Verfahrensgang
KG Berlin (Entscheidung vom 24.06.2003) |
Gründe
I. Die Parteien streiten um Vergütung aus einem Auftrag über die Lieferung und Montage von Telekommunikationsanlagen für die Bauten des Deutschen Bundestages im inneren Spreebogen in Berlin. Das Landgericht Berlin hat mit Urteil vom 28. Februar 2003, das der Klägerin am 19. März 2003 zugestellt worden ist, die Klage abgewiesen. Hiergegen hat die Klägerin am 22. April 2003 Berufung eingelegt. Am 21. Mai 2003 hat die Klägerin einen Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist gestellt, mit Schriftsatz vom 4. Juni 2003 die Berufung begründet und einen Antrag auf Wiedereinsetzung in die Berufungsbegründungsfrist gestellt. Zur Begründung hat sie vorgetragen, die zuverlässige Rechtsanwaltsfachangestellte des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin habe entsprechend der allgemeinen Anweisung nach Eingang des Urteils des Landgerichts sowohl die Berufungsfrist als auch die einwöchige Vorfrist und die Berufungsbegründungsfrist nebst Vorfrist berechnet, im Terminkalender und auf dem Urteil notiert und dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin das Empfangsbekenntnis mitsamt Urteil zur Unterzeichnung vorgelegt. Aus nicht mehr feststellbaren Gründen sei die Berufungsbegründungsfrist von der Rechtsanwaltsfachangestellten fehlerhaft statt auf den 19. Mai 2003 auf den 22. Mai 2003 notiert worden. Der Prozeßbevollmächtigte habe bei Vorlage des Empfangsbekenntnisses zur Unterzeichnung festgestellt, daß die Rechtsmittelfristen festgehalten und notiert waren. Er habe die Berufungsfrist überprüft, zur Kontrolle ebenfalls berechnet, den 22. April 2003 als zutreffende Frist ermittelt, das Empfangsbekenntnis unterzeichnet und zur Wiedervorlage verfügt. Am 22. April 2003 habe er die Ausfertigung der Berufungsschrift angewiesen und in ihr mitgeteilt, Anträge und Begründung der Berufung innerhalb der am 22. Mai 2003 auslaufenden Berufungsbegründungsfrist zu fertigen und einzureichen. Die Berufungsschrift sei wie üblich standardmäßig abgefaßt worden. Eine Überprüfung der Begründungsfrist sei zu diesem Zeitpunkt nicht erfolgt und habe auch noch nicht zu erfolgen brauchen, weil die Klägerin noch nicht endgültig entschieden habe, ob das Berufungsverfahren tatsächlich durchgeführt werden sollte. Nach Ablauf der für die Berufungsbegründung richtig auf den 12. Mai 2003 notierten Vorfrist sei die Akte dem Prozeßbevollmächtigten nicht mehr vorgelegt worden. Erst aufgrund seiner Anweisung vom 21. Mai 2003 sei die Akte zur Beantragung der Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist aus der Registratur herausgesucht worden.
Das Berufungsgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen und den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin.
II. Die statthafte Rechtsbeschwerde bleibt ohne Erfolg.
Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zu Recht ein der Klägerin zurechenbares Verschulden ihres Prozeßbevollmächtigten an der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist darin gesehen, daß er bei der Fertigung der Berufungsschrift vom 22. April 2003 den Ablauf der Berufungsbegründungsfrist nicht nachgeprüft und eine Korrektur der fehlerhaft notierten Frist unterlassen hat. Denn es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, daß sich der Rechtsanwalt nur von der routinemäßigen Fristberechnung und Fristenkontrolle durch Übertragung dieser Tätigkeit auf zuverlässige und sorgfältig überwachte Bürokräfte entlasten kann. Hiervon ist die Prüfung des Fristablaufs im Zusammenhang mit der Bearbeitung der Sache zu unterscheiden. Diesen hat der Rechtsanwalt eigenverantwortlich nachzuprüfen, wenn ihm die Sache zur Vorbereitung der fristgebundenen Prozeßhandlung vorgelegt wird (BGH, Beschl. v. 13.11.1975 - III ZB 18/75, NJW 1976, 627). Nach den zur anwaltlichen Fristenkontrolle entwickelten Grundsätzen hat der Rechtsanwalt alles ihm Zumutbare zu tun und zu veranlassen, damit die Fristen zur Einlegung und Begründung eines Rechtsmittels gewahrt werden (BGH, Beschl. v. 28.9.1989 - VII ZR 115/89, NJW 1990, 1239 = BGHR ZPO § 233 Fristenkontrolle 12; Beschl. v. 17.3.2004 - IV ZB 41/03, BB 2004, 1189). Die von der Klägerin als rechtsgrundsätzlich aufgeworfene Frage, ob der Anwalt, dem die Akten zur Fertigung der Berufungsschrift vorgelegt werden, den Ablauf der Berufungsbegründungsfrist kontrollieren muß, ist nicht mehr klärungsbedürftig. Die Überwachungspflicht des Rechtsanwalts, dem die Handakten zwecks Fertigung der Berufungsschrift vorgelegt werden, beschränkt sich nicht auf die Prüfung, ob die Berufungsfrist zutreffend notiert ist, sondern erstreckt sich auch auf die ordnungsgemäße Notierung der Berufungsbegründungsfrist, die nach § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO in der Fassung des Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses vom 27. Juni 2001 mit der Zustellung des erstinstanzlichen Urteils zu laufen beginnt und deren Ablauf daher im Zeitpunkt der Fertigung der Berufungsschrift bereits feststeht. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist es mit der anwaltlichen Verpflichtung, alle zumutbaren Vorkehrungen gegen Fristversäumnisse zu treffen, nicht zu vereinbaren, wollte sich der Anwalt bei der im Zusammenhang mit der Aktenvorlage zwecks Fertigung der Berufungsschrift gebotenen Prüfung der Fristnotierung auf die Berufungsfrist beschränken und die Prüfung der bereits feststehenden Berufungsbegründungsfrist aussparen (BGH, Beschl. v. 21.4.2004 - XII ZB 243/03, FamRZ 2004, 1183; Beschl. v. 22.12.2004 - III ZB 58/04). Das Berufungsgericht hat die Fristversäumung daher zu Recht als verschuldet angesehen, den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung der Klägerin als unzulässig verworfen.
Bei dieser Sachlage ist die vom Berufungsgericht bejahte und von der Rechtsbeschwerde als grundsätzlich zur Entscheidung gestellte Frage, ob den Prozeßbevollmächtigten der Klägerin bei Unterzeichnung des Empfangsbekenntnisses eine Pflicht zur Nachberechnung der Berufungs- und Berufungsbegründungspflicht traf, weil die von der Bürokraft notierte Berufungsbegründungsfrist offensichtlich und schon auf den ersten Blick erkennbar unrichtig sein mußte, nicht entscheidungserheblich, zumal sie typischerweise auf den Einzelfall bezogen und daher nicht geeignet ist als Grundlage zu rechtsgrundsätzlichen Ausführungen zu dienen (BGH, Beschl. v. 24.7.2003 - IX ZB 510/02; dort auch zu den erhöhten Sorgfaltspflichten des Rechtsanwalts bei Rückgabe des Empfangsbekenntnisses vor zutreffender Notierung der Fristen im Fristenkalender m.w.N.).
Fundstellen