Entscheidungsstichwort (Thema)
vorläufige Amtsenthebung nach Einleitung des förmlichen Disziplinarverfahrens
Verfahrensgang
OLG Celle (Beschluss vom 01.11.2001) |
Tenor
Die Beschwerde des Notars gegen den Beschluß des Senats für Notarsachen bei dem Oberlandesgericht Celle vom 1. November 2001 wird zurückgewiesen.
Tatbestand
I. Gegen den Notar, der seit November 1982 Rechtsanwalt im Landgerichtsbezirk O. und seit Mai 1986 Notar mit dem Amtssitz zunächst in H. und seit Februar 1988 in H. ist, hat der Beteiligte mit Verfügung vom 14. Mai 2001 das förmliche Disziplinarverfahren eingeleitet. Mit Verfügung vom 3. Juli 2001 hat er den Notar vorläufig seines Amtes enthoben. Der Untersuchungsführer hat das Verfahren auf Antrag des Beteiligten vom 28. August 2001 durch Beschluß vom 12. September 2001 auf weitere Vorgänge erstreckt, die Gegenstand eines Ermittlungsverfahrens gegen den Notar wegen Beihilfe zum Betrug sind.
Dem Notar wird im wesentlichen vorgeworfen, er habe in den Jahren 1997 bis 1999 im Zusammenhang mit der Beurkundung von zahlreichen Kaufverträgen über Eigentumswohnungen, an denen ganz überwiegend nicht in seinem Amtsbereich ansässige Personen beteiligt waren und die außerhalb seines Amtsbereichs belegene Objekte betrafen, schuldhaft gegen seine Pflichten aus § 14 Abs. 2 und 3 BNotO verstoßen, seine Amtstätigkeit zu versagen, wenn seine Mitwirkung bei Handlungen verlangt wird, mit denen erkennbar unerlaubte oder unredliche Zwecke verfolgt werden, und jedes Verhalten zu vermeiden, das den Anschein der Abhängigkeit oder Parteilichkeit erzeugt. A. L. aus D. und M. Sch. aus H., letzterer teilweise als Geschäftsführer einer von ihm betriebenen Gesellschaft, ließen durch den Notar etwa 40 Verträge über den Ankauf von Eigentumswohnungen beurkunden. Diese Wohnungen verkauften sie mit etwa 60 vor dem Notar geschlossenen Verträgen zu einem Mehrfachen des Ankaufspreises weiter, in 27 Fällen noch am selben Tag oder in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem Ankauf. Bei 25 Weiterverkaufsfällen hat der Notar an L. und Sch. Barauszahlungen von circa 4,65 Mio. DM vorgenommen. Insgesamt hat er im Zeitraum von 1997 bis 1999 knapp 9 Mio. DM bar ausbezahlt, davon etwa 7 Mio. DM an L. und Sch.. Für die Barzahlungen liegen Quittungen nebst Identitätsfeststellung vor, die Gründe für die Barzahlung sind nicht vermerkt. Nach Auffassung der Einleitungsbehörde waren die tatsächlich vereinbarten Weiterverkaufspreise zum Nachteil der Käufer für den Notar erkennbar weit überhöht. Außerdem seien, was der Notar gewußt haben müsse, die beurkundeten Kaufpreise deutlich höher gewesen als die tatsächlich vereinbarten, um mit Blick auf die Beleihungsvorschriften der Banken die von L. und Sch. versprochene 100%-Finanzierung zu erreichen.
Der Notar hat gegen die vorläufige Amtsenthebung Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt. Das Oberlandesgericht hat den Antrag durch Beschluß vom 1. November 2001 zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Notar mit der Beschwerde, der das Oberlandesgericht nicht abgeholfen hat.
Entscheidungsgründe
II. Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 105 BNotO i.V. mit § 79 BDO), hat aber in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Oberlandesgericht die vorläufige Amtsenthebung des Notars aufrecht erhalten.
1. Nach §§ 54 Abs. 5, 96 BNotO i.V. mit §§ 91, 94 Abs. 1 NDO kann die Einleitungsbehörde einen Notar vorläufig seines Amtes entheben, wenn das förmliche Disziplinarverfahren gegen ihn eingeleitet wird oder eingeleitet worden ist. Nähere Vorschriften über das hierbei auszuübende Ermessen enthält das niedersächsische Disziplinarrecht nicht. Maßgeblich sind die vom Senat im Anschluß an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur vorläufigen Amtsenthebung eines Notars entwickelten allgemeinen Grundsätze. Danach setzt die vorläufige Amtsenthebung voraus, daß die endgültige, wenn auch nur befristete Amtsenthebung zu erwarten ist, die Maßnahme zur Abwehr konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter geboten ist und daß sie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht (Senatsbeschluß vom 26. Oktober 2000 – NotSt (B) 3/00 – DNotZ 2001, 567 ff., st. Rspr.).
2. Diese Voraussetzungen waren bei der Anordnung der Maßnahme gegeben und liegen auch weiterhin vor. Es bestehen hinreichende Anhaltspunkte dafür, daß der Notar aufgrund des ihm vorgeworfenen schweren Dienstvergehens zumindest auf bestimmte Zeit (§ 97 Abs. 3 BNotO) aus dem Amt entfernt werden wird.
a) Nach dem bisherigen Ergebnis der Ermittlungen im Strafverfahren und im Disziplinarverfahren besteht der hinreichende Verdacht, daß eine größere Anzahl von Personen, an die die Eigentumswohnungen weiterverkauft wurden, einen weit überhöhten Kaufpreis bezahlt hat, weil ihnen wertmindernde Eigenschaften der Objekte (Sanierungsbedarf in Höhe von mehreren Millionen DM, Leerstehen von Wohnungen oder problematische Mietverhältnisse) verschwiegen wurden. Bereits feststehen dürfte, daß in vermutlich allen Fällen die beurkundeten Kaufpreise die wirklich vereinbarten deutlich überstiegen, um bei den Banken eine volle Finanzierung des tatsächlich geschuldeten Kaufpreises zu erreichen.
Der Notar hat in der Beschwerdebegründung vom 28. November 2001 den objektiven Sachverhalt nicht bestritten und ausdrücklich eingeräumt, daß das Verfahren der Kaufpreisfinanzierung unredlich war. Soweit er im Schriftsatz vom 6. Februar 2002 meint, zwischenzeitlich habe sich herausgestellt, daß jedenfalls teilweise nicht von Wuchergeschäften gesprochen werden könne, ist dies mangels konkreter Angaben nicht nachvollziehbar und auch nicht ersichtlich.
Das Vorbringen des Notars, er habe nicht erkannt und auch nicht erkennen können, daß er an Handlungen mitgewirkt hat, mit denen unerlaubte oder unredliche Zwecke verfolgt wurden, ist nicht glaubhaft. Es ist nicht vorstellbar, daß der in Grundstücksgeschäften erfahrene Notar angesichts der vom Oberlandesgericht mit Recht als exorbitant bezeichneten Differenzen zwischen Ankaufs- und Verkaufspreisen geglaubt haben könnte, bei den von ihm beurkundeten Verträgen gehe alles mit rechten Dingen zu. Daß er vom unredlichen Verfahren der Finanzierung Kenntnis gehabt haben dürfte, ergibt sich aus den Angaben der Zeugen W. und K. W. vor dem Untersuchungsführer. Danach hat der Notar bei der Erörterung des Kaufpreises mehrfach gesagt, an dieser Stelle müsse er eigentlich den Raum verlassen. Auf eine solche Kenntnis deutet auch das Schreiben der V. Sch. Vermittlungen vom 2. März 1998 an den Käufer Schl. hin. Aus diesem Schreiben ergibt sich, daß der zu zahlende Kaufpreis circa 60.000 DM unter dem beurkundeten liegt und der Notar darüber informiert ist oder wird.
b) Deshalb besteht der hinreichende Verdacht, daß der Notar in schwerwiegender Weise schuldhaft gegen seine Amtspflichten nach § 14 Abs. 2 und 3 BNotO verstoßen hat, so daß zu erwarten ist, daß er zumindest auf bestimmte Zeit aus seinem Amt entfernt werden wird. Wegen der Schwere und des Umfangs der Verfehlungen ist die vorläufige Amtsenthebung geboten. Sie ist angesichts der bisherigen Dauer und der zügigen Durchführung des Disziplinarverfahrens auch nicht unverhältnismäßig.
3. Zur weiteren Begründung wird auf die zutreffenden Ausführungen des Oberlandesgerichts im angefochtenen Beschluß und im Nichtabhilfebeschluß vom 4. Dezember 2001 Bezug genommen.
Unterschriften
Rinne, Streck, Seiffert, Bauer, Eule
Fundstellen
Haufe-Index 749332 |
DNotZ 2003, 72 |
NJOZ 2002, 1883 |