Verfahrensgang
LG Dessau-Roßlau (Entscheidung vom 16.06.2022; Aktenzeichen 8 T 32/22) |
AG Dessau-Roßlau (Entscheidung vom 09.12.2021; Aktenzeichen 2 IN 121/12) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 8. Zivilkammer des Landgerichts Dessau-Roßlau vom 16. Juni 2022, berichtigt durch Beschluss vom 15. Juli 2022, wird auf Kosten des Rechtsbeschwerdeführers verworfen.
Gründe
I.
Rz. 1
Die weiteren Beteiligten streiten im Kostenfestsetzungsverfahren über die Erstattung der anteiligen Kosten eines von dem weiteren Beteiligten zu 10 im Streit über die Vergütung seiner Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalter eingeholten Privatgutachtens.
Rz. 2
Das Amtsgericht hat die dem Beteiligten zu 10 zu erstattenden Kosten unter Berücksichtigung der von diesem aufgewandten Kosten für die Einschaltung des Privatsachverständigen auf insgesamt 32.445,02 € nebst Zinsen festgesetzt. Auf die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Gläubiger hat das Landgericht die Entscheidung des Amtsgerichts mit Beschluss vom 16. Juni 2022 abgeändert und die dem Beteiligten zu 10 zu erstattenden Kosten auf 6.302,99 € festgesetzt; die Kosten für das Privatgutachten hat es hierbei außen vor gelassen. Weder in der Beschlussformel noch in den Gründen dieses Beschlusses hat das Beschwerdegericht zur Zulassung der Rechtsbeschwerde Stellung genommen; es hat den Beschluss jedoch mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen, wonach die Entscheidung mit der Rechtsbeschwerde angefochten werden könne. Mit einem weiteren Beschluss vom 15. Juli 2022 hat das Beschwerdegericht den Tenor seiner Entscheidung dahingehend ergänzt, dass die Rechtsbeschwerde zugelassen werde.
Rz. 3
Mit der Rechtsbeschwerde möchte der Beteiligte zu 10 die Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung und die Zurückweisung der Beschwerde der Beteiligten zu 1 bis 9 erreichen.
II.
Rz. 4
Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig, da sie nach § 574 ZPO nicht statthaft ist. In Kostensachen ist die Rechtsbeschwerde nicht schon nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO eröffnet. Das Beschwerdegericht hat die Rechtsbeschwerde auch nicht wirksam nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO zugelassen.
Rz. 5
1. Die Rechtsbeschwerde muss nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO in dem Beschluss, mit dem über die sofortige Beschwerde entschieden wurde, im Tenor oder in den Gründen ausdrücklich zugelassen werden. Der Beschluss vom 16. Juni 2022 in seiner ursprünglichen Fassung enthielt keine Zulassung der Rechtsbeschwerde.
Rz. 6
Eine unzutreffend erteilte Rechtsbehelfsbelehrung kann die Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht ersetzen. Sie dient nicht der Ergänzung oder Interpretation der Entscheidung, sondern allein der Information der Beteiligten über bestehende Rechtsmittel. Durch eine insofern unrichtige Angabe wird ein unstatthaftes Rechtsmittel nicht statthaft. Eine Willensentschließung des Beschwerdegerichts im Sinne einer Zulassungsentscheidung kann daraus nicht entnommen werden (BGH, Beschluss vom 30. Januar 2019 - XII ZB 554/18, FamRZ 2019, 725 Rn. 10 mwN).
Rz. 7
2. Die Rechtsbeschwerde wurde auch nicht durch den Beschluss des Beschwerdegerichts vom 15. Juli 2022 in wirksamer Form zugelassen.
Rz. 8
Bei dem Beschluss vom 15. Juli 2022 handelt es sich in der Sache um eine unzulässige Ergänzungsentscheidung entsprechend § 321 ZPO, die das Rechtsbeschwerdegericht nicht bindet. Eine im Beschwerdebeschluss unterbliebene Zulassung der Rechtsbeschwerde kann nicht durch einen Ergänzungsbeschluss nachgeholt werden (BGH, Beschluss vom 12. März 2009 - IX ZB 193/08, WM 2009, 1058 Rn. 7; vom 5. Juli 2017 - XII ZB 509/15, FamRZ 2017, 1608 Rn. 13).
Rz. 9
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann zwar eine Berichtigung des Beschlusses, in den eine beschlossene Zulassung versehentlich nicht aufgenommen wurde, nach § 319 ZPO erfolgen. Dass die Zulassung der Rechtsbeschwerde beschlossen und nur versehentlich nicht im Beschluss ausgesprochen war, muss sich dann aber aus dem Zusammenhang des Beschlusses selbst oder mindestens aus den Vorgängen, die zu seinem Erlass oder seiner Verkündung geführt haben, ergeben, weil nur dann eine "offenbare" Unrichtigkeit vorliegen kann (BGH, Beschluss vom 12. März 2009, aaO Rn. 8; vom 5. Juli 2017, aaO Rn. 14). Eine offenbare Unrichtigkeit muss selbst für Dritte ohne weiteres erkennbar sein, da auch Richter, die an der Entscheidung nicht mitgewirkt haben, über eine Berichtigung entscheiden dürfen.
Rz. 10
Weder der Beschluss des Beschwerdegerichts vom 16. Juni 2022 noch die Vorgänge, die zu seinem Erlass oder seiner Verkündung geführt haben, bieten Anhalt für die Annahme, dass das Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde zulassen wollte und die Zulassung lediglich aus Versehen unterblieben war. Aus dem Umstand, dass der originäre Einzelrichter die Sache zuvor auf die Kammer übertragen hat, ist nur offenbar, dass der Einzelrichter selbst der Sache eine grundsätzliche Bedeutung gemäß § 568 Satz 2 Nr. 2, § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO beigemessen und deswegen die Zulassung der Rechtsbeschwerde für erforderlich gehalten hat. Daraus kann jedoch nicht gefolgert werden, dass die mit drei Richtern besetzte Kammer bei ihrer Beschlussfassung derselben Auffassung gewesen ist und auch eine entsprechende Entscheidung getroffen hat. Auch aus der Rechtsbehelfsbelehrung ergibt sich insoweit kein ausreichender Anhalt für eine offenbare Unrichtigkeit. Diese rechtfertigt allenfalls den Schluss, dass das Beschwerdegericht von der Statthaftigkeit der Beschwerde ausgegangen ist, zumal auch die Möglichkeit besteht, das die Rechtsbehelfsbelehrung lediglich versehentlich erfolgt ist (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Juli 2017 - XII ZB 509/15, FamRZ 2017, 1608 Rn. 15 f). Die Verfügung der Kammervorsitzenden vom 21. Juni 2022 kann in zeitlicher Hinsicht keine Berücksichtigung finden, da zum Zeitpunkt der Entscheidung am 16. Juni 2022 für einen Dritten nicht ohne weiteres deutlich nach außen hervorgetreten ist, dass die Zulassung der Rechtsbeschwerde versehentlich unterblieben war (vgl. BGH, Beschluss vom 29. April 2013 - VII ZB 54/11, WM 2013, 1078 Rn. 13).
Rz. 11
Gegen die Absicht des Beschwerdegerichts, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, spricht zudem, dass sich aus der Entscheidung vom 16. Juni 2022 kein Hinweis auf einen Zulassungsgrund nach § 574 Abs. 2 ZPO ergibt. Weder wird eine abweichende Rechtsprechung genannt noch eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage oder ein bestehender Rechtsfortbildungsbedarf aufgezeigt.
Vielmehr wollte das Beschwerdegericht seine Entscheidung an der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Erstattung von Privatgutachterkosten (BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2011 - VI ZB 17/11, BGHZ 192, 140) ausrichten.
Schoppmeyer |
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Röhl |
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Selbmann |
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Harms |
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Weinland |
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Fundstellen
ZInsO 2024, 2184 |
ZRI 2023, 205 |