Entscheidungsstichwort (Thema)
In der Wohnungseigentumssache
Leitsatz (amtlich)
Der „werdende” Wohnungseigentümer haftet auch nicht in entsprechender Anwendung von § 16 Abs. 2 WEG für Verbindlichkeiten, die noch vor seinem Eigentumserwerb begründet werden und fällig geworden sind.
Normenkette
WohnungseigentumsG § 16 Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
Die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß der Zivilkammer 191 des Landgerichts Berlin vom 14. August 1987 wird zurückgewiesen, soweit hierüber nicht bereits durch Beschluß des 24. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 15. Juni 1988 entschieden worden ist.
Die Gerichtskosten des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde hat der Antragsteller zu tragen; außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet.
Der Geschäftswert für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde beträgt 20.050 DM.
Gründe
I.
Der Antragsteller ist Verwalter einer Wohnungseigentumsanlage in B und aufgrund Verwaltervertrages ermächtigt, Ansprüche der Eigentümergemeinschaft im eigenen Namen gerichtlich geltend zu machen und Leistung an sich selbst zu verlangen.
Dem Beteiligten zu 3 gehörten die im Aufteilungsplan mit Nrn. 2, 10, 11, 28, 29, 47 und 49 bezeichneten Wohnungen. Durch notariellen Vertrag vom 6. Juli 1985 verkaufte er diese sieben Wohnungseigentumseinheiten an die Beteiligte zu 2. Übergabe sowie Übergang von Nutzen und Lasten auf die Käuferin sollten mit Wirkung vom Monatsersten nach Hinterlegung des Barkaufpreises auf Notaranderkonto (30. September 1985) erfolgen. Zugunsten der Beteiligten zu 2 ist am 19. Juli 1985 in den jeweiligen Wohnungsgrundbüchern eine Eigentumsverschaffungsvormerkung eingetragen worden. Am 22. September 1987 wurde das Eigentum an den sieben Wohnungen auf die Beteiligte zu 2 umgeschrieben.
In dem Vertrag ist unter Nr. VI folgendes bestimmt:
„Der Käufer übernimmt sämtliche, in der Teilungserklärung vom 15.4.1982 enthaltenen Verpflichtungen mit der Maßgabe, daß er verpflichtet ist, diese Verpflichtung auf seine Rechtsnachfolger in der gleichen Weise zu übertragen und auch diese zu verpflichten, das Wohnungseigentum nur unter diesen Bedingungen weiter zu veräußern.
Dem Käufer ist bekannt, daß ein monatliches Wohngeld zu zahlen ist. Er verpflichtet sich, das Wohngeld incl. Heizkostenvorschuß jeweils monatlich im voraus an die jeweilige Verwaltung zu zahlen.
Aufgrund des Eigentümerwechsels wird die Jahresabrechnung demjenigen Wohnungseigentümer erteilt, der am 31. Dezember des Abrechnungsjahres die Lasten und Nutzen zu tragen hat. Etwaige Fehlbeträge, die sich aus einer solchen Jahresabrechnung ergeben können, incl. Heizkosten, sind zwischen den Parteien intern auszugleichen. Sollte sich nach Abrechnung durch die Verwaltung ein Guthaben zugunsten des Verkäufers aus der Instandhaltungsrücklage ergeben, so tritt er dieses an den Käufer ab. Ein etwaiges Guthaben gilt als mit der Zahlung des Kaufpreises abgegolten.”
In der Wohnungseigentümerversammlung vom 18. Oktober 1985 wurde mehrheitlich beschlossen, eine umfangreiche Dachsanierung vorzunehmen und die Kosten durch Auflösung der Instandhaltungsrücklage sowie durch eine Sonderumlage aufzubringen. In einer Versammlung vom 20. Januar 1986 bestätigten die Wohnungseigentümer den genannten früheren Beschluß und legten die Ausführungsmodalitäten im einzelnen fest.
Der Antragsteller hat die Beteiligten zu 2 und 3 auf Zahlung der Sonderumlage für die Dachsanierung in Höhe von 13.156,80 DM sowie eines sich aus der Jahresabrechnung 1986 (gebilligt von der Eigentümerversammlung am 12. Januar 1987) ergebenden rückständigen Wohngeldes in Höhe von 5.016,21 DM in Anspruch genommen.
Den ursprünglich gegen die Beteiligte zu 2 im Mahnverfahren begonnenen Rechtsstreit hat das Landgericht Berlin gemäß §§ 43, 46 WEG an das Amtsgericht Spandau abgegeben. Dieses Gericht hat nach Erweiterung des Verfahrens auf den Beteiligten zu 3 diesen zur Zahlung von 18.173,01 DM nebst Zinsen verpflichtet und den Antrag gegen die Beteiligte zu 2 abgewiesen. Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde des Antragstellers in einem hier nicht mehr relevanten Kostenpunkt gegen die Beteiligte zu 3 als unzulässig und im übrigen als unbegründet zurückgewiesen.
Gegen diesen am 28. August 1987 zugestellten Beschluß richtet sich die am 9. September 1987 eingegangene sofortige weitere Beschwerde, mit der der Antragsteller seine ursprünglichen Anträge weiterverfolgt. Das Kammergericht hat die Beschwerde zurückgewiesen, soweit das Landgericht die Erstbeschwerde verworfen hat (Kostenpunkt). Im übrigen hält es die Beschwerde für unbegründet, sieht sich aber an der beabsichtigten Entscheidung durch die Beschlüsse des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 24. November 1978 (OLGZ 1979, 34) und des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 14. November 1985 (WuM 1986, 29) gehindert und hat die Sache insoweit dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die Vorlage ist statthaft (§§ 43 ff WEG i.V.m. § 28 Abs. 2 FGG).
Das Kammergericht verneint einen Anspruch gegen die Beteiligte zu 2 zur Mittragung der hier geltend gemachten Lasten und Kosten nach § 16 Abs. 2 WEG, weil diese erst am 22. September 1987 Eigentümerin der Wohnungen geworden sei. Demgegenüber hält das Bayrische Oberste Landesgericht in der genannten, auf weitere Beschwerde ergangenen, Entscheidung den Erwerber einer Eigentumswohnung nach Besitzübergang und Eintragung einer Auflassungsvormerkung als „faktisches Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft” in entsprechender Anwendung von § 16 Abs. 2 WEG zur Mittragung der gemeinschaftlichen Lasten und Kosten (dort: Wohngeld) auch schon vor Umschreibung des Eigentums für verpflichtet. Damit beantworten das Kammergericht und das Bayrische Oberste Landesgericht dieselbe Rechtsfrage im Sinne von § 28 Abs. 2 FGG verschieden. Auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart aaO kommt es in diesem Zusammenhang nicht mehr an.
Die Beurteilung des vorlegenden Kammergerichts, es könne ohne Beantwortung der streitigen Rechtsfrage über die sofortige weitere Beschwerde nicht entscheiden, ist für den Senat, soweit die Zulässigkeit der Vorlage in Rede steht, bindend (BGHZ 99, 90, 92 m.w.N.).
III.
Die sofortige weitere Beschwerde ist im hier noch angefallenen Umfang zulässig (§§ 43 Abs. 1 Nr. 1, 45 Abs. 1 WEG, §§ 27, 29 FGG), aber nicht begründet.
1. a) Das Landgericht hat den Kaufvertrag vom 6. Juli 1985 ausgelegt und – wie schon das Amtsgericht mit ausführlicherer Begründung – in Nr. VI der Vertragsbestimmungen lediglich eine Erfüllungsübernahme (§ 329 BGB) nicht aber einen Schuldbeitritt durch echten Vertrag zugunsten Dritter (§ 328 BGB) gesehen. An diese, auch vom Kammergericht gebilligte Auslegung, ist der Senat, der die Stelle des Rechtsbeschwerdegerichts einnimmt (§ 28 Abs. 3 FGG), gebunden, weil sie rechtsfehlerfrei ist (§ 27 FGG, § 561 ZPO; vgl. auch BayObLGZ 1965, 212, 215). Das Landgericht hat weder den Begriff der Erfüllungsübernahme verkannt noch gegen die Auslegungsgrundsätze der §§ 133, 157 und des § 328 Abs. 2 BGB verstoßen. Der Beschwerdeführer versucht lediglich in unzulässiger Weise, die Auslegung des Landgerichts durch eine eigene Auslegung zu ersetzen, ohne insoweit Rechtsfehler des angefochtenen Beschlusses aufzuzeigen.
b) Soweit der Beschwerdeführer auf die Möglichkeit eines Schuldbeitritts durch unmittelbaren Vertrag zwischen dem Gläubiger und dem Beitretenden verweist, kann ihm auch dieser Gesichtspunkt nicht zum Erfolg verhelfen. Dem von ihm genannten Schreiben der Firma T… (= Vertreter der Beteiligten zu 2 als Verwalter der Wohnungen) ohne Datum (eingegangen am 5. August 1986 beim Antragsteller) hat das Landgericht im Wege der Auslegung keine Verpflichtung zur Begleichung von Sonderumlage und Wohngeld entnommen. Auch diese Auslegung ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Das Schreiben enthält lediglich die Bitte, von einem Klageverfahren gegen die Beteiligte zu 2 abzusehen, mit dem Versprechen, daß die rückständigen Wohngelder umgehend beglichen werden. Daraus ergibt sich nicht zwingend ein Angebot zum Abschluß eines Schuldbeitrittsvertrages. Mit der Tatsache, daß die Beteiligte zu 2 dem Antragsteller am 14. Oktober 1985 Hausverwaltervollmachten zugunsten der Firma T… übersandt hat, hat sich das Landgericht in diesem Zusammenhang nicht gesondert befaßt. Das war auch nicht nötig, weil nicht ersichtlich ist, wo darin ein Angebot zum Abschluß eines Schuldbeitritts für die hier geltend gemachten Verpflichtungen liegen soll. Schließlich ist auch nicht erkennbar, wieso ein entsprechender Schuldbeitritt der Beteiligten zu 2 der Tatsache entnommen werden soll, daß sie über eine Bevollmächtigte an der Wohnungseigentümerversammlung vom 20. Januar 1986 teilgenommen hat.
2. Der Senat stimmt mit dem vorlegenden Gericht auch darin überein, daß die Beteiligte zu 2 für die Sonderumlage und das rückständige Wohngeld 1986 nicht in entsprechender Anwendung von § 16 Abs. 2 WEG kraft Gesetzes haftet. Die herrschende Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum bejaht allerdings einen solchen Anspruch auch bei voll eingerichteter Gemeinschaft gegen den noch nicht eingetragenen Erwerber einer Eigentumswohnung im Wege der Einzelnachfolge; die Voraussetzungen im einzelnen sind allerdings umstritten (vgl. BayObLG WuM 1986, 29 m.w.N.; OLG Karlsruhe OLGZ 1978, 177 ff; OLG Köln OLGZ 1978, 151; OLG Stuttgart OLGZ 1979, 34; BGB-RGRK/Augustin, WEG 12. Aufl. § 16 Rdn. 31; Palandt/Bassenge, BGB 48. Aufl. WEG § 16 Anm. 5 b; Röll NJW 1983, 153, 154). Diese allein unter dem Gesichtspunkt einer „faktischen Eingliederung in die Wohnungseigentümergemeinschaft” begründete Auffassung überzeugt den Senat nicht.
In BGHZ 104, 197, 202 f, hat der Senat ausgeführt, daß die Wohnungseigentümer im Innenverhältnis erst durch den Beschluß der Wohnungseigentümergemeinschaft verpflichtet werden; daraus folge, daß ein solcher Beschluß Verbindlichkeiten nur für die zur Beschlußfassung berufenen Wohnungseigentümer begründen könne, weil sonst ein – unzulässiger – Gesamtakt zu Lasten Dritter vorläge. Im Anschluß daran hat der Senat mit Beschluß vom 1. Dezember 1988, V ZB 6/88 (WM 1989, 305 ff; zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen) entschieden, daß der Erwerber einer Eigentumswohnung in der Eigentümerversammlung einer vollständig und rechtlich in Vollzug gesetzten Gemeinschaft auch dann kein eigenes (das des Veräußerers verdrängendes oder daneben bestehendes) Stimmrecht hat, wenn sein Übereignungsanspruch durch eine Vormerkung gesichert ist und Besitz, Nutzungen, Lasten und Gefahr auf ihn übergegangen sind. Daraus ergibt sich nunmehr folgerichtig, daß der „werdende” Eigentümer auch nicht in entsprechender Anwendung von § 16 Abs. 2 WEG für Verbindlichkeiten haftet, die noch vor seinem Eigentumserwerb begründet worden und fällig geworden sind, und zwar erst durch Beschluß einer Eigentümerversammlung, in der er kein eigenes Stimmrecht hatte (vgl. auch Weitnauer, WEG 7. Aufl. § 10 Anhang Rdn. 6; Belz WEZ 1987, 5).
Es besteht im vorliegenden Fall auch kein Bedürfnis für eine analoge Anwendung von § 16 Abs. 2 WEG. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes hat der im Grundbuch eingetragene Eigentümer die Lasten und Kosten des gemeinschaftlichen Eigentums auch dann noch zu tragen, wenn er das Wohnungseigentum veräußert hat, nicht mehr nutzt und für den Erwerber schon eine Auflassungsvormerkung eingetragen ist (BGHZ 87, 138 ff). An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Veräußerer und Erwerber haben es jederzeit in der Hand, durch einen Schuldbeitritt im Wege eines echten Vertrages zugunsten eines Dritten eine Mithaftung des Erwerbers zu begründen. Der Veräußerer kann notfalls auch seinen Freistellungsanspruch gegen den Erwerber an die übrigen Wohnungseigentümer abtreten, so daß diese den Erwerber unmittelbar in Anspruch nehmen können. Damit aber fehlt jedes Bedürfnis, den Geltungsbereich des § 16 Abs. 2 WEG in Widerspruch zu den dargelegten Leitgedanken auszudehnen (vgl. auch Weitnauer, Partner im Gespräch, 1987 S. 213, 217/218).
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 47 Satz 1 WEG. Von einer Erstattung der außergerichtlichen Auslagen gemäß § 47 Satz 2 WEG sieht der Senat ab.
Unterschriften
H, L, V, R, W
Fundstellen
Haufe-Index 512655 |
BGHZ |
BGHZ, 285 |
NJW 1989, 2697 |
BGHR |
Nachschlagewerk BGH |
DNotZ 1990, 371 |
JZ 1989, 1131 |