Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 18.03.2021; Aktenzeichen (512 KLs) 271 Js 4427/20 (26/20)) |
Tenor
Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 18. März 2021 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat die Unterbringung der „Beschuldigten” in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Angeklagten, die neben der allgemeinen Sachrüge eine verfahrensrechtliche Beanstandung erhebt. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung der Sache an eine andere Strafkammer des Landgerichts, weil die Voraussetzungen für eine Entscheidung im Sicherungsverfahren nicht vorgelegen haben.
Rz. 2
1. Dem liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
Rz. 3
Die Staatsanwaltschaft beantragte am 17. Dezember 2020, die Unterbringung der Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus selbständig im Sicherungsverfahren anzuordnen. Da nach dem im Ermittlungsverfahren eingeholten vorbereitenden psychiatrischen Gutachten die Steuerungsfähigkeit der Angeklagten bei Tatbegehung zwar erheblich herabgesetzt, aber nicht aufgehoben gewesen sei, bat der Vorsitzende der Strafkammer die Staatsanwaltschaft um „Abänderung der Antragsschrift im Sicherungsverfahren in eine Anklage”, weil neben der Unterbringung auch eine Verurteilung in Betracht komme. Die Staatsanwaltschaft hat daraufhin unter dem 29. Dezember 2020 Anklage wegen versuchter schwerer Brandstiftung, Körperverletzung sowie wegen Sachbeschädigung in zwei Fällen erhoben und die Antragsschrift zurückgenommen. Am 19. Januar 2021 hat das Landgericht das Hauptverfahren eröffnet und die Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen.
Rz. 4
Nach der Vernehmung des psychiatrischen Sachverständigen am dritten Hauptverhandlungstag hat die Strafkammer den Übergang „ins Sicherungsverfahren” beschlossen. Durch das Urteil hat das Landgericht lediglich die Unterbringung der „Beschuldigten” angeordnet.
Rz. 5
2. Die selbständige Anordnung der Unterbringung nach § 63 StGB im Sicherungsverfahren begegnet – wie mit der Verfahrensrüge zu Recht beanstandet – durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Hierzu hat der Generalbundesanwalt ausgeführt:
„Die Anordnung der Unterbringung der Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus ist rechtsfehlerhaft erfolgt.
Die Überleitung des Strafverfahrens in ein Sicherungsverfahren nach § 413 ff. StPO ist nach Zulassung der Anklageschrift und Eröffnung des Hauptverfahrens nicht möglich; vielmehr ist der Angeklagte im Falle der Schuldunfähigkeit freizusprechen und gegebenenfalls im Strafverfahren nach §§ 63, 64 StGB unterzubringen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 5. Mai 2021 – 6 StR 152/21 –, NStZ-RR 2021, 221; und vom 21. Juni 2016 – 5 StR 266/16 –, NStZ 2016, 693; Urteil vom 23. März 2001 – 2 StR 498/00 –, BGHSt 46, 345; KK-Maur, 8. Aufl. 2019, StPO § 416 Rdnr. 9; BeckOK StPO/Temming, 39. Ed. 1.1.2021, § 413 Rdnr. 9). Insbesondere kann die Anklageschrift nach § 200 StPO nicht die als Prozessvoraussetzung für das Sicherungsverfahren erforderliche Antragsschrift nach § 414 Abs. 2 StPO ersetzen (BGH, Urteil vom 6. Juni 2001 – 2 StR 136/01 –, Rdnr. 4, juris). Die zunächst erhobene Antragsschrift hatte die Staatsanwaltschaft mit Erhebung der Anklage und vor Eröffnung des Hauptverfahrens zurückgenommen. (…)
Einer Einstellung des Verfahren[s] nach §§ 260 Abs. 3, 206a Abs. 1 StPO bedarf es hingegen nicht. Da die Überleitung in das Sicherungsverfahren unzulässig war, kann die Sache weiterhin als Strafverfahren durchgeführt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 19. August 2009 – 1 StR 338/09 –, NStZ 2010, 228, 229). Insofern liegen alle Verfahrensvoraussetzungen vor.”
Dem schließt sich der Senat an.
Unterschriften
Cirener, Berger, Mosbacher, Köhler, von Häfen
Fundstellen
Haufe-Index 14767576 |
NStZ-RR 2021, 347 |
StV 2022, 278 |