Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulassung zur Rechtsanwaltschaft
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des II. Senats des Anwaltsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 14. November 1998 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 100.000 DM festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller war seit 1988 als Rechtsanwalt bei dem Amts- und Landgericht R. zugelassen. Im März 1996 verzichtete er auf die Rechte aus der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft. Er war zuvor mit Wirkung vom 1. März 1995 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zum Professor an der Fachhochschule V. (Hochschule für Polizei) ernannt worden.
Am 11. Mai 1998 beantragte er seine (erneute) Zulassung zur Rechtsanwaltschaft und als Rechtsanwalt beim Amtsgericht V. und beim Landgericht K.. Er gab an, seine Kanzlei in Madrid und daneben in V. einrichten zu wollen. Die Landesjustizverwaltung lehnte diesen Antrag am 18. Juni 1998 unter Hinweis auf den Versagungsgrund des § 7 Nr. 11 BRAO a.F. ab. Der Antrag des Antragstellers auf gerichtliche Entscheidung blieb ohne Erfolg. Mit der dagegen gerichteten sofortigen Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Zulassungsbegehren weiter.
II.
Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 42 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 BRAO), hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Dem Antragsteller war die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft gemäß § 7 Nr. 11 BRAO a.F. (im Wortlaut unverändert nunmehr § 7 Nr. 10 BRAO) zu versagen, weil er Beamter ist.
1. Nach § 7 Nr. 11 BRAO a.F. ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu versagen, wenn der Bewerber Beamter ist, es sei denn, daß er – von den dort genannten weiteren, hier nicht einschlägigen Ausnahmen abgesehen – die ihm übertragenen Aufgaben ehrenamtlich wahrnimmt.
Die Vorschrift hat ihren Grund in der Unvereinbarkeit des Berufs eines Beamten mit der Stellung als Rechtsanwalt. Diese Unvereinbarkeit hat ihren Ursprung im Berufsbild des in freier Advokatur tätigen Rechtsanwalts, das durch äußere und innere Unabhängigkeit geprägt ist. Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit sind neben der Dienstpflicht zur Erfüllung übertragener Aufgaben aber wesentliche Merkmale des Beamtenverhältnisses. Der Beamte steht zu seinem Dienstherrn in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis, das ihm besondere Pflichten auferlegt und ihn bei der Übernahme und dem Umfang anderer Tätigkeiten grundsätzlich von Genehmigungen seines Dienstherrn abhängig macht. Dieser Inhalt des Beamtenverhältnisses steht nicht in Einklang mit der Stellung eines Rechtsanwalts. Das hat der Senat wiederholt und in ständiger Rechtsprechung zum Ausdruck gebracht (vgl. nur Senatsbeschluß vom 26. Januar 1998 - AnwZ (B) 62/97 - BRAK-Mitt. 1998, 155).
Sinn und Zweck des § 7 Nr. 11 BRAO a.F. lassen es nicht zu, die Vorschrift – entgegen ihrem eindeutigen Wortlaut – dahin auszulegen, daß Professoren an Fachhochschulen von ihr nicht erfaßt werden. Der Gesetzgeber hat in § 7 Nr. 11 BRAO a.F. aus Gründen der Klarheit und Rechtssicherheit eine generalisierende und formalisierende Regelung getroffen, die eine einfache Handhabung gewährleisten soll und die allein auf die Rechtsstellung als Beamter im aktiven Dienst abstellt (st. Rspr. vgl. Senatsbeschlüsse vom 25. Juni 1984 - AnwZ (B) 3/84 - JZ 1984, 1040; vom 19. Juni 1995 - AnwZ (B) 82/94 - BRAK-Mitt. 1995, 214; vom 13. Februar 1995 - AnwZ (B) 77/94 - BRAK-Mitt. 1995, 125 und vom 26. Januar 1998 aaO). In dieser Auslegung begegnet die Regelung keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (st. Rspr. vgl. Beschluß vom 26. Januar 1998 aaO). Auch die Beschwerde kommt auf solche nicht zurück.
2. a) Allerdings meint der Antragsteller, die seiner Zulassung zur Rechtsanwaltschaft entgegenstehende Vorschrift des § 7 Nr. 11 BRAO a.F. sei in seinem Fall jedenfalls deshalb nicht anzuwenden, weil sie mit den den freien Dienstleistungsverkehr gewährleistenden Bestimmungen der Artikel 59, 60 EGV a.F. (nunmehr: Artikel 49, 50) und den Regelungen der Rechtsanwalts-Dienstleistungsrichtlinie (ABL EG 1977 Nr. L 78, S. 17 ff.) unvereinbar sei. Er wolle nebenberuflich anwaltliche Dienstleistungen in Spanien erbringen. Voraussetzung dafür sei die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft in Deutschland. Werde ihm diese verweigert, habe das zur Folge, daß er von der Dienstleistungsfreiheit keinen Gebrauch machen könne. Ein die Dienstleistungsfreiheit in Anspruch nehmender Deutscher bleibe zwar grundsätzlich den innerstaatlichen Berufszugangsregelungen unterworfen, doch müßten sich diese am Binnenmarktziel des Artikels 7 a EGV a.F. (neu: Artikel 14) und an Artikel 59, 60 EGV a.F. messen lassen. Aus diesen Bestimmungen folge, daß alle Beschränkungen untersagt seien, die nicht durch ein zwingendes Allgemeininteresse gerechtfertigt werden könnten. Letzteres sei mit Blick auf § 7 Nr. 11 BRAO a.F., soweit er auf beamtete Hochschullehrer Anwendung finde, nicht anzunehmen.
Diesen Erwägungen ist schon in ihrem Ansatz nicht zu folgen.
b) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften sind die Vertragsbestimmungen über die Niederlassung (Artikel 52 bis 58 EGV a.F.) und den Dienstleistungsverkehr (Artikel 59 bis 66 EGV a.F.) auf rein interne Verhältnisse eines Mitgliedstaates nicht anwendbar. Eigene Staatsangehörige können sich grundsätzlich nur dann gegenüber ihrem Staat auf diese Vertragsbestimmungen berufen, wenn sie sich gegenüber ihrem Heimatstaat in einer Situation befinden, die derjenigen anderer EG-Inländer vergleichbar ist, weil sie in einem anderen Mitgliedstaat ansässig waren und dort eine nach Gemeinschaftsrecht anerkannte Qualifikation erworben haben oder in einem anderen Mitgliedstaat wohnen (BGHZ 108, 342, 344 f. m.w.N. zur Rspr. des EUGH). Die Regelung der Berufszulassung und- ausübung für eigene Staatsangehörige überläßt das Gemeinschaftsrecht, soweit es sich um rein interne Verhältnisse handelt, uneingeschränkt den jeweiligen nationalen Rechtsordnungen (vgl. EUGH, Urteil vom 19. Januar 1988 (Gullung) NJW 1989, 658). Die Artikel 52 ff. EGV a.F. verpflichten zwar zum Abbau von Beschränkungen zu Lasten von Angehörigen anderer Mitgliedstaaten (vgl. Artikel 59 EGV a.F.); über die Rechte von Inländern verhalten sich diese Vorschriften aber nicht. Sie gelten daher nicht für Betätigungen, deren wesentliche Elemente nicht über die Grenzen eines Mitgliedstaates hinausweisen (BGHZ 137, 200, 204 m.w.N.).
Der Antragsteller war und ist in keinem anderen Mitgliedstaat ansässig; der vorliegende Fall betrifft auch nicht die Frage, ob eine dort erworbene Qualifikation – oder auch eine Zulassung als Rechtsanwalt – in Deutschland anzuerkennen ist. Demgemäß stellt der Anwaltsgerichtshof mit Recht auf die Frage ab, ob dem hier zu beurteilenden Sachverhalt anderweit ein Gemeinschaftsbezug beizumessen ist. Er hat diese Frage zutreffend verneint.
Denn entgegen der Auffassung des Antragstellers wird ein Gemeinschaftsbezug nicht bereits dadurch geschaffen, daß er beabsichtigt, nach Zulassung zur Rechtsanwaltschaft in einem anderen Mitgliedstaat als Rechtsanwalt tätig zu werden. Zwar setzt die Wahrnehmung der Dienstleistungsfreiheit insoweit die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft im Heimatstaat des Antragstellers voraus, daraus folgt aber nicht zugleich, daß schon deshalb auf die zulassungsbeschränkende innerstaatliche Regelung Gemeinschaftsrecht anzuwenden wäre. Vielmehr betrifft die – der Wahrnehmung der Grundfreiheit vorausgehende – Entscheidung über die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft des Antragstellers in seinem Heimatstaat einen rein innerstaatlichen Vorgang. Die an die Zulassung stets und für jeden Rechtsanwalt geknüpfte Möglichkeit – wie konkret sie sich auch darstellen mag –, danach die Grundfreiheit nach Artikel 59 ff. EGV a.F. in Anspruch zu nehmen, vermittelt einen Gemeinschaftsbezug nicht. Gleiches gilt umgekehrt bei Versagung der Zulassung, denn damit steht fest, daß der Betroffene nicht die Voraussetzung erfüllt, um als Rechtsanwalt am freien Dienstleistungsverkehr teilzunehmen. Dem entspricht es, wenn der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (Urteil vom 28. Juni 1984 - 180/83 - SLg. 1984, 2539 ff.) zu Artikel 48 EGV (neu: Artikel 39) dargelegt hat, daß jene Vorschrift nicht auf Sachverhalte anwendbar sei, die einen Mitgliedstaat intern betreffen, etwa, wenn der Angehörige des Mitgliedstaates nicht in einem anderen Mitgliedstaat gewohnt oder gearbeitet habe; ein solcher Staatsangehöriger könne sich nicht auf Artikel 48 EGV a.F. berufen, um sich der Anwendung der Rechtsvorschriften seines eigenen Landes zu widersetzen. Das gilt auch im vorliegenden Falle mit Blick auf die innerstaatliche Vorschrift des § 7 Nr. 11 BRAO a.F., die auf das Zulassungsbegehren des Antragstellers Anwendung zu finden hat. Die vom Antragsteller weiter angeführten Entscheidungen des EUGH betreffen abweichende Sachverhalte; sie rechtfertigen eine andere Beurteilung nicht.
Gemeinschaftsrechtliche Vorschriften, die die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft regeln, bestehen nicht. Demgemäß stand es dem nationalen Gesetzgeber frei, die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft – wie u.a. mit § 7 Nr. 11 BRAO a.F. geschehen – für sein Hoheitsgebiet eigenständig zu regeln.
Da die Entscheidung somit nicht von einer Beurteilung einer nicht hinreichend geklärten Rechtsfrage aus dem Gemeinschaftsrecht abhängt, kam eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften nach Artikel 177 EGV a.F. (neu: Artikel 234) nicht in Betracht.
Unterschriften
Deppert, Basdorf, Terno, Otten, Hase, Schott, Körner
Fundstellen
Haufe-Index 539929 |
NJW-RR 2000, 438 |
BRAK-Mitt. 2000, 44 |