Entscheidungsstichwort (Thema)
Totschlag
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Lüneburg vom 22. Mai 2001
- im Schuldspruch dahin geändert, daß der Angeklagte des Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung schuldig ist,
- im gesamten Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer – Schwurgericht – des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags in Tatmehrheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer aus den Einzelstrafen von neun und vier Jahren gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel hat in dem aus dem Beschlußtenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Nach den Feststellungen schlug der Angeklagte seine Ehefrau mindestens 20 Minuten vor dem späteren Todeseintritt dreimal kräftig an den Kopf. Nachdem er ihr weitere Mißhandlungen zugefügt und sie gefesselt hatte, tötete er sie schließlich durch Ersticken. Zur subjektiven Seite hat die Strafkammer ausgeführt, sie habe angesichts „dieses länger andauernden Tatgeschehens nicht verkannt, daß der Angeklagte von Anfang des Streits an den Vorsatz gehabt haben kann, Elvira M. zu töten”. Nach Darlegung von Gründen, die nach ihrer Auffassung für „einen derartigen weitreichenden Tötungsvorsatz” sprechen, hat die Strafkammer dann mitgeteilt, daß sie „die Überzeugung von einem das ganze Geschehen umfassenden Tötungsvorsatz … jedoch nicht mit der erforderlichen Sicherheit” habe gewinnen können. Es blieben „nicht nur theoretische Zweifel, daß der Angeklagte möglicherweise anfangs und noch bis zum Fesseln … Elvira nur quälen, nicht aber töten wollte und erst nach dem Fesseln den Entschluß faßte, sie zu töten”.
2. Auf der Grundlage dieser Feststellungen hat das Landgericht den Angeklagten zu Recht der Körperverletzung und des Totschlags schuldig gesprochen. Die Annahme von Tatmehrheit zwischen diesen Delikten hält der rechtlichen Überprüfung aber nicht stand.
Das Landgericht hat nicht bedacht, daß der Grundsatz „im Zweifel für den Angeklagten” auch dann gilt, wenn ungeklärt ist, ob die tatsächlichen Voraussetzungen der Tateinheit oder der Tatmehrheit vorgelegen haben (BGHR StGB § 52 Abs. 1 in dubio pro reo 2 m.w.Nachw.). Hätte der Angeklagte – was das Landgericht nicht ausgeschlossen hat – bereits die ersten Körperverletzungshandlungen mit Tötungsvorsatz vorgenommen, so wäre das Gesamtgeschehen als ein in natürlicher Handlungseinheit begangenes vorsätzliches Tötungsdelikt zu werten. Die Annahme zweier selbständiger Taten verstößt daher gegen den Grundsatz „in dubio pro reo”.
3. Der Senat schließt aus, daß aufgrund einer neuen Hauptverhandlung das Vorliegen von Tatmehrheit zweifelsfrei bejaht werden kann, zumal sich die Einlassung des Angeklagten zu dieser Frage nicht verhielt und weitere Beweismittel als die bereits verwendeten nicht zur Verfügung stehen. Er ändert deshalb aufgrund der im übrigen rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts den Schuldspruch. Eines vorherigen rechtlichen Hinweises an den Angeklagten bedurfte es nicht.
Die Schuldspruchänderung führt zur Aufhebung der beiden Einzelstrafen und der Gesamtstrafe.
Unterschriften
Tolksdorf, Miebach, Winkler, Pfister, von Lienen
Fundstellen
Haufe-Index 657714 |
NStZ-RR 2002, 75 |
StV 2002, 601 |