Leitsatz (amtlich)
Die Feststellung, dass die Anordnung der Haft den Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat, erfasst den gesamten Zeitraum vom Erlass der Anordnung bis zur Entlassung des Betroffenen und beinhaltet, dass die Freiheitsentziehung bis zur Entlassung rechtswidrig war.
Normenkette
FamFG § 417 Abs. 1, § 62
Verfahrensgang
LG Mainz (Beschluss vom 29.04.2019; Aktenzeichen 8 T 89/19) |
AG Bingen am Rhein (Entscheidung vom 11.03.2019; Aktenzeichen 111a AR 10/19.B) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 8. Zivilkammer des LG Mainz vom 29.4.2019 wird auf Kosten des Betroffenen zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 EUR.
Gründe
Rz. 1
I. Der Betroffene, ein algerischer Staatsangehöriger, wurde in Frankfurt/M. aufgegriffen und befand sich aufgrund eines Beschlusses des dortigen AG vom 19.12.2018 in Abschiebungshaft. Auf die Beschwerde des Betroffenen hob das LG Frankfurt/M. den Beschluss am 10.2.2019 auf und ordnete die sofortige Freilassung des Betroffenen an (nachfolgend: Haftaufhebungsbeschluss). Der Betroffene wurde am 12.2.2019 aus der Haft entlassen. Am 19.2.2019 ergänzte das LG Frankfurt/M. auf Antrag des Betroffenen seinen Beschluss um die Feststellung, dass der Beschluss des AG vom 19.12.2018 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat.
Rz. 2
Am 21.2.2019 hat der Betroffene bei dem für den Gewahrsamsort zuständigen AG die Feststellung beantragt, dass seine Freiheitsentziehung vom Zeitpunkt des Erlasses des Haftaufhebungsbeschlusses bis zu seiner Entlassung aus der Haft rechtswidrig gewesen sei. Das AG hat angenommen, dass eine Entscheidung über den Antrag nicht veranlasst sei. Das Beschwerdegericht hat die Beschwerde des Betroffenen zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde.
Rz. 3
II. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.
Rz. 4
1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, es bestehe keine Rechtsgrundlage für die begehrte Feststellung. Sie könne nicht gem. § 62 Abs. 1 FamFG erfolgen, denn es gehe nicht um die Erledigung einer angefochtenen Entscheidung im Beschwerdeverfahren. Vielmehr begehre der Betroffene nach Abschluss des Beschwerdeverfahrens die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer nicht auf einer gerichtlichen Entscheidung beruhenden Freiheitsentziehung.
Rz. 5
2. Dies hält einer rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand. Einer Entscheidung über den Feststellungsantrag steht die materielle Rechtskraft der Entscheidung des LG Frankfurt/M. vom 19.2.2019 - was von Amts wegen zu berücksichtigen ist - entgegen (vgl. BGH, Beschl. v. 20.4.2021 - XIII ZB 93/20, z. Veröff. best., Rz. 19 ff.; , FamFG, 20. Aufl., § 45 Rz. 33).
Rz. 6
Das für die Beschwerde gegen die Haftanordnung zuständige LG Frankfurt/M. hat auf den Antrag des Betroffenen festgestellt, dass ihn der Beschluss des AG Frankfurt/M. vom 19.12.2018 in seinen Rechten verletzt hat. Die Feststellung ist neben der Aufhebung der Haftanordnung zulässig und beinhaltet, dass die Freiheitsentziehung rechtswidrig war (vgl. BGH, Beschl. v. 14.10.2010 - V ZB 78/10, FGPRax 2011, 39 Rz. 10, 13; v. 30.8.2012 - V ZB 12/12, InfAuslR 2013, 37 Rz. 5). Der im Haftanordnungsverfahren gestellte Feststellungsantrag und mithin auch die daraufhin ergangene Feststellung erfasst den gesamten Zeitraum vom Erlass der Haftanordnung bis zur Entlassung des Betroffenen (BGH, Beschl. v. 26.5.2011 - V ZB 318/10, juris Rz. 16, 18; v. 20.4.2021 - XIII ZB 93/20, z. Veröff. best., Rz. 17). Für die im vorliegenden Verfahren begehrte Feststellung hinsichtlich des (teilweise) identischen Zeitraums ist daher kein Raum.
Rz. 7
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 36 Abs. 2 und 3 GNotKG.
Fundstellen
Haufe-Index 14693502 |
FGPrax 2021, 281 |
InfAuslR 2021, 381 |
JZ 2021, 577 |
ZAR 2021, 48 |
StV-S 2021, 128 |