Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 16.02.2021; Aktenzeichen (521 Ks) 234 Js 90/20 (8/20)) |
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 16. Februar 2021 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Nötigung in Tateinheit mit unerlaubtem Führen einer halbautomatischen Kurzwaffe zum Verschießen von Patronenmunition und mit unerlaubtem Besitz der dazugehörigen Patronenmunition zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und zwei Monaten verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg.
Rz. 2
1. Das Schwurgericht hat sich von der Täterschaft des diese bestreitenden Angeklagten unter anderem maßgeblich aufgrund von übereinstimmenden DNA-Spuren überzeugt, die an einem beim Angeklagten gefundenen Magazin und an einer am Tatort gefundenen Patrone festgestellt wurden (eine Einzelspur, eine Mischspur). Die Darstellung der Ergebnisse der molekulargenetischen Gutachten entspricht nicht den Anforderungen, die der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung daran stellt. Danach muss bei Einzelspuren jedenfalls das Gutachtenergebnis in Form einer numerischen biostatistischen Wahrscheinlichkeitsaussage mitgeteilt werden, bei Mischspuren hingegen grundsätzlich, wie viele Systeme untersucht wurden, ob und inwieweit sich Übereinstimmungen in den untersuchten Systemen ergeben haben und mit welcher Wahrscheinlichkeit die festgestellte Merkmalskombination bei einer anderen Person zu erwarten ist (vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 28. August 2018 – 5 StR 50/17, BGHSt 63, 187; vom 3. November 2020 – 4 StR 408/20; vom 15. Dezember 2020 – 6 StR 438/20; Urteil vom 29. April 2021 – 4 StR 46/21, jeweils mwN). Daran fehlt es jeweils.
Rz. 3
Auch wenn den diesbezüglichen Ausführungen gleichwohl nicht jede Bedeutung abzusprechen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Juli 2021 – 6 StR 292/21 mwN), kann der Senat – dem Generalbundesanwalt folgend – nicht ausschließen, dass das Urteil auf dem Rechtsfehler beruht (vgl. § 337 Abs. 1 StPO). Denn das Landgericht hat im Rahmen seiner Beweiswürdigung ausdrücklich darauf abgestellt, dass das gefundene Magazin „jenseits vernünftiger Zweifel” bei der Tat benutzt worden sei, „woran die Kammer angesichts des DNA-Treffers keinen Zweifel” habe. Der Umstand, dass es sich bei dem gefundenen Magazin um das „zweifelsfrei benutzte Waffenmagazin” handelt, wird zudem noch einmal bei der Gesamtwürdigung hervorgehoben.
Rz. 4
2. Da nicht ausgeschlossen ist, dass auf der Grundlage der neu zu treffenden Feststellungen ein in die Zuständigkeit des Schwurgerichts fallendes Delikt (vgl. § 74 Abs. 2 GVG) zu prüfen sein wird, verweist der Senat die Sache an eine andere Schwurgerichtskammer zurück.
Rz. 5
3. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass entgegen der Auffassung der Revision keine Bedenken gegen die Verwertbarkeit der Videoaufnahmen von der Tatbegehung bestehen. Selbst wenn diese unter Verstoß gegen die Vorgaben der DSGVO erlangt worden sind, weil der Inhaber eines Ladengeschäfts mit seiner davor angebrachten Videokamera über 50 Meter ins öffentliche Straßenland hineingefilmt hat, würde dies nicht zur Unverwertbarkeit des so erlangten Beweismittels führen. Denn auch rechtswidrig von Privaten erlangte Beweismittel sind grundsätzlich im Strafverfahren verwertbar (vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. November 2010 – 2 BvR 2101/09, NJW 2011, 2417; BGH, Urteile vom 22. Februar 1978 – 2 StR 334/77, BGHSt 27, 355, 357; vom 9. April 1986 – 3 StR 551/85, BGHSt 34, 39, 52; zu Videoaufnahmen auch BGH, Beschluss vom 18. August 2020 – 5 StR 175/20 mwN). Durch das Inkrafttreten der DSGVO hat sich daran nichts geändert.
Unterschriften
Cirener, Berger, Mosbacher, Köhler, von Häfen
Fundstellen
Haufe-Index 14767572 |
NStZ-RR 2023, 239 |
StRR 2021, 3 |
StV 2021, 809 |
ZD 2021, 637 |