Leitsatz (amtlich)

a) Stellen mehrere Bewerber, die sich um dieselbe Nurnotarstelle bewerben, Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen einen Bescheid der Landesjustizverwaltung, der dahin lautet: daß ihnen die Stelle nicht übertragen werde, so ist es wegen des Sachzusammenhangs in der Regel geboten, die gerichtlichen Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung zu verbinden.

b) Tut das Oberlandesgericht dies nicht, sondern gibt es dem Verpflichtungsbegehren eines der Antragsteller statt, ohne förmlich in den Verfahren der anderen zu entscheiden, so sind die anderen als Betroffene aus eigenem Recht befugt, sofortige Beschwerde in dem Verfahren des vor dem Oberlandesgericht erfolgreichen Antragstellers einzulegen.

c) Zur Anrechnung von Wehrdienstzeiten als Notaranwärterdienstzeit, wenn sich mehrere „gediente” Notarassessoren um dieselbe Nurnotarstelle bewerben (Ergänzung zu BGHZ 81, 66).

 

Normenkette

BNotO § 7 Abs. 1, § 111 Abs. 4; FGG § 20 Abs. 1, § 29 Abs. 4; GG Art. 19 Abs. 4, Art. 103 Abs. 1; ArbplSchG (ASG) § 13

 

Verfahrensgang

Saarländisches OLG (Beschluss vom 04.07.1983; Aktenzeichen Not 1/83)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Beteiligten Walendy wird der Beschluß des Senats für Notarsachen des Oberlandesgerichts Saarbrücken vom 4. Juli 1983 (Not 1/83) aufgehoben, soweit der Antragsgegner darin verpflichtet worden ist, den Antragsteller zum Notar in Perl zu ernennen.

Auch insoweit wird der Antrag des Antragstellers auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen.

2. Die sofortige Beschwerde des Beteiligten P. wird zurückgewiesen.

3. Der Antragsteller hat die Gerichtskosten des ersten Rechtszugs zu tragen. Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens fallen ihm und dem Beteiligten B. je zur Hälfte zur Last.

Der Beteiligte P. hat dem Antragsteller und dem Antragsgegner die Hälfte der ihnen im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten. Im übrigen werden solche Auslagen nicht erstattet.

4. Der Geschäftswert wird für beide Rechtszüge auf 50.000 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

I. Der Antragsteller und die Beteiligten W. und P. sind Mitbewerber um eine durch Rundschreiben der Saarländischen Notarkammer vom 11. Oktober 1982 ausgeschriebene Nurnotar stelle in Perl, die am 1. Februar 1983 durch Verlegung des Amtssitzes des Notars Wilhelm B. von Perl nach St. Ingbert frei geworden ist.

1. Der am … 1948 geborene Antragsteller leistete nach dem Abitur vom 1. Januar 1967 bis zum 31. Dezember 1968 Wehrdienst, ehe er vom Sommersemester 1969 bis zum Wintersemester 1972/73 acht Semester Jura studierte und am 28. Juni 1973 das Referendarexamen mit der Note „gut” bestand. Von Oktober 1973 bis Dezember 1974 war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für öffentliches Recht der Universität Freiburg (Lehrstuhl Professor von Simson) tätig. Im Rahmen dieser Tätigkeit war er vorwiegend mit der Leitung und Durchführung von Übungen im öffentlichen Recht befaßt. Nachdem er mit Schreiben vom 25. November und 9. Dezember 1973 zunächst beantragt hatte, ihn zum nächstmöglichen Termin – dem 1. Juli 1974 – in den Referendardienst zu übernehmen, schob er die Übernahme wegen der damals noch nicht abgeschlossenen Arbeit an seiner Dissertation hinaus. Entsprechend seinem Antrag vom 1. Mai 1974 wurde er am 2. Januar 1975 zum Referendar ernannt. Am 24. Mai 1977 bestand er die zweite juristische Staatsprüfung mit dem Prädikat „gut”. Auf seine Bewerbung vom 2. Juni 1977 wurde er am 16. Januar 1978 zum Notarassessor ernannt.

Der am … 1949 geborene Beteiligte W. genügte nach dem Abitur gleichfalls seiner Wehrpflicht, und zwar vom 1. Juli 1969 bis zum 31. Dezember 1970. Während des anschließenden Jurastudiums von acht Semestern (Wintersemester 1970/71 bis Sommersemester 1974) und danach nahm er außerdem zweimal (vom 2. August bis 27. September 1971 und vom 2. September bis 27. September 1974) an Wehrübungen teil. Das Referendarexamen legte er am 9. Juli 1974 mit der Note „vollbefriedigend” ab. Auf seinen sofort gestellten Antrag wurde er am 4. November 1974 zum Referendar ernannt. Nachdem er am 25. Februar 1977 das Assessorexamen „vollbefriedigend” bestanden hatte, folgte auf seine schon vorher eingereichte Bewerbung am 30. März 1977 seine Ernennung zum Notarassessor. Seit dem 5. Juli 1983 ist er Notarverweser in Saarbrücken.

Der am … 1950 geborene Beteiligte P. leistete im Anschluß an das Abitur vom 1. Oktober 1968 bis zum 30. September 1970 Wehrdienst. Nach dem rechtswissenschaftlichen Studium von acht Semestern bestand er am 11. März 1975 die erste juristische Staatsprüfung „vollbefriedigend”. Auf seinen Antrag vom 12. März 1975 wurde er am 1. April 1975 in den Vorbereitungsdienst als Referendar übernommen. Nachdem er am 26. September 1977 das Assessorexamen gleichfalls mit dem Prädikat „vollbefriedigend” abgelegt hatte, bewarb er sich am 29. September 1977 um eine Einstellung als Richter auf Probe und – erstmals – am 28. November 1977 auch um die Ernennung zum Notarassessor. Auf die erste dieser Bewerbungen wurde er am 19. Januar 1978 als Richter eingestellt. Seine Übernahme in den Notaranwärterdienst wurde im Januar 1978 abgelehnt, weil dem Antragsteller ihm gegenüber der Vorzug gegeben wurde. Am 24. Mai 1978 bewarb er sich erneut um eine Stelle als Notarassessor. Daraufhin wurde er mit Ablauf des 31. Dezember 1978 auf eigenen Antrag aus dem Dienstverhältnis als Richter entlassen und mit Wirkung vom 1. Januar 1979 zum Notarassessor ernannt.

Um die ausgeschriebene Notarstelle in Perl haben sich außerdem die Notarassessoren Dr. M. (im Anwärterdienst seit dem 24. März 1976) und Dr. H. beworben. Alle Bewerber, auch der Antragsteller und die Beteiligten W. und P., strebten vorrangig eine andere freie Notarstelle in Dudweiler an. Dr. M. ist inzwischen aus dem Kreis der Bewerber ausgeschieden, nachdem ihn der Antragsgegner – entsprechend dem Vorschlag der Saarländischen Notarkammer vom 25. Januar 1983 – im Mai 1983 zum Notar in Dudweiler bestellt hat.

2. Die Saarländische Notarkammer hat vorgeschlagen, die Notarstelle in Perl mit dem 35 Jahre alten Notarassessor Dr. H. zu besetzen. Dr. H. hat keinen Wehrdienst geleistet und ist seit dem 1. Juli 1976 Notarassessor. Er hätte, wenn sich die Anstellung des Beteiligten W. nicht durch den Wehrdienst verzögert hätte, zusammen mit diesem im März 1976 zur Ernennung zum Notarassessor angestanden. An nächster Stelle nach ihm hat die Notarkammer die Ernennung des Beteiligten W. befürwortet, und zwar vor dem Antragsteller und dem Beteiligten P. Sie ist dabei davon ausgegangen, daß deren Wehrdienstzeiten – anders als die des Beteiligten W. – bei der Ermittlung der Notaranwärterzeit nicht angerechnet werden könnten.

Der Antragsgegner hat beabsichtigt, dem Vorschlag der Notarkammer für die Besetzung der Notarstelle in Perl zu folgen. Dies hat er den Bewerbern durch Bescheid vom 8. Februar 1983 mitgeteilt. Darin heißt es u.a., Dr. H. sei vor dem Beteiligten W. der Vorzug zu geben, weil er im Zeitpunkt der Einstellung wegen seiner größeren Lebenserfahrung und beruflichen Weiterbildung vor diesem eingestellt worden wäre und er inzwischen auch die größere Berufserfahrung besitze.

Gegen den Bescheid vom 8. Februar 1983 haben der Antragsteller und die Beteiligten gerichtliche Entscheidung beantragt. Nach der Besetzung der Notarstelle in Dudweiler hat der Antragsteller begehrt, den Antragsgegner zu verpflichten, ihm die Notarstelle in Perl zu übertragen und festzustellen, daß die Besetzung der Dudweiler Notarstelle mit dem Bewerber Dr. M. rechtswidrig gewesen sei. Das Oberlandesgericht hat mit Beschluß vom 4. Juli 1983 dem Verpflichtungsantrag stattgegeben und den Feststellungsantrag wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses als unzulässig verworfen (Not 1/83). Der Antragsgegner hat sich im Interesse einer schnellen Besetzung der freien Notarstelle entschlossen, den Beschluß zu akzeptieren. In den getrennten gerichtlichen Verfahren der Beteiligten W. (Not 3/83) und P. (Not 2/83) hat das Oberlandesgericht in der Hauptsache förmlich noch nicht entschieden. Mit ihren sofortigen Beschwerden wenden sich beide Beteiligte in dem Verfahren des Antragstellers gegen den Beschluß vom 4. Juli 1983, soweit der Antragsgegner darin verpflichtet worden ist, den Antragsteller zum Notar in Perl zu ernennen.

 

Entscheidungsgründe

II. Das Rechtsmittel des Beteiligten W. hat Erfolg, das des Beteiligten Philippi ist unbegründet.

1. Durch die Erklärung des Antragsgegners im Schriftsatz vom 3. August 1983, er akzeptiere den angefochtenen Beschluß, hat sich der Streitstand im Beschwerderechtszug geändert. Der Antragsgegner ist im Ergebnis von seinem Bescheid vom 8. Februar 1983 abgerückt, indem er nunmehr zu erkennen gegeben hat, daß er die Notarstelle in Perl mit dem Antragsteller besetzen werde.

2. Bei diesem Sachstand sind beide Beschwerden nach § 111 Abs. 4 BNotO in Verbindung mit § 42 Abs. 4 und Abs. 6 BRAO zulässig.

a) Ihrer Zulässigkeit steht nicht entgegen, daß die Beteiligten die Rechtsmittel in einem Verfahren eingelegt haben, in dem sie formell nicht Antragsteller sind. Die Befugnis zur Beschwerdeeinlegung ergibt sich für sie aus den §§ 20 Abs. 1, 29 Abs. 4 FGG in Verbindung mit den oben genannten Bestimmungen der Bundesnotarordnung und der Bundesrechtsanwaltsordnung, welche die sinngemäße Geltung der Vorschriften des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vorschreiben. Nach den §§ 20 Abs. 1, 29 Abs. 4 FGG stehen die Beschwerde und die weitere Beschwerde jedem zu, dessen Recht durch die Verfügung des Gerichts erster Instanz (§ 19 FGG) oder die Entscheidung des Beschwerdegerichts (§ 27 FGG) beeinträchtigt ist (vgl. Senatsbeschluß vom 25. Oktober 1982 – NotZ 9/82 = DNotZ 1983, 506). Beide Beteiligte sind durch die Erklärung des Antragsgegners vom 3. August 1983 und den Beschluß des Oberlandesgerichts vom 4. Juli 1983 in ihren behaupteten Rechten betroffen, weil jeder von ihnen vorbringt, der Antragsgegner sei verpflichtet, ihm die Notarstelle in Perl zu übertragen. Ihnen darf die Beschwerdeberechtigung nicht unter Hinweis auf § 20 Abs. 2 FGG abgesprochen werden. Soweit eine Verfügung nur auf Antrag erlassen werden kann und der Antrag zurückgewiesen worden ist, stehen nach dieser Vorschrift die Beschwerde und die weitere Beschwerde zwar nur einem Antragsteller zu. Beide Beteiligte haben den insoweit erforderlichen Antrag aber gestellt, indem sie sich um die ausgeschriebene Notarstelle in Perl beworben und gerichtliche Entscheidung erbeten haben. Da die Notarstelle im gegenwärtigen Zeitpunkt nur einmal besetzt werden kann, enthalten die Entscheidungen des Antragsgegners und des Oberlandesgerichts im vorliegenden Verfahren – wenn auch nicht förmlich, so jedenfalls sachlich – zugleich eine Ablehnung ihrer Anträge. Unter diesen Umständen kann offenbleiben, ob sich die Beschwerdeberechtigung der Beteiligten unmittelbar aus der Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG und aus dem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) herleiten ließe.

b) Die Annahme einer Beschwerdebefugnis der Beteiligten widerspricht nicht den Ausführungen, die der Senat im Beschluß vom 25. Oktober 1982 – NotZ 9/82 (DNotZ 1983, 506) zur beamtenrechtlichen „Konkurrentenklage” gemacht hat. Er hat dort dargelegt: Auch die beamtenrechtliche Konkurrentenklage setze ein bestehendes Konkurrentenverhältnis voraus, und die Klagebefugnis erlösche, wenn eine Bewerbung unanfechtbar zurückgewiesen worden sei. Ein Nicht- oder Nichtmehr Bewerber werde durch eine fremde Ernennung – sie möge noch so rechtswidrig sein – nicht beschwert. Dieser Gedanke läßt sich auch auf die Beschwerdebefugnis übertragen. Er greift hier aber nicht ein, weil die Beteiligten ihre Konkurrentenstellung hinsichtlich der Notarstelle in Perl bisher nicht verloren haben. Denn das Oberlandesgericht hat in den sie betreffenden gerichtlichen Verfahren Not 2/83 und Not 3/83 in der Hauptsache förmlich noch nicht entschieden, und die Notarstelle ist auch noch nicht mit einem Mitbewerber besetzt worden.

c) Die Annahme, daß die Beteiligten beschwerdeberechtigt sind, läßt sich nicht mit dem Hinweis ablehnen, sie könnten ihre Rechte in den von ihnen eingeleiteten gerichtlichen Verfahren durchsetzen, die noch beim Oberlandesgericht anhängig sind. Jene Verfahren wären im wesentlichen erledigt, wenn der Antragsgegner den Antragsteller entsprechend dem angefochtenen Beschluß zum Notar in Perl ernennen würde. Die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG liefe damit praktisch leer. Denn mit dem danach noch in Betracht kommenden Übergang zur Feststellungsklage (vgl. BGHZ 69, 224, 235; 81, 66, 68) könnte die Ernennung des Antragstellers nicht rückgängig gemacht werden. Wollte man den Beteiligten die Beschwerdemöglichkeit im Verfahren des Antragstellers versagen, so ließe das auch einen Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) besorgen. Denn das Oberlandesgericht hat die Anträge des Antragstellers und der Beteiligten gegen die Ankündigung des Antragsgegners vom 8. Februar 1983 nicht zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Es hat die Beteiligten in dem Verfahren des Antragstellers auch nicht förmlich hinzugezogen, um ihnen Gelegenheit zur Äußerung zu geben, bevor der ihre Bewerbung mitbetreffende angefochtene Beschluß erging.

d) Die Beteiligten W. und P. sind also als Betroffene aus eigenem Recht beschwerdebefugt. Die vom Antragsteller angeführte Auffassung von Seybold/Hornig (BNotO 5. Aufl. § 111 Rdn. 38 a.E.), durch die Zuziehung Dritter zum Verfahren erhielten diese keine Antrags- oder Beschwerderechte, steht der hier vertretenen Rechtsansicht nicht entgegen. Seybold/Hornig wollen a.a.O. nur zum Ausdruck bringen, vom Verfahren nicht betroffene Dritte erlangten allein dadurch, daß sie das Gericht hinzuziehe, keine Rechte, sich durch Anträge und Rechtsmittel an dem Rechtsstreit zu beteiligen. Sind sie dagegen durch die Entscheidung des Oberlandesgerichts beschwert, steht ihnen die Beschwerde zu (vgl. Seybold/Hornig a.a.O. Rdn. 53).

3. In der Sache selbst sind die Rechtsmittel unterschiedlich zu beurteilen.

a) Nach den Auswahlgrundsätzen, die der Antragsgegner bei der Besetzung einer Notarstelle anwendet, ist für die Entscheidung – soweit es sich um Bewerbungen von Notarassessoren handelt – bei im wesentlichen gleicher Eignung der Bewerber die Dauer ihrer Anwärterzeit von erheblicher Bedeutung. Anrechnungsfähige Wehr- oder Ersatzdienstzeiten können in entsprechender Anwendung des § 13 Abs. 2 des Arbeitsplatzschutzgesetzes (ASG – Neufassung vom 14. April 1980 BGBl I 426) wie Anwärterdienstzeiten berücksichtigt werden (BGH, Beschl. vom 22. Juni 1981 – NotZ 3/81 = BGHZ 81, 66, 70 f. = DNotZ 1982, 128). Dabei wird nach der vom Senat gebilligten hypothetisch-konkreten Betrachtungsweise ein „gedienter” Bewerber so gestellt, wie er – auf der Grundlage eines hypothetischen Ausbildungsverlaufs – nach den jeweils konkreten Verhältnissen stehen würde, wenn er keinen Wehr- oder Ersatzdienst geleistet hätte (BGH a.a.O. S. 66, 72 f.). „Gedienten” Bewerbern soll damit ein Ausgleich gegenüber denjenigen gewährt werden, die keinen Wehr- oder Ersatzdienst zu leisten hatten und deshalb ihre berufliche Entwicklung ohne solche Beeinträchtigungen fördern konnten (BGH a.a.O. S. 70 f., 73 f.).

Der Zweck dieses Verfahrens mag die Annahme des Antragsgegners nahelegen, es nur im Verhältnis eines „gedienten” Bewerbers zu „Ungedienten” anzuwenden (vgl. BGHZ 69, 224 f.; 81, 66 f.), also nicht auch in einem Fall, in dem – so wie hier – die miteinander konkurrierenden Bewerber (der Antragsteller und die Beteiligten) Wehrdienst geleistet haben. Doch lassen sich auch Gründe gegen eine solche Einschränkung der Anrechnungsmöglichkeit anführen. Denn die Wehr- oder Ersatzdienstzeiten können von unterschiedlicher Dauer sein. Auch können die Voraussetzungen, unter denen § 13 Abs. 2 ASG eine Anrechnung ausschließt, bei einem der „gedienten” Bewerber vorliegen, bei anderen dagegen nicht. Unabhängig davon kann gerade die hypothetischkonkrete Betrachtungsweise nach dem Auswahlverfahren des Antragsgegners dazu führen, daß der Grundwehrdienst dem einen Bewerber in vollem Umfang zugute kommt, während er sich bei einem anderen nicht im gleichen Maße zu dessen Gunsten auswirkt (vgl. BGHZ 81, 66 f.). Der Senat braucht jetzt nicht zu entscheiden, ob sich der Antragsgegner bei der Besetzung einer Nurnotarstelle im Rahmen seines Auswahlermessens halten würde, wenn er – trotz entsprechender Anwendung des Arbeitsplatzschutzgesetzes im übrigen – die durch das Dienstalter vorgegebene Rangfolge im Verhältnis „gedienter” Bewerber zueinander unverändert ließe. Denn darauf kommt es hier nicht an.

b) Die sofortige Beschwerde des Beteiligten W. hat in dem einen wie in dem anderen Fall Erfolg.

Da er früher zum Notarassessor ernannt worden ist als der Antragsteller, könnte ihm der Antragsteller bei der Besetzung der Notarstelle in Perl nur vorgehen, wenn sich dessen Vorrang aus der Anrechnung von Wehrdienstzeiten ergeben würde. Das ist indes nicht der Fall. Der Antragsgegner hat im Bescheid vom 8. Februar 1983 ermessensfehlerfrei angenommen, daß dem Antragsteller (auch) bei sinngemäßer Anwendung des § 13 Abs. 2 ASG die Wehrdienstzeit nicht anzurechnen ist.

Beginnt ein entlassener Soldat im Anschluß an den Grundwehrdienst oder eine Wehrübung eine für den künftigen Beruf als Beamter oder Richter über die allgemein bildende Schulbildung hinausgehende vorgeschriebene Ausbildung (Hochschul-, Fachhochschul-, Fachschul- oder andere berufliche Ausbildung), so gelten bestimmte Schutzvorschriften des Arbeitsplatzschutzgesetzes entsprechend, wenn er sich bis zum Ablauf von sechs Monaten nach Abschluß der Ausbildung um Einstellung als Beamter oder Richter bewirbt und auf Grund dieser Bewerbung eingestellt wird. Die Vorschrift will Nachteile ausgleichen, die infolge des Wehrdienstes nicht sogleich, sondern erst im späteren beruflichen Werdegang eines Arbeitnehmers, Beamten oder Richters eintreten (Sahmer, ASG 3. Aufl. § 13 Anm. 1 a.E.). Bei Arbeitnehmern soll der durch den Wehrdienst eingetretene zeitliche Nachteil durch Anrechnung eines Teils der Wehrdienstzeit auf die Zeit der (für eine weiterführende Prüfung) geforderten Berufstätigkeit ausgeglichen werden (Sahmer a.a.O. Anm. 2). Beamte und Richter haben einen Anspruch darauf, daß die durch den Wehrdienst bedingten zeitlichen Verzögerungen nach Maßgabe der angezogenen Vorschriften durch vorzeitige Einstellung, vorzeitige Beförderung und Verbesserung des Besoldungsdienstalters ausgeglichen werden (Sahmer a.a.O. Anm. 3).

Die Vergünstigungen des § 13 Abs. 2 ASG stehen jedoch nur dem zu, der sich bis zum Ablauf von sechs Monaten nach Abschluß der Ausbildung um Einstellung beworben hat und auf Grund dieser Bewerbung dann auch eingestellt worden ist. Der Gesetzgeber hat die Ausschlußfristenregelung für erforderlich gehalten, weil nicht einzusehen ist, daß Personen in den Genuß dieser Vergünstigungen kommen, bei denen eine Bindung an den Dienstherrn auf Jahre hinaus nicht zu erwarten ist. Für sie steht bei der Entlassung aus dem Wehrdienst noch nicht fest, ob sie jemals in den öffentlichen Dienst gehen werden (Sahmer a.a.O.). Aus diesem Personenkreis soll die Vergünstigungen deshalb nur erhalten, wer die Ausschlußfrist durch eine erfolgreiche Bewerbung wahrt.

§ 13 Abs. 2 ASG stellt für den Fristbeginn auf den „Abschluß der Ausbildung” ab, d.h. des Studiums oder der anderen beruflichen Ausbildung. Verläuft eine Ausbildung so wie die zweistufige juristische in zwei deutlich voneinander getrennten Abschnitten, nämlich Studium und Vorbereitungsdienst, so begegnet es jedenfalls bei der hier in Rede stehenden sinngemäßen Anwendung der Vorschrift keinen rechtlichen Bedenken, die Ausschlußfrist nach jedem ihrer Abschnitte eingreifen zu lassen. Daß der Antragsgegner bei der Berücksichtigung wehrdienstbedingter Nachteile nicht strikt an eine bestimmte Auslegung des Arbeitsplatzschutzgesetzes gebunden ist, sondern einen Ermessensspielraum hat, hat der Senat schon im Zusammenhang mit der Billigung der hypothetisch-konkreten Anrechnungsmethode ausgeführt (BGHZ 81, 66, 71). Für die hier vertretene Auslegung ist wesentlich, daß der Gesetzgeber in § 13 Abs. 2 ASG selbst zum Ausdruck gebracht hat, die Anrechnung von Wehrdienst, der vor dem Studium geleistet worden ist, als Tätigkeit im später ausgeübten Beruf sei nicht schlechthin ein Gebot der Gerechtigkeit. Die Betroffenen dieser Gruppe werden eben nicht unterschiedslos so behandelt, als wenn sie im Zeitpunkt ihrer Einberufung schon im Berufsleben gestanden hätten. Der Ausgleich wehrdienstbedingter Nachteile bei ihnen wird vielmehr auf Fälle beschränkt, in denen sich die Annahme einer Kausalität des Zeitverlustes nach Ende der notwendigen Ausbildung wegen des (nach angemessener Überlegungsfrist) direkten Wegs zum öffentlichen Dienst nahe legt (vgl. BVerfG, Beschluß vom 10. September 1979 – 1 BvR 700/79). Die Handhabung der Vorschrift durch den Antragsgegner wird von ihrem Wortlaut im übrigen auch insofern gedeckt, als sich der Jurist nach Abschluß des vorgeschriebenen Studiums und bestandenem Referendarexamen durch den Antrag auf Übernahme in den Vorbereitungsdienst in der Regel um eine Einstellung als Beamter (auf Widerruf) bewirbt. Von der Sache her sind keine Gründe ersichtlich, die es rechtfertigen könnten, eine durch die Ausbildung nicht gebotene Verzögerung zwischen den Ausbildungsabschnitten anders zu behandeln als eine solche nach dem zweiten juristischen Staatsexamen. So wäre es mit dem verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz schwerlich zu vereinbaren, einem Notarassessor, der seine Bewerbung um Übernahme in den Notaranwärterdienst zur Anfertigung einer Dissertation um ein Jahr hinausgeschoben hat, die Anrechnung des Wehrdienstes zu versagen, sie einem anderen aber zuzubilligen, der eine gleiche Unterbrechung nach dem Referendarexamen hat eintreten lassen. Eine angemessene Berücksichtigung der Wehrdienstzeiten, welche durch die sinngemäße Anwendung des Arbeitsplatzschutzgesetzes erreicht werden soll, kann daran nicht vorbeigehen.

Auf dieser Grundlage ist es nicht zu beanstanden, daß der Antragsgegner nach der bisherigen, sein Ermessen bindenden (vgl. BGHZ 81, 66, 71) Verwaltungsübung den Wehrdienst des Antragstellers bei der Berechnung der Anwärterzeit nicht berücksichtigt hat. Nach dem Referendarexamen hat sich der Antragsteller zwar innerhalb von sechs Monaten, nämlich mit Schreiben vom 25. November und 12. Dezember 1973, um die Einstellung als Referendar zum nächstmöglichen Termin beworben. Diese Bewerbung hat jedoch außer Betracht zu bleiben, weil er sie zurückgezogen hat und sie damit für seine spätere Übernahme in den Referendardienst nicht mehr ursächlich geworden ist (vgl. Sahmer a.a.O. Anm. 3). Seine Übernahme als Referendar zum 2. Januar 1975 beruht vielmehr auf dem erst nach Fristablauf eingereichten Gesuch vom 1. Mai 1974. Auf die Gründe, die zur Fristüberschreitung geführt haben, kommt es nach § 13 Abs. 2 ASG nicht an.

c) Die sofortige Beschwerde des Beteiligten P. ist dagegen unbegründet. Er ist erst später als der Antragsteller Notarassessor geworden; auch ihm könnte der Wehrdienst nach den dargelegten Auswahlgrundsätzen des Antragsgegners nicht als Anwärterzeit angerechnet werden. Zwar hat er die Ausschlußfrist des § 13 Abs. 2 ASG insofern eingehalten, als er sich erstmals am 28. November 1977 um die Übernahme als Notarassessor beworben hat. Auf Grund dieser Bewerbung ist er jedoch nicht eingestellt worden, weil ihm der Antragsteller bei der Besetzung der damals freien Stelle vorgezogen wurde. Diese Bewerbung ist deshalb nicht geeignet, ihm die in der Anrechnung der Wehrdienstzeit liegende Vergünstigung zu verschaffen. Die erfolgreiche zweite Bewerbung vom 24. Mai 1978 hat er erst nach Ablauf der Ausschlußfrist eingereicht. Bei ihr handelt es sich nicht etwa nur um eine unselbständige Wiederholung einer fortbestehenden ersten Bewerbung, so daß diese letztlich doch für die Ernennung zum Notarassessor ursächlich geworden wäre (vgl. Sahmer a.a.O. § 13 Anm. 3 a.E.). Vielmehr ist die Bewerbung vom 24. Mai 1978 nach den obwaltenden Umständen, losgelöst von der ersten, als neues Gesuch zu werten, wie sich u.a. deutlich auch darin zeigt, daß der Beteiligte P. inzwischen eine Stellung im richterlichen Dienst angetreten hatte.

Die Entscheidung über die Gerichtskosten und notwendigen Auslagen beruht auf § 111 Abs. 4 BNotO, §§ 201 Abs. 1, 202 Abs. 3 BRAO, § 13 a Abs. 1 FGG.

4. Nach den dargelegten Grundsätzen ist es angezeigt daß das Oberlandesgericht die bei ihm noch anhängigen Verfahren der Beteiligten W. (Not 3/83) und P. (Not 2/83) zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbindet und daß es den Mitbewerber Dr. H. als (möglicherweise betroffenen) Beteiligten hinzuzieht.

 

Unterschriften

Krohn, Windisch, Gribbohm, Dittmar, Lamers

 

Fundstellen

Haufe-Index 1502498

Nachschlagewerk BGH

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