Entscheidungsstichwort (Thema)
vorläufige Amtsenthebung nach Einleitung des förmlichen Disziplinarverfahrens
Tenor
Die Beschwerde des Notars gegen den Beschluß des Senats für Notarsachen des Oberlandesgerichts Köln vom 23. Februar 2000 wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Gegen den Notar, der seit November 1971 Notar mit dem Amtssitz in E. ist, hat der Beteiligte am 14. November 1995 das förmliche Disziplinarverfahren eingeleitet und dieses mit Einbeziehungsverfügungen vom 16. Juli und 13. Dezember 1996 erweitert. Gegenstand des Verfahrens sind verschiedene Verstöße des Notars gegen die ihm nach § 14 Abs. 1 und 2 BNotO obliegenden Amtspflichten, wobei es – soweit für das vorliegende Verfahren von Bedeutung – im Kern um folgende drei Sachverhalte geht:
1. Im Oktober 1990 planten der Notar und der ihm bekannte Rechtsanwalt P. die Beteiligung an einem Währungsgeschäft, bei dem ihnen eine Rendite in Höhe des sechs- bis achtfachen Betrags der Investitionssumme in Aussicht gestellt worden war. P. war seinerzeit Bevollmächtigter der unter Beteiligung seiner Ehefrau gegründeten P & H-GmbH. Anstatt den für das Anlagegeschäft benötigten Betrag von 30.000,– DM aus eigenen Mitteln aufzubringen, nutzte er seine Vollmacht, um das Geld mittels eines von ihm ausgestellten Verrechnungsschecks von dem Konto der GmbH abzuziehen. Dabei war ihm der Notar behilflich, indem er den Scheck über ein ihm, dem Notar, gehörendes Konto einziehen ließ, den Gegenwert per Barscheck wieder abhob und sodann an die mit dem Anlagegeschäft befaßte Mittelsperson weiterleitete. Das Geld ging bei dem Geschäft verloren.
2. Im Jahre 1993 war der Notar im Rahmen seiner Amtsgeschäfte damit befaßt, eine hochspekulative Yen-USD-Geldanlage von 5 Mio. USD, die Rechtsanwalt P. als Treuhänder entgegen den Weisungen seines Auftraggebers Sch. ohne die erforderlichen werthaltigen Sicherheiten vornahm, zusammen mit P. in Kenntnis der Umstände abzuwickeln. Das gesamte Treuhandvermögen ging nach der Transaktion auf ein amerikanisches Bankkonto verloren.
3. In den Jahren 1993 und 1994 bekundete der Notar in 17 Fällen Bauträger-Kaufverträge, in denen die Fälligkeit unter Verstoß gegen § 3 Abs. 1 Nr. 2 der Makler- und BauträgerVO (MaBV) so geregelt war, daß Zahlungen des Erwerbers nicht erst nach Eintragung der Auflassungsvormerkung, sondern bereits dann fällig wurden, wenn der Notar den Beteiligten bestätigt hatte, daß die Eintragung der Auflassungsvormerkung beantragt war und Gründe, die der rangrechten Eintragung entgegenstehen, nach Einsichtnahme in die Grundakten nicht ersichtlich waren.
Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die Einleitungs- und Erweiterungsverfügungen des Beteiligten Bezug genommen. Die beiden erstgenannten Sachverhalte waren Gegenstand eines u.a. gegen den Notar und P. gerichteten Strafverfahrens, in dem der Notar durch Urteil des Landgerichts K. vom 6. Juni 1997 wegen Beihilfe zur Untreue in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten unter Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung verurteilt wurde. Die Revision des Notars wurde durch Urteil des Bundesgerichtshofs vom 26. Oktober 1998 (5 StR 746/97) verworfen. Die dagegen eingelegte Verfassungsbeschwerde des Notars wurde durch Beschluß der 3. Kammer des 2. Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Januar 2000 (2 BvR 2152/98) nicht zur Entscheidung angenommen. Auf die Entscheidungen der vorbezeichneten Gerichte wird ergänzend inhaltlich Bezug genommen.
Das im Hinblick auf das Strafverfahren ausgesetzte Disziplinarverfahren hat der Beteiligte durch Verfügung vom 26. Januar 1999 wieder aufgenommen und den Notar gleichzeitig vorläufig seines Amtes enthoben. Den hiergegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Notar mit der Beschwerde, der das Oberlandesgericht nicht abgeholfen hat.
II.
Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 105 BNotO i.V.m. § 79 BDO), hat aber in der Sache keinen Erfolg.
Zu Recht hat das Oberlandesgericht die vorläufige Amtsenthebung des Notars aufrechterhalten. Nach § 96 BNotO i.V.m. § 91 DO NW kann die Einleitungsbehörde einen Notar vorläufig seines Amtes entheben, wenn ein dienstliches Bedürfnis vorliegt und das förmliche Disziplinarverfahren gegen ihn eingeleitet wird oder eingeleitet worden ist. Nähere Vorschriften über das hierbei auszuübende Ermessen enthält das nordrhein-westfälische Disziplinarrecht nicht. Maßgeblich sind die vom Senat im Anschluß an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur vorläufigen Amtsenthebung eines Notars entwickelten allgemeinen Grundsätze. Danach setzt die vorläufige Amtsenthebung voraus, daß die endgültige, wenn auch nur befristete Amtsenthebung zu erwarten ist, die Maßnahme zur Abwehr konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter geboten ist und daß sie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht (vgl. Sen.Beschl. v. 25. April 1994 – NotZ 15/93, BGHR BNotO § 96, Disziplinarverfahren 4 u. st. Rspr.). Diese Voraussetzungen waren bei der Anordnung der Maßnahme gegeben und liegen auch weiterhin vor.
Es bestehen hinreichende Anhaltspunkte dafür, daß der Notar aufgrund des ihm vorgeworfenen schweren Dienstvergehens aus dem Amt entfernt werden wird.
1. Aufgrund des rechtskräftigen Strafurteils des Landgerichts K. vom 6. Juni 1997 steht fest, daß sich der Notar der Beihilfe zur Untreue in zwei Fällen strafbar gemacht hat: Zum einen hinsichtlich des Tatkomplexes der hochspekulativen Geldanlage des Rechtsanwalts P. im Umfang von 5 Mio. US-$ zum Nachteil von dessen Auftraggeber Sch. und zum anderen hinsichtlich des durch P. zum Nachteil der P & H-GmbH veruntreuten Scheckbetrages von 30.000,– DM. Damit hat der Notar – wie das Oberlandesgericht zutreffend festgestellt hat – zugleich gegen die ihm aus § 14 Abs. 1 und 2 BNotO obliegenden Amtspflichten in gravierender Weise vorsätzlich verstoßen. Die tatsächlichen Feststellungen des rechtskräftigen landgerichtlichen Urteils im Strafverfahren sind gemäß § 18 Abs. 1 BDO/DO NW für das Disziplinarverfahren bindend. Mit Recht hat das Oberlandesgericht die Voraussetzungen für einen „Lösungsbeschluß” nach § 18 Abs. 1 Satz 2 BDO/DO NW verneint, weil erhebliche Zweifel an den vom Tatrichter festgestellten Tatsachen nach Aktenlage nicht bestehen. Solche relevanten Zweifel sind auch nicht aufgrund des umfänglichen Beschwerdevorbringens des Notars ersichtlich. Der Notar hat bereits mit im wesentlichen gleichgelagerter Argumentation vergeblich versucht, seine strafgerichtliche Verurteilung mit dem Rechtsmittel der Revision und der Verfassungsbeschwerde zu Fall zu bringen. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf die den Notar betreffenden Ausführungen in dem seine Revision verwerfenden Urteil des Bundesgerichtshofs vom 26. Oktober 1998 sowie auf die Ausführungen des Oberlandesgerichts im angefochtenen Beschluß – soweit sie sich mit den Einwänden des Notars dagegen befassen – Bezug. Die einzelnen von der Beschwerde aufgezeigten Gesichtspunkte erschöpfen sich in letztlich unzulässigen Angriffen auf die tatrichterliche Beweiswürdigung in dem rechtskräftigen Strafurteil. Da vorliegend von einer Bindung nach § 18 Abs. 1 Satz 1 BDO/DO NW auszugehen ist, sind Beweisanträge entsprechend § 244 Abs. 3 StPO unzulässig; sie dienen nämlich allenfalls dem – jedenfalls im Rahmen des summarischen Verfahrens der vorläufigen Amtsenthebung – nicht statthaften Ziel, Zweifel im Sinne von § 18 Abs. 1 Satz 2 BDO/DO NW erst zu ermitteln oder zu begründen.
2. Mit Recht hat das Oberlandesgericht den Tatbestand einer vorsätzlichen Zuwiderhandlung gegen § 14 Abs. 1, 2 BNotO auch insoweit als erfüllt angesehen, als der Notar in 17 Fällen der Beurkundung von Bauträger-Kaufverträgen gegen die zwingende Vorschrift des § 3 Abs. 1 Nr. 2 MABV verstoßen hat; hierzu kann ebenfalls auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Beschluß, die durch das Beschwerdevorbringen nicht entkräftet werden, verwiesen werden. Daß sich der Notar bei rückschauender Betrachtung hinsichtlich dieser Verstöße im wesentlichen einsichtig zeigt, beseitigt nicht die Tatsache eines Dienstvergehens, sondern ist allenfalls auf der Rechtsfolgenseite zu berücksichtigen.
3. Mit Recht hat das Oberlandesgericht die Pflichtverstöße des Notars als so schwerwiegend bezeichnet, daß seine (zeitliche) Entfernung aus dem Amt mit großer Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Im Vordergrund stehen dabei ersichtlich die beiden Fälle der Beihilfe zur Untreue, die im besonders sensiblen Bereich der Betreuung fremder Vermögensinteressen angesiedelt sind und damit Pflichten von zentraler Bedeutung für die notarielle Tätigkeit berühren; sie begründen durchschlagende Bedenken gegen die persönliche Eignung des Notars für sein Amt. In diesem Zusammenhang kann nicht unberücksichtigt bleiben, daß ihm schon in einer früheren Disziplinarverfügung vom 17. Januar 1992 angelastet wurde, sein Notariat für undurchschaubare Geldtransaktionen zur Verfügung gestellt zu haben; die damalige Sanktion mit einer Geldbuße von 6.000,– DM hat der Notar offenbar nicht zum Anlaß genommen, seine Amtsführung insoweit zu ändern und sich von dubiosen Geldgeschäften fernzuhalten. Von nicht unerheblichem Gewicht sind aber auch daneben die im Rahmen seiner Beurkundungstätigkeit begangenen Verstöße gegen die Makler- und Bauträgerverordnung. Die vorläufige Amtsenthebung ist daher bis zum Abschluß des Disziplinarverfahrens zur Abwehr konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter geboten. Aufgrund des zutage getretenen Eignungsmangels des Notars besteht die Besorgnis einer Wiederholung gleicher oder ähnlicher Verstöße; auch insoweit schließt sich der Senat den zutreffenden Ausführungen des angefochtenen Beschlusses an.
4. Angesichts dessen ist die bisherige Dauer der vorläufigen Amtsenthebung und ihre Aufrechterhaltung bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht unverhältnismäßig. Das Disziplinarverfahren ist auch nach Wegfall der gesetzlich vorgeschriebenen Unterbrechung im Anschluß an den rechtskräftigen Abschluß des Strafverfahrens bislang unter hinreichender Beachtung des Beschleunigungsgebots (vgl. dazu BVerfGE 45, 422, 431) betrieben worden. Nach Vorliegen des abschließenden Berichts des Untersuchungsführers vom 21. Januar 2000 ist die Anschuldigungsschrift in der Hauptsache am 2. Mai 2000 bei dem zuständigen Notarsenat des Oberlandesgerichts eingereicht worden. Dem Notar ist eine Äußerungsfrist bis Mitte Dezember 2000 eingeräumt worden; alsdann ist mit der gebotenen zügigen Terminierung zu rechnen.
Unterschriften
Rinne, Tropf, Kurzwelly, Grantz, Lintz
Fundstellen
Haufe-Index 556542 |
DNotZ 2001, 567 |