Entscheidungsstichwort (Thema)
Ernennung zum Notar
Leitsatz (amtlich)
Wehr- oder Ersatzdienstzeiten können Notarassessoren bei der Besetzung freier Notarstellen auch in der Weise angerechnet werden, daß ein hypothetischer Ausbildungsverlauf nachvollzogen und der Notarassessor so gestellt wird, wie er nach den jeweils konkreten Verhältnissen stehen würde, die er vorgefunden hätte und die dann auch für seinen beruflichen Werdegang maßgebend gewesen wären, wenn er keinen Wehr- oder Ersatzdienst geleistet hätte (Ergänzung zu BGHZ 69, 224).
Normenkette
BNotO § 7 Abs. 1; ASG §§ 6, 9, 11a, 13
Verfahrensgang
Saarländisches OLG (Beschluss vom 17.10.1980) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 17. Oktober 1980 ergangenen Beschluß des Senats für Notarsachen des Oberlandesgerichts Saarbrücken wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß der Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unbegründet zurückgewiesen wird, soweit er darauf gerichtet ist, festzustellen, daß es rechtswidrig war, die zum 1. September 1980 zu besetzende Notarstelle in Saarlouis nicht dem Antragsteller zu übertragen.
Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen und dem Antragsgegner die im zweiten Rechtszug entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.
Der Beschwerdewert wird auf 50.000 DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Der am … 1949 geborene Antragsteller bestand im Juni 1969 die Reifeprüfung und leistete anschließend vom 1. Juli 1969 bis 31. Dezember 1970 Grundwehrdienst. Mit dem Wintersemester 1970/71 begann er sein juristisches Studium. Vom 12. August bis 9. Oktober 1971 nahm er an einer Pflichtwehrübung teil. Im Anschluß an das Sommersemester 1974 legte er am 9. Juli 1974 die erste juristische Staatsprüfung ab. Vom 2. bis 27. September 1974 nahm er erneut an einer Pflichtwehrübung teil. Am 4. November 1974 begann er den juristischen Vorbereitungsdienst und bestand am 25. Februar 1977 die zweite juristische Staatsprüfung. Am 30. März 1977 wurde er zum Notarassessor ernannt.
Er hat sich um die zum 1. September 1980 neu errichtete Notarstelle in Saarlouis beworben. Die Stelle wurde am 17. Juli 1980 dem Notarassessor M. übertragen. Dieser erhielt die Ernennungsurkunde am darauffolgenden Tage ausgehändigt. Der am … 1946 geborene Notarassessor M. hat keinen Grundwehrdienst geleistet. Er ging dem Antragsteller bei gleicher Eignung vor, weil er bereits am 1. November 1975 zum Notarassessor ernannt worden ist.
Bei pauschaler Anrechnung des 18monatigen Grundwehrdienstes würde auch der Antragsteller dieses Ernennungsdatum erreichen, wenn nicht sogar unterbieten. Der Antragsgegner hat aber eine individualisierende Berechnungsweise angewendet und den Antragsteller nach den in seinem Falle gegebenen konkreten Vergleichsdaten so gestellt, wie er stehen würde, wenn er keinen Grundwehrdienst geleistet hätte. Dann hätte er nicht vor Februar 1976 die zweite juristische Staatsprüfung ablegen und somit erst nach dem Mitbewerber M. zum Notarassessor ernannt werden können.
Durch Schreiben vom 17. Juli 1980 hat der Antragsgegner dem Antragsteller mitgeteilt, daß seiner Bewerbung um die Notarstelle nicht entsprochen werden könne. Mit dem am 28. Juli 1980 eingereichten Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat der Antragsteller zunächst begehrt, den Antragsgegner zu verpflichten, ihm die ab 1. September 1980 zu besetzende Notarstelle zu übertragen, hilfsweise: festzustellen, daß es rechtswidrig gewesen sei,
- die Notarstelle ohne vorherige Ankündigung an einen Mitbewerber zu vergeben,
- die Notarstelle ihm vorzuenthalten.
Nachdem Notarassessor M. die Notarstelle angetreten hatte, nahm der Antragsteller seinen Hauptantrag zurück und verfolgt seitdem nur noch die ursprünglichen Hilfsanträge als Hauptanträge weiter.
Das Oberlandesgericht hat die Anträge „als unzulässig zurückgewiesen”. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers.
Entscheidungsgründe
II.
Das Rechtsmittel ist nach § 111 Abs. 4 BNotO i.V.m. § 42 Abs. 4 BRAO zulässig. Es hat aber keinen Erfolg.
1. Soweit das Oberlandesgericht den Antrag auf gerichtliche Entscheidung in der vom Antragsteller weiter verfolgten Form des Feststellungsbegehrens für unzulässig hält, kann ihm allerdings nur zum Teil gefolgt werden.
a) Nach der Rechtsprechung des Senats kann es ausnahmsweise zulässig sein, von der Anfechtung eines Verwaltungsakts zum Feststellungsbegehren überzugehen, wenn sich der angefochtene Verwaltungsakt während des gerichtlichen Verfahrens erledigt. Das für einen solchen Feststellungsantrag erforderliche Rechtsschutzinteresse ist immer dann zu bejahen, wenn der Antragsteller sonst in seinen Rechten beeinträchtigt wäre und die begehrte Feststellung eine Rechtsfrage klären hilft, die sich der Justizverwaltung bei künftigen Bewerbungen des Antragstellers ebenso stellen wird (BGHZ 67, 343, 346 f; Senatsbeschlüsse vom 13. Juni 1977 – Notz 4/77 = DNotZ 1978, 53; vom 22. Oktober 1979 – NotZ 1/79 = DNotZ 1980, 490; vom 22. Oktober 1979 – NotZ 2/79 = DNotZ 1980, 426).
Das gleiche gilt, wenn die Notarstelle im Zeitpunkt des die Bewerbung ablehnenden Bescheids, also vor Einleitung des Antragsverfahrens auf gerichtliche Entscheidung, schon anderweitig besetzt war. Die Interessenlage ist in diesem Fall die gleiche. Auch dann kann sich die Rechtsfrage, die zur Ablehnung der den Gegenstand dieses Verfahrens bildenden Bewerbung geführt hat, bei jeder künftigen Bewerbung des Antragstellers ebenso stellen (Senatsbeschluß vom 22. Oktober 1979 – NotZ 7/79 –).
b) Das trifft hier zu, soweit der Antragsteller die Feststellung begehrt, der Antragsgegner hätte ihn bei der Bewerbung um die Notarstelle in S. nicht übergehen dürfen. Daß er nicht zum Zug gekommen ist, hing allein davon ab, wie der von ihm geleistete Grundwehrdienst anzurechnen ist. Diese Rechtsfrage kann bei jeder künftigen Bewerbung des Antragstellers wieder ausschlaggebend sein, nämlich immer dann, wenn er erneut mit Mitbewerbern rechnen muß, welche entweder keinen Grundwehrdienst geleistet oder andere anrechnungsfähige Dienstzeiten aufzuweisen haben, die sich bei der vom Antragsgegner angewandten Anrechnungsmethode für ihn nachteilig auswirken können. Daß das in absehbarer Zeit zu erwarten ist, hat der Antragsteller hinreichend dargetan.
Eine Klärung der Frage, ob die Art und Weise, wie der Antragsgegner Wehr- oder Ersatzdienstzeiten von Notarassessoren bei Bewerbungen um eine Notarstelle anrechnet, rechts- und ermessensfehlerfrei ist, erscheint daher geboten. Dann hat der Antragsteller auch ein rechtliches Interesse an der Feststellung, daß sein Übergehen bei der vorigen Bewerbung rechtswidrig gewesen sei (BGHZ 67, 343, 347). Damit erst wird ihm „effektiver Rechtsschutz” gewährt, wie ihn. Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet.
c) Anders ist es, soweit der Antragsteller die Feststellung begehrt, der Antragsgegner habe die Notarstelle nicht ohne vorherige Ankündigung mit einem Mitbewerber besetzen dürfen.
Insofern wird der Antragsteller nicht in seinen Rechten beeinträchtigt, wie es auch für die Zulässigkeit eines Feststellungsbegehrens erforderlich ist (Senatsbeschlüsse DNotZ 1978, 53 u. 1980, 426). Für das abgeschlossene Bewerbungsverfahren kann dem Antragsteller die Feststellung nichts mehr nützen. Für künftige Fälle läßt sich die Feststellung nicht treffen, da nicht voraussehbar ist, wie spätere Bewerbungsverfahren ablaufen, ob etwa eine Bewerbung des Antragstellers wiederum abgelehnt wird oder der Antragsgegner die erneute Übergehung des Antragstellers dann vorher ankündigt oder eine vorherige Ankündigung für den Antragsteller sinnlos wäre. Damit fehlt es an der für die Zulässigkeit dieses Feststellungsantrags erforderlichen Gefahr einer Beeinträchtigung der Rechte des Antragstellers. Dessen Interesse geht insoweit ersichtlich nur auf die Klärung einer allgemeinen Rechtsfrage, was in dieser Form nicht zulässig ist (BGH DNotZ 1978, 53).
2. Soweit der Antrag auf gerichtliche Entscheidung zulässig ist, ist er unbegründet. Die Anrechnung von Wehr- oder Ersatzdienstzeiten, wie sie der Antragsgegner vornimmt, ist nicht rechtswidrig.
a) Die Berücksichtigung von Zeiten, in denen ein Notarassessor Wehrdienst oder Ersatzdienst geleistet hat, bei seiner Bewerbung um eine Notarstelle beruht auf einer entsprechenden Anwendung des Arbeitsplatzschutzgesetzes (Neufassung vom 14. April 1980 BGBl I 426) und des Soldatenversorgungsgesetzes – SVG – (Neufassung vom 9. Oktober 1980 BGBl I 1958). Nach diesen Gesetzen sollen u.a. Härten ausgeglichen werden, die bei Wehrpflichtigen (Ersatzdienstpflichtigen) und Soldaten auf Zeit dadurch auftreten, daß solche Personen im öffentlichen Dienst später angestellt werden und auch später zu Beförderungen anstehen als ihre Mitbewerber, die keinen Wehrdienst (Ersatzdienst) geleistet haben.
So will insbesondere das Arbeitsplatzschutzgesetz ganz allgemein Arbeitnehmer, Beamte und Richter vor Nachteilen schützen, die sich aus der Ableistung von Wehr- oder Ersatzdienst für ihren beruflichen Werdegang ergeben (vgl. etwa §§ 6 Abs. 1, 9 Abs. 6, 13 ASG). Jedem öffentlichen Dienstherrn ist damit aufgetragen, einen entsprechenden Ausgleich gegenüber denjenigen zu schaffen, die keinen Wehr- oder Ersatzdienst zu leisten hatten und daher ihre berufliche Entwicklung ohne solche Beeinträchtigungen fördern konnten. In dieses grundsätzliche Ziel sind auch Notarassessoren einbezogen, die während ihrer Anwärterzeit dem öffentlichen Dienst im Sinne des § 15 Abs. 2 ASG angehören und ein Amt anstreben, das nach Aufgabe und berufsrechtlicher Ausgestaltung dem öffentlichen Dienst sehr nahesteht (BGHZ 69, 224, 228 ff; Senatsbeschluß vom 10. April 1978 – NotZ 1/78 –).
aa) Deshalb müssen die Landesjustizverwaltungen auch bei der Bewerbung von Notarassessoren um eine Notarstelle und deren Besetzung im Rahmen des ihnen eingeräumten Auswahlermessens anrechenbare Wehr- und Ersatzdienstzeiten angemessen berücksichtigen. Da jedoch in keiner der einschlägigen Vorschriften (§§ 9, 11 a, 13 ASG, 8 a SVG) die Ernennung zum Notar unmittelbar geregelt wird, sind die Landesjustizverwaltungen auch nicht zu einer ganz bestimmten Anrechnungsmethode solcher Dienstzeiten gezwungen.
Keineswegs ist – wie der Antragsteller anscheinend meint – aus § 11 a ASG ein absoluter Vorrang der Wehrpflichtigen, die Grundwehrdienst geleistet haben, bei der Bewerbung um eine Notarstelle herzuleiten. Die „Einstellung” in den öffentlichen Dienst, von der dort die Rede ist, kann der Ernennung zum Notar nicht gleichgesetzt werden. Näher liegt, wie das Oberlandesgericht im angefochtenen Beschluß mit Recht hervorhebt, die Ernennung zum Notar der in §§ 9 Abs. 7, 13 Abs. 2 ASG geregelten „Anstellung” entsprechend zu behandeln. Auf die „Anstellung” – nämlich die Befähigung nicht „zum Amt” sondern „zur Anstellung” – wird auch in anderem Zusammenhang angeknüpft, so bei der Ernennung zum Notar im Oberlandesgerichtsbezirk Stuttgart gemäß § 114 Abs. 3 BNotO (Senatsbeschlüsse vom 20. Januar 1969 – NotZ 2/68 = DNotZ 1969, 510 und vom 22. Oktober 1979 – NotZ 1/79 = DNotZ 1980, 490).
bb) Den Landesjustizverwaltungen bleibt daher ein Spielraum für das von ihnen bei der Beantwortung der Frage auszuübende Ermessen, wie die Nachteile auszugleichen sind, die Notarassessoren dadurch drohen, daß sie sich später als andere Kollegen um eine Notarstelle bewerben können, weil sie Wehr- oder Ersatzdienst geleistet haben. Die Landesjustizverwaltungen müssen allerdings, wenn sie sich für eine bestimmte Anrechnungsweise entschieden, sich also in ihrer Ermessensausübung entsprechend gebunden haben, alle sich um eine Notarstelle in ihrem Bezirk bewerbenden Notarassessoren in diesem Punkt gleich behandeln. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 33 Abs. 2 GG, der jedem Deutschen gleichen Zugang zu einem öffentlichen Amt gewährleistet, fordern aber nicht, daß die Methoden für die Anrechnung von Wehr- und Ersatzdienstzeiten in allen Bezirken, die nach § 3 BNotO dem Nur-Notariat vorbehalten sind, übereinstimmen müssen. Es genügt, wenn innerhalb des Bezirks einer Notarkammer einheitlich verfahren wird und die jeweilige Anrechnungsweise sachgerecht ist.
Der Senat hat denn auch die in § 5 Abs. 2 der Verordnung des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz über die Ausbildung der Notarassessoren vom 23. Oktober 1972 (GVBl S. 455) für Bayern getroffene Regelung nicht beanstandet, wonach Notarassessoren mit anrechenbaren Wehr- oder Ersatzdienstzeiten bei Bewerbungen um Notarstellen einfach in den Prüfungsjahrgang „vorgestuft” werden, dem sie angehören würden, wenn sie keinen Wehr- oder Ersatzdienst geleistet hätten (BGHZ 69, 224).
cc) Diese „pauschale” Lösung ist aber nicht der einzige Weg, um zu einem für die Betroffenen angemessenen Ausgleich der Nachteile durch geleisteten Wehr- oder Ersatzdienst zu gelangen. Es sind auch andere Lösungen denkbar, z.B. die, welche der Antragsgegner gewählt hat, nämlich auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalles abzuheben und die Anrechnung der Wehr- oder Ersatzdienstzeiten in der Weise vorzunehmen, daß der Notarassessor so gestellt wird, wie er nach den jeweils konkreten Verhältnissen stehen würde, die er vorgefunden hätte und die dann auch für seinen beruflichen Werdegang maßgebend gewesen wären, wenn er keinen Wehr- oder Ersatzdienst geleistet hätte.
Dieses Verfahren ist umso weniger zu beanstanden, als es den persönlichen Belangen des betroffenen Bewerbers um eine Notarstelle besser Rechnung trägt und eine feinere Differenzierung ermöglicht als die grobe „pauschale” Lösung. Der dann zu vollziehende hypothetische Ausbildungsverlauf kommt dem mußmaßlichen beruflichen Werdegang des Notarassessors ohne den von ihm geleisteten Wehr- oder Ersatzdienst am nächsten und führt so zu einem individuelleren Ausgleich der sich aus der Ableistung von Wehr- oder Ersatzdienst ergebenden Nachteile.
Auch eine solche Regelung ist sachgerecht. Sie ist es insbesondere für kleinere Bezirke des Nur-Notariats – wie hier im Saarland –, in denen der Bedarf an Notarassessoren geringer ist und zeitlich schwankt, so daß Notarassessoren nicht laufend in etwa gleichbleibender Zahl, sondern in unregelmäßigen Zeitabständen ernannt werden. Dann erscheint es geradezu geboten, zumindest aber nicht ermessensfehlerhaft, anrechenbare Wehr- und Ersatzdienstzeiten in der Weise zu berücksichtigen, daß nachzuvollziehen versucht wird, wann der Bewerber um die Notarstelle konkret die Chance gehabt hätte, zum Notarassessor ernannt zu werden, wenn er keinen Wehr- oder Ersatzdienst geleistet hätte.
dd) Daß auch bei diesem Verfahren, wie der Antragsteller geltend macht, Unsicherheiten in der Beurteilung möglich sind und es damit nicht immer zu völlig zweifelsfreien Ergebnissen kommen kann, ist unvermeidbar. Das liegt in der Natur hypothetischer Geschehens ablaufe, wie sie aber etwa im Schadensersatzrecht durchaus geläufig sind. Die dabei auftretenden Schwierigkeiten sind überwindbar. Mögliche Fehleinschätzungen lassen sich in Grenzen halten, so daß die im „hypothetischkonkreten” Verfahren erzielten Ergebnisse keinesfalls weniger sachgerecht sind als die bei der „pauschalen” Anrechnung von Wehr- oder Ersatzdienstzeiten.
ee) Warum es – wie der Antragsteller meint – für Bewerber um Notarstellen unzumutbar sein sollte, sich einen hypothetischen Ausbildungsverlauf entgegenhalten lassen zu müssen, ist nicht erkennbar. Die Forderung des Antragstellers, die nicht gedienten Mitbewerber hypothetisch so zu stellen, wie wenn sie Wehr- oder Ersatzdienst geleistet hätten, würde die Dinge umkehren. Das wäre nicht der Ausgleich einer tatsächlichen Benachteiligung des Antragstellers, weil er gedient hat, sondern die fiktive Benachteiligung des Mitbewerbers, weil er nicht gedient hat. Dergleichen ist nirgends vorgesehen; weder das Arbeitsplatzschutzgesetz noch das Soldatenversorgungsgesetz sehen eine solche fiktive „Zurückstufung” eines Mitbewerbers vor.
ff) Auch aus § 48 des Schwerbehindertengesetzes (Neufassung vom 8. Oktober 1979 BGBl I 1650) kann der Antragsteller nichts gegen die Verfahrensweise des Antragsgegners bei der Berücksichtigung von Wehr- oder Ersatzdienstzeiten herleiten. Die in dieser Vorschrift geregelte Problematik des beruflichen Fortkommens von Schwerbehinderten ist eine ganz andere und der hier in Frage stehenden Anrechnung von Wehr- oder Ersatzdienstzeiten nicht vergleichbar. Deshalb ist auch die Senatsrechtsprechung dazu (BGHZ 47, 84; 55, 324) nicht einschlägig. Keineswegs hat der Senat in dem vom Antragsteller angeführten Beschluß vom 5. April 1976 – NotZ 12/75 = DNotZ 1977, 42 einer erweiternden Auslegung des § 48 SchwbG das Wort geredet, sondern hat diese Frage im Gegenteil ausdrücklich offengelassen. In dem entschiedenen Fall ging es ausschließlich darum, ob bei der Verlegung des Amtssitzes eines Notars die Kriegsbeschädigung eines Stellenbewerbers eine so starke Rolle spielen kann, daß sie von den in die Erwägungen der Landesjustizverwaltung einzubeziehenden Gesichtspunkten den Ausschlag zu geben hat, was dort zu bejahen war. Das ist etwas anderes als die Berücksichtigung von Wehr- oder Ersatzdienstzeiten bei der Bewerbung eines Notarassessors um eine Notarstelle.
b) Der Antragsgegner hat – entgegen der Ansicht des Antragstellers – nach der von ihm angewandten hypothetisch-konkreten Berechnungsweise auch den Zeitpunkt richtig ermittelt, in dem der Antragsteller zur Ernennung zum Notarassessor frühestens angestanden hätte, wenn er keinen Wehrdienst geleistet hätte.
Der Antragsteller hätte dann das Studium frühestens mit dem Wintersemester 1969/70 beginnen und bei der damals vorgeschriebenen Mindeststudienzeit von sieben Semestern erst mit dem Sommersemester 1973 beenden können. Die mündliche Prüfung des Referendarexamens hat im Juli 1973 stattgefunden. Erst im November 1973 hätte der Antragsteller in den juristischen Vorbereitungsdienst aufgenommen werden und die zweite Staatsprüfung dann erst im Februar 1976 ablegen, also nicht vor März 1976 zum Notarassessor ernannt werden können.
Die zweimonatige Pflichtwehrübung, an der der Antragsteller vom 12. August bis 9. Oktober 1971 teilgenommen hat, muß außer Betracht bleiben, weil sie sich auf die tatsächliche Studiendauer des Antragstellers nicht ausgewirkt hat und dem hypothetischen Ausbildungsverlauf nur die Mindeststudienzeit zugrunde gelegt worden ist. Die verhältnismäßig lange Wartezeit vom Abschluß des Referendarexamens im Juli 1973 bis zur Einstellung als Referendar im November 1973 hat der Antragsteller auch im Jahre 1974 in Kauf genommen. Daß das nur wegen der dreiwöchigen Pflichtwehrübung im September 1974 geschehen sein soll, wie es der Antragsteller darstellt, hat das Oberlandesgericht mit Recht als nicht überzeugend bezeichnet. Um die Wartezeit im Jahre 1973 abzukürzen, hätte der Antragsteller nach seinen eigenen Angaben auf ein anderes Oberlandesgericht ausweichen müssen. Es spricht nichts dafür, daß er das 1973 – anders als 1974 – getan hätte.
c) Es war nach alledem nicht ermessensfehlerhaft, daß der Antragsgegner die Notarstelle bei gleicher Eignung der beiden Bewerber unter Berücksichtigung anrechenbarer Wehrdienstzeiten zugunsten des Antragstellers an den auch danach dienstälteren Mitbewerber Mohr vergeben hat. Der Antragsgegner war nicht gezwungen, dem Antragsteller deshalb den Vorzug zu geben, weil dieser überhaupt Wehrdienst geleistet und damit ein Opfer im Interesse der Allgemeinheit gebracht hat. Dieser Umstand konnte bei der Ermessensentscheidung des Antragsgegners innerhalb der Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Antragstellers eine Rolle spielen und ist nach der Erklärung des Antragsgegners auch mit einbezogen worden. Er mußte aber nicht den Ausschlag geben.
III.
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers ist daher mit der aus dem Tenor ersichtlichen Maßgabe zurückzuweisen.
Unterschriften
Girisch, Gribbohm, Räfle, Kaiser, Lamers
Fundstellen
Haufe-Index 1502499 |
BGHZ |
BGHZ, 66 |
NJW 1981, 2468 |
Nachschlagewerk BGH |
DNotZ 1981, 637 |
DNotZ 1982, 128 |