besondere Sachkunde der bei dem BGH bereits zugelassenen Rechtsanwälte ein, ohne dass deren Interessen bei dem Vorschlagsrecht oder im Wahlausschuss ein Übergewicht erlangen können (BVerfG, Beschl. v. 24.3.1982 - 1 BvR 278/75, n.v., unter B II 1).
Die anschließende Entscheidung darüber, welche Bewerber dem Bundesministerium der Justiz benannt werden, fällt in einer Wahl, der ebenfalls eine Prüfung der persönlichen und fachlichen Eignung des Bewerbers zu Grunde liegt (§ 167 Abs. 1 BRAO). Im Wahlausschuss (§ 165 Abs. 1 BRAO) wirken außer den wahlberechtigten Rechtsanwälten der Präsident und die Vorsitzenden Richter der Zivilsenate des BGH mit, die insb. die aus der richterlichen Sicht zu stellenden Anforderungen an einen zivilrechtlichen Revisionsanwalt zur Geltung bringen.
Auch die abschließende Entscheidung des Bundesministeriums der Justiz darüber, welche Bewerber aus dem Kreis der vom Wahlausschuss benannten zur Rechtsanwaltschaft bei dem BGH zugelassen werden, ist kein Formalakt, sondern beruht nochmals auf einer selbstständigen Prüfung, welche der vom Wahlausschuss benannten Bewerber für die Zulassung als Rechtsanwalt bei dem BGH am besten geeignet sind (Feuerich/Weyland, BRAO, 6. Aufl., § 170 Rz. 5).
Dieses - auf allen drei Stufen dem Prinzip der Bestenauslese verpflichtete - Auswahlverfahren nach §§ 164 ff. BRAO ist geeignet und erforderlich, um das legitime Gemeinwohlinteresse an einer Stärkung der Rechtspflege durch eine leistungsfähige und in Revisionssachen besonders qualifizierte Anwaltschaft zu verfolgen. Sachgerechte Verfahrensalternativen für die Auswahl der am besten qualifizierten Bewerber sind zwar vorstellbar, begründen aber nicht die Verfassungswidrigkeit der gegenwärtigen Regelung.
bb) Es begegnet insb. keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass der Entscheidung des Bundesministeriums der Justiz über die Zulassung als Rechtsanwalt bei dem BGH eine Wahl vorausgeht. In einem demokratischen Rechtssystem kann nicht zweifelhaft sein, dass Personalentscheidungen auf der Grundlage von Wahlen getroffen werden dürfen (BVerfG, Beschl. v. 24.3.1982 - 1 BvR 278/75, n.v., unter B I 3). Das Grundgesetz sieht für die Ernennung von Berufsrichtern und ehrenamtlichen Richtern ein Wahlverfahren ausdrücklich vor (vgl. Art. 94 Abs. 1, 95 Abs. 2, 98 Abs. 4 GG). Das Wahlverfahren nach der Bundesrechtsanwaltsordnung entspricht weitgehend dem Verfahren zur Richterwahl nach dem Richterwahlgesetz. Der Richterwahlausschuss hat als Vorbild für den Wahlausschuss für Rechtsanwälte bei dem BGH gedient (BT-Drucks. 3/120, 110, zu § 178).
Die Vorschriften über die Zusammensetzung des Wahlausschusses und über dessen Verfahren in §§ 165 ff. BRAO verstoßen ebenfalls nicht gegen Grundrechte des Bewerbers. Hierzu hat das BVerfG in seiner Entscheidung v. 24.3.1982 ausgeführt, dass das in § 165 Abs. 1 BRAO vorgesehene Zusammenwirken aller Kräfte, die ein berechtigtes Interesse an der Auswahl haben, Sachverstand und Objektivität bei der Auswahl am ehesten gewährleiste und auch hinlänglich geeignet erscheine, unterschiedliche Motivationen auszugleichen (BVerfG, Beschl. v. 24.3.1982 - 1 BvR 278/75, n.v., unter B I 3). Im Übrigen lasse die gesetzliche Regelung eine gerichtliche Überprüfung durch den Anwaltssenat des BGH zu, ob in einem konkreten Wahlverfahren der Grundsatz der Wahl- und Chancengleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) verletzt worden sei (BVerfG, Beschl. v. 24.3.1982 - 1 BvR 278/75, n.v., unter B I 3).
Auch diese Erwägungen des BVerfG, denen die ständige Rechtsprechung des Senats zur - nach der Natur der Sache begrenzten - gerichtlichen Überprüfung der im Auswahlverfahren getroffenen Entscheidungen entspricht (BGH, Beschl. v. 28.2.1983 - AnwZ 37/82, BRAK 1983, 135 [136], unter II 1 und 2, m.w.N.), sind weiterhin gültig. Entgegen der Auffassung des Antragstellers verstößt es nicht gegen Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG, dass die Eignungsanforderungen für die Zulassung als Rechtsanwalt bei dem BGH und die Kriterien für die Auswahl unter mehreren geeigneten Bewerbern vom Gesetzgeber nicht im Einzelnen geregelt worden sind. Eine gesetzliche Normierung der Eignungskriterien ist erforderlich, wenn es um den Zugang zu einem Beruf geht (BVerfG, Beschl. v. 9.5.1972 - 1 BvR 518/62, 1 BvR 308/64, BVerfGE 33, 125 [163]; v. 5.5.1987 - 1 BvR 981/81, BVerfGE 75, 284 [295] = MDR 1988, 199). Die Bestimmungen über die Zulassung als Rechtsanwalt bei dem BGH stellen jedoch, wie dargelegt, nur eine Berufsausübungsregelung dar (BVerfG, Beschl. v. 24.3.1982 - 1 BvR 278/75, unter B I 1). Unter diesen Umständen reicht es aus, dass die gesetzlichen Vorschriften Sachverstand und Objektivität im Auswahlverfahren durch das Zusammenwirken aller Kräfte, die ein berechtigtes Interesse an der Auswahl haben, gewährleisten (BVerfG, Beschl. v. 24.3.1982 - 1 BvR 278/75, unter B I 3).
c) Auch die nicht auf die Eignung des Bewerbers, sondern auf den objektiven Bedarf abstellende Regelung in § 168 Abs. 2 BRAO, nach welcher der Wahlausschuss aus den Vorschlagslisten die doppelte Anzahl von Rechtsanwälten benennt, die er für die Zulassung bei dem BGH für angemessen hält, ist nicht verfassungswidrig.
aa) Die Vorschrift des § 168 Abs. 2 BRAO verstößt nicht gegen das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot (Art. 20 Abs. 3 GG). Zwar hat der Gesetzgeber dem mit der Bedarfsprüfung beauftragten Wahlausschuss in § 168 Abs. 2 BRAO keine Vorgaben zur Bestimmung der Anzahl zuzulassender Rechtsanwälte bei dem BGH gemacht, sondern hierfür den unbestimmten Rechtsbegriff "angemessen" verwandt. Der Umstand, dass das Gesetz keine Kriterien für die Bemessung der Neuzulassungen vorsieht, wird aber dadurch ausgeglichen, dass über die Anzahl der Neuzulassungen der sachkundig und gemischt zusammengesetzte Wahlausschuss (§ 165 Abs. 1 BRAO) entscheidet, dessen Zusammensetzung sicherstellt, dass partikulare Motivationen und Interessen nicht zu Lasten der Objektivität der Auswahlentscheidung gehen (BVerfG, Beschl. v. 24.3.1982 - 1 BvR 278/75, unter B I 1).
bb) Ob die konkreten Entscheidungen des Wahlausschusses über die jeweils erforderlichen Neuzulassungen zu Bedenken Anlass geben könnten, unterliegt gerichtlicher Kontrolle (BVerfG, Beschl. v. 24.3.1982 - 1 BvR 278/75, unter B I 1), ist im vorliegenden Verfahren aber nicht zu prüfen, weil der Antragsteller nur die gesetzliche Regelung selbst angreift, nicht aber eine bestimmte Wahl und die dieser Wahl vorausgegangene Beschlussfassung über die Zahl der Neuzulassungen. Es geht hier nur um die grundsätzliche Frage, ob eine Beschränkung der Anzahl der bei dem BGH zugelassenen Rechtsanwälte, wie sie in § 168 Abs. 2 BRAO geregelt ist, in verfassungsrechtlicher Hinsicht überhaupt zulässig ist. Das BVerfG hat dies in seiner Entscheidung v. 24.3.1982 bejaht, indem es die Regelung in § 168 Abs. 2 BRAO erörtert und gebilligt hat (BVerfG, Beschl. v. 24.3.1982 - 1 BvR 278/75, unter B I 1). Die neuere Rechtsprechung des BVerfG rechtfertigt keine andere Beurteilung.
aaa) Die Bestimmung in § 168 Abs. 2 BRAO räumt dem Wahlausschluss einen Beurteilungsspielraum bei der Bestimmung der angemessenen Zahl der bei dem BGH zuzulassenden Rechtsanwälte ein. Deren Anzahl hat sich - ebenso wie bei der Bedarfsprüfung für die Bestellung eines Notars (§ 4 BNotO) - nach den Erfordernissen einer geordneten Rechtspflege zu richten. Bezugspunkt für die Bemessung der Neuzulassungen ist dementsprechend der Geschäftsanfall bei den Zivilsenaten des BGH. Im Hinblick darauf hat der Wahlausschuss bei der ihm obliegenden Bedarfsprüfung das Bedürfnis nach einer angemessenen Versorgung der Rechtsuchenden, die Wahrung einer geordneten Altersstruktur der Rechtsanwaltschaft bei dem BGH und das Vorhandensein ausreichender Betätigungsmöglichkeiten für die bei dem BGH zugelassenen Anwälte zu berücksichtigen (vgl. Bundesministerium der Justiz, Vorschläge zur Neuregelung des Rechts der Rechtsanwaltschaft bei dem BGH, Bericht der Kommission, 1998, S. 35). Diese Kriterien - auch das zuletzt genannte - sind weiterhin sachgerecht, um das Gemeinwohlinteresse an einer leistungsfähigen und in Revisionssachen besonders qualifizierten Anwaltschaft (BVerfG v. 31.10.2002 - 1 BvR 819/02, BVerfGE 106, 216 [220] = MDR 2003, 118) zu verfolgen und auch in Zukunft besonders qualifizierte Bewerber als Rechtsanwälte bei dem BGH zu gewinnen (Kommissionsbericht, S. 33).
bbb) In seiner Entscheidung v. 31.10.2002 (BVerfG v. 31.10.2002 - 1 BvR 819/02, BVerfGE 106, 216 = MDR 2003, 118) hat das BVerfG das Festhalten an einer eigenständigen Rechtsanwaltschaft bei dem BGH erneut gebilligt. Es hat das Gebot der Singularzulassung der Rechtsanwälte bei dem BGH (§ 171 BRAO) als weiterhin mit dem Verfassungsrecht, insb. Art. 12 Abs. 1 GG, vereinbar angesehen (BVerfG v. 31.10.2002 - 1 BvR 819/02, BVerfGE 106, 216 [222 f.] = MDR 2003, 118). Zwar folgt daraus nicht ohne weiteres die Zulässigkeit einer zahlenmäßigen Beschränkung der bei dem BGH zugelassenen Rechtsanwälte, wie sie § 168 Abs. 2 BRAO vorsieht. Beide Regelungen hängen aber insofern sachlich eng zusammen, als das Gebot der Singularzulassung eine zahlenmäßige Beschränkung der ausschließlich bei dem BGH zugelassenen Rechtsanwaltschaft geradezu fordert. Ohne eine Bedarfsregelung (§ 168 Abs. 2 BRAO) wäre das Institut einer besonderen Rechtsanwaltschaft, die ausschließlich bei dem BGH zugelassen ist (§ 171 BRAO) und im Wesentlichen auch nur vor diesem Gericht auftreten kann (§ 172 BRAO), nicht aufrechtzuerhalten. Die vom BVerfG als verfassungsgemäß angesehene Einheit von berufsrechtlicher Lokalisation (§§ 171, 18 BRAO), eingeschränkter Postulationsfähigkeit (§ 172 BRAO) und Kanzleisitz (§ 27 BRAO) der Rechtsanwälte bei dem BGH (BVerfG v. 31.10.2002 - 1 BvR 819/02, BVerfGE 106, 216 [223] = MDR 2003, 118) setzt die fortbestehende Zulässigkeit der Bedarfsprüfung nach § 168 Abs. 2 BRAO voraus.
Der enge sachliche Zusammenhang der Regelungen in § 168 Abs. 2 BRAO einerseits und §§ 171, 172 (sowie § 172a) BRAO andererseits ergibt sich daraus, dass dem Rechtsanwalt bei dem BGH die - allein ihm obliegenden - Beschränkungen seiner Berufsausübungsfreiheit in §§ 171 ff. BRAO im Interesse der Rechtspflege nur auferlegt werden können, wenn dem im Wesentlichen auf die Bearbeitung zivilrechtlicher Revisionsverfahren beschränkten Rechtsanwalt bei dem BGH ein ausreichendes Betätigungsfeld offen steht, das ihm auch in wirtschaftlicher Hinsicht eine berufliche Existenz ermöglicht. Gerade besonders gute und qualifizierte Rechtsanwälte sind für eine ausschließliche Tätigkeit bei dem BGH, die von ihnen die Aufgabe ihrer bisherigen Sozietäten und ihrer bisherigen Mandate verlangt, nur zu gewinnen, wenn ihnen bei dem BGH eine ausfüllende Beschäftigung mit ausreichendem wirtschaftlichen Ertrag geboten wird (Kommissionsbericht, S. 33).
ccc) Die vom BVerfG (BVerfG v. 31.10.2002 - 1 BvR 819/02, BVerfGE 106, 216 [222 f.] = MDR 2003, 118) aufgeworfene Frage nach den Auswirkungen der Reform des Zivilprozesses, insb. der Einführung der Nichtzulassungsbeschwerde gem. § 544 ZPO n.F. auf das Revisionsverfahren, ist gegenwärtig dahin zu beantworten, dass das Gebot der Singularzulassung nach § 171 BRAO - und damit auch die Bedarfsprüfung nach § 168 Abs. 2 BRAO - weiterhin sachlich gerechtfertigt sind.
Die Änderung des Revisionsrechts hat nicht zu einer derartigen Veränderung der Geschäftsbelastung der Zivilsenate des BGH geführt, dass im Hinblick auf das Interesse der Rechtspflege eine Öffnung der Tätigkeit der Rechtsanwälte bei dem BGH für eine unbegrenzte Anzahl von Rechtsanwälten vertretbar oder gar geboten erscheinen ließe. Hinzu kommt, dass selbst eine Steigerung der Rechtsmitteleingänge bei dem BGH auf Grund der mit der Reform des Zivilprozesses neu eingeführten Rechtsmittel - Nichtzulassungsbeschwerde und Rechtsbeschwerde - nicht ohne weiteres zu einer Steigerung des wirtschaftlichen Ertrags der Rechtsanwälte bei dem BGH führen würde. Denn auf Grund der streitwertunabhängigen Statthaftigkeit von zugelassenen Revisionen sowie von Rechtsbeschwerden und - vorbehaltlich einer Gesetzesänderung - ab 1.1.2007 (§ 26 Nr. 8 EGZPO) auch von Nichtzulassungsbeschwerden sowie auf Grund des Umstands, dass Revisionen - anders als nach früherem Recht - sowie Nichtzulassungsbeschwerden und Rechtsbeschwerden auch gegen Rechtsmittelentscheidungen des LG mit vergleichsweise niedrigem Streitwert statthaft sind, zeichnet sich jetzt bereits ab, dass sich die wirtschaftliche Situation der bei dem BGH zugelassenen Rechtsanwälte durch die Reform des Zivilprozessrechts jedenfalls nicht verbessert hat und deshalb - im Interesse der Rechtspflege an einer leistungsfähigen und in Revisionssachen besonders qualifizierten Anwaltschaft (BVerfG v. 31.10.2002 - 1 BvR 819/02, BVerfGE 106, 216 [220] = MDR 2003, 118) - ein Wegfall der Beschränkung des Zugangs zur Rechtsanwaltschaft bei dem BGH nicht sachgerecht wäre.
Fundstellen
BGHZ 2005, 199 |
NJW 2005, 2304 |
BGHR 2005, 1222 |
JR 2006, 281 |
AnwBl 2005, 578 |
MDR 2005, 1198 |
WuM 2005, 475 |
KammerForum 2005, 269 |