Entscheidungsstichwort (Thema)
Anfechtung eines Beschlusses der Kammerversammlung
Leitsatz (amtlich)
a) Zur Finanzierung der anwaltsbezogenen Referendarausbildung dürfen die Rechtsanwaltskammern von ihren Mitgliedern Umlagen erheben.
b) Die Rechtsanwaltskammern sind befugt, sich im Rahmen ihrer Mitwirkung nach § 73 Abs. 2 Nr. 9 BRAO auch finanziell an der Ausbildung der Rechtsreferendare zu beteiligen, soweit dadurch die grundsätzliche Finanzierungsverantwortung des Staates für die Juristenausbildung unberührt bleibt.
Normenkette
BRAO § 73 Abs. 2 Nr. 9
Verfahrensgang
AGH Hamburg (Beschluss vom 13.02.2004) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des II. Senats des Anwaltsgerichtshofs in der Freien und Hansestadt Hamburg vom 13. Februar 2004 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 10.000 EUR festgesetzt.
Tatbestand
I.
Der Antragsteller ist Mitglied der Antragsgegnerin. Am 29. April 2003 führte die Antragsgegnerin ihre ordentliche Kammerversammlung für das Jahr 2003 durch. Die Einladung zur Kammerversammlung enthielt neben anderen folgenden Tagesordnungspunkt:
„Tagesordnungspunkt 6
Zweckgebundene Ausbildungsumlage für die Finanzierung der anwaltsbezogenen Ausbildungsabschnitte der Referendarausbildung
Die Kammerversammlung möge beschließen:
Für die Finanzierung der anwaltsbezogenen Referendarausbildung gemäß § 5 b Abs. 2 Nr. 4 in Verbindung mit Abs. 6 DRiG (Pflicht- bzw. Wahlpflichtarbeitsgemeinschaft sowie Erstellung von Anwaltsklausuren) wird ab 01. Januar 2004 gemäß § 89 Abs. 2 Nr. 2 BRAO eine zweckgebundene Umlage erhoben. Sie beträgt 25 Euro pro Jahr pro Kammermitglied und kann entsprechend § 4 der Beitragsordnung ermäßigt werden. Die Umlage ist jeweils zusammen mit dem Kammerbeitrag fällig.”
In der ausführlichen Begründung des Beschlußvorschlages wurde unter anderem dargelegt, daß durch das am 21. März 2002 vom Bundestag beschlossene Gesetz zur Reform der Juristenausbildung und die anstehende Neuregelung der Juristenausbildung durch das H. Juristenausbildungsgesetz eine deutlich stärkere Berücksichtigung des anwaltlichen Berufsfeldes in der Referendarausbildung bewirkt werden wird. Die Pflichtausbildung beim Rechtsanwalt werde in Zukunft nicht mehr drei, sondern neun Monate andauern, bei Einbeziehung der Wahlstation sogar zwölf Monate. Die anwaltlichen Arbeitsgemeinschaften würden zu Pflichtveranstaltungen. Auch im Zweiten Staatsexamen werde die „rechtsberatende Praxis” stärkere Berücksichtigung finden. Die erste verlängerte Rechtsanwaltsstation beginne am 1. Januar 2004. Der Kammervorstand sei nunmehr gemäß § 73 Abs. 2 Nr. 9 BRAO verpflichtet, Arbeitsgemeinschaftsleiter und Prüfer vorzuschlagen sowie an der Ausbildung und Prüfung der Referendare mitzuwirken. Die Umlage diene zum größten Teil einer Finanzierung von Referentenhonoraren für die von Rechtsanwälten abzuhaltenden Anwaltsarbeitsgemeinschaften. Die durch die Umlage aufgebrachten Mittel verblieben daher größtenteils in der Anwaltschaft. Weiterhin sei zur Erfüllung der Mitwirkungsverpflichtung an den Prüfungen gemeinsam mit der Notarkammer H. und der Rechtsanwaltskammer B. die Schaffung eines Klausurenpools für Rechtsanwaltsklausuren geplant. Die Beschaffung für Prüfungszwecke geeigneter Rechtsanwaltsakten und die Erstellung der Prüfungsaufgaben solle professionell von einem hierfür nach Maßgabe einer halben BAT I b-Stelle vergüteten Kollegen geleistet werden. Die hierfür anfallenden Kosten nebst Aufwendungen für Materialien, Kopien u.ä. seien ebenfalls Gegenstand der Umlage.
In der Kammerversammlung vom 29. April 2003 wurde der Beschlußvorschlag mehrheitlich angenommen. Der Beschlußfassung war eine Aussprache vorausgegangen, an der sich unter anderem auch der Antragsteller beteiligte. Diese endete, nachdem ein Kammermitglied einen Geschäftsordnungsantrag auf „Schluß der Debatte” gestellt hatte, dem die Mehrheit der Kammermitglieder zustimmte.
Mit einem am 30. Mai 2003 (der 29. Mai 2003 fiel auf einen gesetzlichen Feiertag) beim Anwaltsgerichtshof eingegangenen Schriftsatz hat der Antragsteller form- und fristgerecht beantragt, den Beschluß zu dem Tagesordnungspunkt 6 der Kammerversammlung 2003 für nichtig zu erklären. Zur Begründung hat er zum einen formelle Mängel bei der Beschlußfassung geltend gemacht. Insbesondere sei § 5 Abs. 7 Satz 2 der Satzung der Antragsgegnerin nicht eingehalten worden, wonach vor der Abstimmung über einen Antrag, die Aussprache zu einem Gegenstand der Tagesordnung zu schließen, zunächst ein Redner für und ein Redner gegen den Antrag zu hören sei. Zum anderen hat er die Auffassung vertreten, daß es für den gefaßten Umlagebeschluß an einer gesetzlichen Grundlage fehle. Durch die Umlage solle eine der Antragsgegnerin nicht zugewiesene Aufgabe finanziert werden. Zudem könne es nicht Aufgabe der Antragsgegnerin sein, durch eine Zwangsabgabe (potentielle) Konkurrenten ihrer Mitglieder zu fördern.
Der Anwaltsgerichtshof hat mit Beschluß vom 13. Februar 2004 den Antrag zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die – vom Anwaltsgerichtshof zugelassene – sofortige Beschwerde des Antragstellers. Der Beschwerdeführer vertritt weiterhin die Auffassung, daß der angefochtene Beschluß in formeller Hinsicht jedenfalls wegen des Verstoßes gegen § 5 Abs. 7 Satz 2 der Satzung der Antragsgegnerin nichtig sei. Vor allem sei der Beschluß vom 29. April 2003 aber auch materiell rechtswidrig, da die Antragsgegnerin mit ihm eine Aufgabe wahrnehmen wolle, die ihr von Gesetzes wegen nicht zugewiesen sei. Jedenfalls sei es ihr verwehrt, den Antragsteller zwangsweise über eine zweckgebundene Umlage oder sonst erhöhte Kammerbeiträge an den Kosten dieser Aufgabe zu beteiligen.
Entscheidungsgründe
II.
Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 91 Abs. 6 i.V.m. § 42 Abs. 4 Satz 1 BRAO), hat in der Sache aber keinen Erfolg. Der Anwaltsgerichtshof hat dem Antrag, den Beschluß zu Tagesordnungspunkt 6 der Kammerversammlung der Antragsgegnerin vom 29. April 2003 für nichtig zu erklären, zu Recht nicht stattgegeben.
1. Der Anwaltsgerichtshof hat im Ergebnis zutreffend eine Nichtigkeit des Beschlusses vom 29. April 2003 aus formellen Gründen verneint. Das Beschwerdevorbringen gibt hierzu nur zu folgenden ergänzenden Bemerkungen Anlaß: Selbst wenn – was nach dem Protokoll der Versammlung vom 29. April 2003 naheliegt – nach dem Antrag eines Versammlungsteilnehmers auf Beendigung der Aussprache zu Tagesordnungspunkt 6 entgegen § 5 Abs. 7 Satz 2 der Satzung nicht jeweils ein Redner für und gegen diesen Antrag gehört worden ist, würde dies unter den hier gegebenen Umständen nicht zur Nichtigkeit des später gefaßten Beschlusses führen. Ein Satzungsverstoß kann dann als unerheblich behandelt werden, wenn klar zutage liegt, daß der Beschluß auch ohne den Verstoß in gleicher Weise zustande gekommen wäre, wenn also bei vernünftiger Beurteilung ausgeschlossen werden kann, daß der Mangel das Ergebnis beeinflußt hat (vgl. BGHZ 49, 209, 211; 59, 369, 375/376; BGH NJW 1998, 684, 685; BayObLG NJW-RR 2001, 537, 538 jeweils m.w.N.). So verhält es sich hier. Eine ausführliche, ca. zwei DIN A4-Seiten umfassende Vorinformation aller Kammermitglieder zu dem Beschlußvorschlag der Antragsgegnerin war bereits in der Einladung erfolgt. Der Beschlußfassung vorausgegangen war eine Aussprache von – wie die Antragsgegnerin unwidersprochen vorgetragen hat – mindestens 30 Minuten Dauer, an der sich auch der Antragsteller beteiligt hat. Der Beschlußvorschlag ist schließlich bei 216 anwesenden stimmberechtigten Mitgliedern mit nur 27 Gegenstimmen und 8 Enthaltungen angenommen worden. In Anbetracht dieser Umstände schließt der Senat aus, daß das Abstimmungsergebnis bei Einhaltung der Regelung in § 5 Abs. 7 Satz 2 der Satzung nunmehr mehrheitlich gegen den Beschlußvorschlag gelautet hätte, zumal auch der Antragsteller nicht aufgezeigt hat, daß eine längere Aussprache das Abstimmungsverhalten geändert hätte.
2. Der angefochtene Beschluß hält auch inhaltlich rechtlicher Nachprüfung Stand, da er sowohl mit dem Gesetz als auch der Satzung vereinbar ist (§ 90 Abs. 1 2. Alt. BRAO). Die Kammerversammlung der Antragsgegnerin hat entgegen dem Beschwerdevorbringen mit der Beschlußfassung zum Tagesordnungspunkt 6 eine Aufgabe wahrgenommen, die in dem ihr zugewiesenen Aufgabenbereich liegt.
a) Die Aufgaben der Rechtsanwaltskammern werden durch § 73 BRAO, der die Aufgaben des Kammervorstandes regelt, und durch § 89 BRAO, der die Befugnisse der Kammerversammlung zum Gegenstand hat, definiert. Beide Bestimmungen zusammen umschreiben den Aufgaben- oder „Funktionsbereich” der Rechtsanwaltskammer (vgl. Feuerich/Weyland, BRAO 6. Aufl. § 73 Rdn. 4; Henssler/Prütting-Hartung, BRAO 2. Aufl. § 73 Rdn. 3; Jessnitzer/Blumberg BRAO 9. Aufl. § 73 Rdn. 1). Nach ständiger Senatsrechtsprechung umfaßt dabei der dergestalt umrissene Aufgabenbereich nicht nur die den Rechtsanwaltskammern ausdrücklich zugewiesenen Aufgaben, sondern erstreckt sich auf alle Angelegenheiten, welche von allgemeiner – nicht nur rein wirtschaftlicher – Bedeutung für die Rechtsanwaltschaft sind (vgl. nur BGHZ 33, 381, 385 ff; 35, 292, 294 f.; 64, 301, 306; 66, 297, 300 f.; ebenso BGHZ 109, 153, 156 f.; BGH, Urt. v. 2. April 1998 – I ZR 4/96, NJW 1998, 2533, 2535; vgl. auch Feuerich/Weyland, aaO § 89 Rn. 3; Henssler/Prütting-Hartung, aaO § 89 Rn. 3).
b) Nach der am 1. Juli 2003 in Kraft getretenen Bestimmung des § 73 Abs. 2 Nr. 9 BRAO in der Fassung des Gesetzes zur Reform der Juristenausbildung vom 11. Juli 2002 (BGBl. I S. 2592 ff) obliegt es dem Kammervorstand, „bei der Ausbildung und Prüfung der Studierenden und der Referendare mitzuwirken, insbesondere qualifizierte Arbeitsgemeinschaftsleiter und Prüfer vorzuschlagen”. Der Senat teilt im Ergebnis die Auffassung des Anwaltsgerichtshofs, daß die Pflicht „obliegt es”) der Rechtsanwaltskammern, nach § 73 Abs. 2 Nr. 9 Halbs. 1 BRAO an der Referendarausbildung mitzuwirken, jedenfalls auch die Befugnis mitumfaßt, sich in dem Rahmen des umschriebenen Pflichtenkreises an deren Finanzierung angemessen zu beteiligen (in diesem Sinne auch Feuerich/Weyland aaO § 73 Rdn. 58; Kleine-Cosack, BRAO 4. Aufl. § 73 Rdn. 16 bis 18; unklar Henssler/Prütting-Hartung aaO § 73 Rdn. 44: „keine Finanzierungspflicht”).
aa) Der Wortlaut der Vorschrift des § 73 Abs. 2 Nr. 9 BRAO steht dem nicht entgegen. Der Begriff des „Mitwirkens” umfaßt nach allgemeinem Sprachgebrauch auch eine finanzielle Beteiligung in beschränktem Umfang, die die grundsätzliche Finanzierungsverantwortung des Staates für die Juristenausbildung unangetastet läßt. Aus dem 2. Halbsatz des § 73 Abs. 2 Nr. 9 BRAO ergibt sich nichts Gegenteiliges: wie dessen Einleitung „insbesondere”) deutlich macht, handelt es sich bei den dort aufgeführten Mitwirkungshandlungen nur um eine beispielhafte, nicht aber abschließende Aufzählung. Zudem geht es hier nicht darum, ob die Rechtsanwaltkammern im Sinne des § 73 Abs. 2 Nr. 9 BRAO verpflichtet sind, sich an der Referendarausbildung finanziell zu beteiligen, sondern ausschließlich darum, ob sie hierzu befugt sind.
bb) Für die Befugnis der Rechtsanwaltskammern, sich im Rahmen ihrer Mitwirkung nach § 73 Abs. 2 Nr. 9 BRAO auch finanziell an der Ausbildung der Rechtsreferendare zu beteiligen, sprechen nach Auffassung des Senats maßgeblich folgende Gesichtpunkte:
Die durch das Gesetz zur Reform der Juristenausbildung vom 11. Juli 2002 bezweckte Verbesserung der Ausbildung der Rechtsreferendare in anwaltsspezifischen Fächern (vgl. BT-Drucks. 14/7176, S. 15) stellt, insbesondere vor dem Hintergrund, daß ein Großteil der Absolventen der Zweiten Juristischen Staatsprüfung (derzeit ca. 80 %) in den Anwaltsberuf überwechselt, eine Angelegenheit dar, die für die Rechtsanwaltschaft von allgemeiner Bedeutung ist. Sie ist ein seit vielen Jahren immer wieder geäußertes Anliegen der Anwaltschaft, aus deren Reihen in der Vergangenheit häufig Kritik an der „Justizlastigkeit” der Referendarausbildung erhoben worden ist. Zu Recht hat der Anwaltsgerichtshof in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, daß die Ausbildung eines geeigneten anwaltlichen Nachwuchses alle Rechtsanwälte angeht, da sie der Sicherung der Qualität der Rechtsberatung und damit der dauerhaften Festigung der Stellung der gesamten Rechtsanwaltschaft auf dem Beratungsmarkt dient. Der Senat hat in früheren Entscheidungen (BGHZ 64, 301: „außergerichtliche Rechtshilfe”; BGHZ 66, 297: „Rechtskundeunterricht für Anwaltsgehilfen”) bereits aus der generellen Bedeutung einer Sache für die Anwaltschaft die Befugnis der Kammerversammlung hergeleitet, ihre Mitglieder an deren Finanzierung angemessen zu beteiligen. Er hat daher keine Bedenken, eine entsprechende Befugnis auch im vorliegenden Fall zu bejahen, in welchem nicht nur eine Angelegenheit von Bedeutung für die gesamte Anwaltschaft vorliegt, sondern darüber hinaus das Gesetz mit § 73 Abs. 2 Nr. 9 BRAO ausdrücklich eine Mitwirkungspflicht an der Aufgabe statuiert, um deren (Mit-) Finanzierung es geht.
Gesetzgeberisches Ziel der Neufassung des § 73 Abs. 2 Nr. 9 BRAO ist es, die Anwaltschaft und die Rechtsanwaltskammern an der Juristenausbildung insgesamt stärker zu beteiligen (Begr. zum Gesetzesentwurf der BReg., BT-Drucks. 14/7176, S. 15). Dieses Ziel ist jedoch nicht schon allein dadurch zu erreichen, daß – wie in § 73 Abs. 2 Nr. 9 Halbs. 2 BRAO beispielhaft aufgeführt – qualifizierte Arbeitsgemeinschaftsleiter oder Prüfer aus der Anwaltschaft von den Kammern (lediglich) vorgeschlagen werden. Vielmehr ist weitere Voraussetzung, daß die benannten Rechtsanwälte auch tatsächlich bereit sind, in diesen Funktionen tätig zu werden und an der Ausbildung der Rechtsreferendare mitzuwirken. Angesichts des Kostendrucks in den Kanzleien wird das regelmäßig nur dann der Fall sein, wenn der als Arbeitsgemeinschaftsleiter oder Prüfer in Betracht kommende Rechtsanwalt für seine Tätigkeit eine angemessene Vergütung erhält, die – jedenfalls teilweise – seinen durch die Wahrnehmung von Ausbildungsaufgaben entstehenden Verdienstausfall als Anwalt ausgleicht. Daß dies (zusätzlich) von den staatlichen Ausbildungsstellen geleistet werden wird, kann angesichts der Finanzsituation in den Ländern, die ohnehin mit den gesamten übrigen Kosten der juristischen Ausbildung belastet sind, kaum angenommen werden. Eine entsprechende Verpflichtung des Staates drängt sich auch nicht unbedingt auf, nachdem es sich um Kosten handelt, die – jedenfalls in erster Linie – der Verbesserung der Ausbildung speziell des anwaltlichen Nachwuchses dienen. In Anbetracht dieser Umstände entspricht es nur dem Normzweck des § 73 Abs. 2 Nr. 9 BRAO, wenn sich eine Kammer – wie hier die Antragsgegnerin – dazu entschließt, zur effektiven Erfüllung ihrer Mitwirkungspflichten aus eigenen Mitteln eine Vergütung an anwaltliche Arbeitsgemeinschaftsleiter zu zahlen. Den Mitgliedern des Senats ist im übrigen bekannt, daß es auch schon in der Vergangenheit, das heißt vor Inkrafttreten des § 73 Abs. 2 Nr. 9 BRAO n.F., allgemein üblich war, daß von Rechtsanwaltskammern den Anwälten, die in Referendararbeitsgemeinschaften tätig waren, hierfür eine (zusätzliche) Vergütung gewährt wurde. Aus den genannten Gründen bestehen auch gegen die beabsichtigte Mitfinanzierung eines sog. Klausurenpools keine Bedenken. Die – mit einem erheblichen Zeit- und Arbeitsaufwand verbundene – professionelle Erarbeitung und Bereitstellung von Prüfungsfällen mit anwaltsspezifischem Inhalt dient dazu, die den Rechtsanwaltskammern in § 73 Abs. 2 Nr. 9 Halbs. 1 BRAO auferlegte Pflicht, an den juristischen Prüfungen mitzuwirken, möglichst effektiv zu erfüllen. Auch diese Leistung wird ohne Gewährung einer finanziellen Vergütung regelmäßig nicht zu erbringen sein.
c) Da die finanzielle Beteiligung der Anwaltskammern an der Ausbildung der Rechtsreferendare nach Maßgabe ihrer Mitwirkungspflicht aus § 73 Abs. 2 Nr. 9 BRAO innerhalb ihres Aufgaben- und Funktionsbereichs liegt, war die Kammerversammlung der Antragsgegnerin auch grundsätzlich berechtigt, die hierfür erforderlichen Mittel im Wege einer Umlage von ihren Mitgliedern zu erheben (vgl. § 89 Abs. 2 Nr. 2 und 4 BRAO). Das Freiheitsrecht des Antragstellers aus Art. 2 Abs. 1 GG steht dem nicht entgegen. Vielmehr ist die Zwangsmitgliedschaft in einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft, die – wie hier die Antragsgegnerin – legitime öffentliche Aufgaben erfüllt, im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung zulässig (vgl. Feuerich/Weyland aaO § 60 Rdn. 6 m.w.N.). Ebensowenig begegnet das Recht der Kammern, zur Erfüllung ihrer Aufgaben Beiträge, Umlagen und Verwaltungsgebühren zu erheben, verfassungsrechtlichen Bedenken. Allerdings muß bei deren Erhebung und Bemessung gewährleistet sein, daß ungerechtfertigte Belastungen der Mitglieder vermieden werden (BGHZ 140, 302, 304 f.). Diesem Erfordernis genügt der angefochtene Beschluß. Die von der Kammerversammlung 2003 der Antragsgegnerin beschlossene Umlage in Höhe von 25 Euro jährlich ist mit Blick auf das mit
ihr verfolgte Ziel und in Anbetracht des eher im unteren Bereich liegenden Mitgliedsbeitrages der Antragsgegnerin von 215 Euro für das Jahr 2003 angemessen und beschwert den Antragsteller nicht unverhältnismäßig.
Unterschriften
Hirsch, Basdorf, Ganter, Ernemann, Kieserling, Hauger, Kappelhoff
Fundstellen
Haufe-Index 1384446 |
BB 2005, 1357 |
NJW 2005, 1710 |
NWB 2005, 2772 |
BGHR |
Nachschlagewerk BGH |
ZAP 2005, 1005 |
AnwBl 2005, 501 |
BRAK-Mitt. 2005, 120 |
KammerForum 2005, 202 |